Also:
Dass das Bild in die Reihe "Wunderbare Welt der Verkehrsplanung" fällt, hat natürlich einen Grund:
Dazu ein paar schnell zusammengeklaubte Eckdaten aus der Geschichte dieses wohl weltweit
einzigartigen Betriebes:
Der Bau der Metro Charleroi erfolgte einerseits, um das im Niedergang befindliche Straßenbahnnetz
der SNCV zu retten, es war eine Durchbindung der meisten Linien über das Metronetz ins Stadtzentrum
von Charleroi geplant, weshalb dieses auch in Meterspur ausgeführt wurde, andererseits - und das
dürfte wohl der Hauptgrund sein -, weil zur gleichen Zeit mit dem Bau der Premetro in Antwerpen begonnen
worden war, und was der Staat den Flamen finanzierte, musste Wallonien auch haben.
Weiters wollte man mit dem Bau der Stadtbahn die massiven Fahrgastverluste bekämpfen und das Zentrum
von Charleroi fußgängerfreundlich und autofrei gestalten.
Da der Bau des neuen Netzes möglichst kostengünstig durchgeführt werden sollte, wurden die meisten
Strecken dort geplant, wo sie am einfachsten zu realisieren waren, nämlich weit entfernt von den Siedlungen,
die zuvor von der Straßenbahn zentral erschlossen worden waren. Dennoch sollte das gesamte Netz
vollkommen kreuzungsfrei sein und zum überwiegenden Teil in Hoch- oder Tieflage verlaufen, und was dann
tatsächlich gebaut wurde, war alles andere als billig...
Allerdings wurde vom geplanten Netz nicht allzuviel realisiert:
Von den vorgesehenen acht Streckenästen, die vom Innenstadtring, der auch noch heute
nicht komplett in Betrieb ist, aus die Region erschließen sollten, sind bisher nur zwei in Betrieb,
und dabei dürfte es auch bleiben.
Parallel zum Bau der Metro wurde auch begonnen, das noch vorhandene Straßenbahnnetz von Grund
auf zu modernisieren, schließlich hat die Metro ohne diese Zulaufstrecken aufgrund ihres peripheren
Streckenverlaufes kaum einen Verkehrswert.
Trotz dieser Maßnahmen wurde nahezu das gesamte Straßenbahnnetz bis 1988 abschnittsweise
stillgelegt.
Während einige Linien des Überlandnetzes nur wenige Jahre nach ihrer (zumindest teilweisen)
Modernisierung eingestellt wurden, wurden andere Streckenabschnitte nach erfolgter Erneuerung
von Gleisen und Oberleitung gar nicht mehr in Betrieb genommen. Auf einem Abschnitt der eingestellten
Linie 80 fanden zB im Mai 1989 noch Gleisbauarbeiten statt, während an anderen Stellen die Strecke
bereits abgebaut wurde.
Die in den 80er- Jahren neugebauten Streckenabschnitte existieren noch heute unverändert, die
dazwischenliegenden, nicht erneuerten Teilstücke wurden mittlerweile weitgehend abgebaut.
Der letzte verbliebene Überlandstrecke von Anderlues nach La Louvière, die ebenfalls in den 80er-
Jahren vollständig erneuert worden war, wurde 1993 eingestellt. Die offizielle Begründung dafür war
der schlechte Zustand der Bahnanlagen....
Von den 54 für die Metro - und auch die erneuerten Straßenbahnlinien - beschafften Stadtbahnwagen
werden für den Planbetrieb nur 18 benötigt, der Rest dient als Ersatzteillager.
Ein Fahrzeug der legendären Type ,,S", die jahrzehntelang das Netz der SNCV prägte, und die noch
in den 80er- Jahren modernisiert und aufwändig für den Stadtbahnbetrieb adaptiert wurden, befand sich
zeitgleich mit der endgültigen Ausmusterung der Serie im April 1989 noch in der Werkstätte zur
Modernisierung. Diese wurde dennoch abgeschlossen und der TW unmittelbar danach verschrottet.
