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Thema: Linz setzt wie Bern aufs Tram (2627-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Linz setzt wie Bern aufs Tram
BERN

Linz setzt wie Bern aufs Tram

Von Simon Thönen.

Mit dem Tram will auch die österreichische Industriestadt Linz ihre Verkehrsprobleme lösen - und stösst beim Ausbau auf ähnliche Probleme wie Bern. Der Verein Läbigi Stadt orientierte sich vor Ort.


Auch in Linz fahren die Trams mitten durch die Einkaufsstrasse in der Altstadt.


Christian Zahler (Ostermundigen) und Rudolf Käser (Köniz) vor dem steilen Tram.

Bern und Linz haben auf den ersten Blick wenig gemein. Anders als die beschauliche Bundesstadt musste die Industriestadt Linz hart daran arbeiten, um endlich auch als lebenswerte Stadt zu gelten. Zumal sie das historische Pech hatte, dass Hitler hier aufwuchs. Teile der Stadt sind noch heute von den «Hitlerbauten» geprägt, die die Nazis für die Arbeiter ihrer Kriegsindustrie bauten.

Doch der Effort der letzten Jahre hat sich gelohnt: Die Stadt nutzte das Jahr als Europäische Kulturhauptstadt 2009, um das einst öde Kulturleben kräftig aufzuwerten. Wichtiger noch: Linz und der lokale Stahlkonzern meisterten die Krise der Schwerindustrie weit besser als andere Industrieregionen. Der Konzern Voestalpine konzentrierte sich auf wertvollen Spezialstahl - und er senkte die Luftverschmutzung massiv. Der Industriesmog, der einst über der Stadt hing, ist inzwischen verschwunden.

Pendlerproblem wie in Bern

«Der Wandel von einem reinen Industrie- und Stahlstandort zum modernen Technologiestandort ist geglückt», betont der sozialdemokratische Vizebürgermeister Klaus Luger. Die negative Seite der Erfolgsstory ist der Pendlerstrom, der täglich nach Linz hinein- und wieder hinausströmt. Die Ursache ist dieselbe wie in Bern: Es gibt auch in Linz viel mehr Arbeitsplätze als Einwohner im arbeitsfähigen Alter. Der Berner Verein Läbigi Stadt, der sich für eine umweltfreundliche Verkehrspolitik einsetzt, hat mit Linz wohl kein schlechtes Anschauungsbeispiel für seine Studienreise gewählt, die letztes Wochenende stattfand.

Das etwas grössere Linz hat die Tramlinien noch entschiedener ausgebaut als Bern, um den Verkehr in der Stadt zu bewältigen und auf die umweltfreundliche Schiene zu lenken. Und wie in Bern