Noch 1989 wurden auf der Metro Fahrscheine ausschließlich durch die Fahrer verkauft, es gab keine
Fahrscheinautomaten, die Schalter in den Stationen waren stets unbesetzt, und da es im Bereich der
SNCV auch keine Entwerter gab, mussten auch Mehrfahrtenkarten vom Fahrer gestempelt werden!!!
(Inwieweit bzw wann es da Änderungen gab, geht aus den mir zur Verfügung stehenden Quellen nicht
hervor...)
Nachdem sich seit 1993 am verbliebenen Strecken- und Liniennetz nichts geändert hatte, scheint man auch
im Hainault die Zeichen der Zeit erkannt zu haben und so wurden in den letzten Jahren drei (gar nicht neue)
Ausbaumaßnahmen beschlossen:
Zzt wird der fehlende Abschnitt des Innenstadtringes - entgegen der ursprünglichen Planungen oberirdisch -
gebaut, die seit 20 Jahren im Rohbau fertiggestellte Strecke von Gilly nach Soleilmont soll doch noch in
Betrieb genommen werden und auch die Linie nach Gosselies, die ebenfalls in den 80er- Jahren komplett
saniert und dann eingestellt worden war, soll noch 2011 nach komplettem Neubau der Gleisanlagen wieder
eröffnet werden.
Zurück zum eigentlichen Thema:
Die Hst Centenaire liegt an der Strecke nach Chatelet, die bis heute an der Stadtgrenze von Charleroi -
mitten in einem Tunnel - endet und über die Station Centenaire hinaus nur im Rohbau errichtet wurde.
Der geplante Weiterbau über die Stadtgrenze hinaus wurde nicht einmal mehr begonnen.
Die beiden 1985 fertiggestellten Streckenäste nach Gilly und Centenaire konnten zunächst nicht in Betrieb
genommen werden, da die parallel führenden Buslinien der STIC durch diese ersetzt worden wären und
diese das Feld nicht der SNCV überlassen wollte. Nachdem die beiden Gesellschaften 1992 in der TEC
aufgegangen waren, wurde die Linie nach Gilly zwar eröffnet, der Ast nach Centenaire aber weiterhin nicht,
diesmal mit der Begründung, dass aufgrund fehlender paralleler Buslinien kein Einsparungspotential
vorhanden sei...
Die jetzt schon seit mehr als 20 Jahren vor sich hin verfallende und mehr und mehr zuwachsende Strecke
stellt mittlerweile ein wohl weltweit einzigartiges Landmark dar, das in seiner jetzigen Form eigentlich schon
unter Schutz gestellt gehörte und ist mittlerweile auch ein beliebtes Ziel für - inoffizielle - Exkursionen (s.u.)
geworden. Eigentlich ist es fast ein Wunder, dass noch niemand auf die Idee gekommen ist, das zu vermarkten...
Informationen über die Metro Charleroi und besonders über diese Strecke findet man auch im Internet,
hier exemplarisch ein paar Berichte mit Bildern vom Zustand der Anlagen:
Ein kurzer Abriss über die Geschichte der Strecke:
http://absence-of-fear.de/articles/2010/08/14/die-metro-phantome-von-charleroi.htmlBilder einer solchen "inoffiziellen" Streckenbegehung im Jahr 2002:
http://diggelfjoer.swalker.nl/aband/abandcharl/.
Im Jahr 1991 gab es noch Probefahrten auf dem ersten Teilstück der Strecke:
http://www.trams-trolleybus.be/metrostation20.htmlund noch ein Bildbericht aus Drehscheibe-Online:
http://www.drehscheibe-foren.de/foren/read.php?5,4944664Eine Reihe von Netz- und Gleisplänen gibt es auch auf wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%A9tro_L%C3%A9ger_de_CharleroiQuellen:
,,Stadtverkehr", div Ausgaben 1987 - 1993
,,StraßenbahnMagazin" 6/2005
sowie tw auch die oben zitierten Seiten.
LG Rainer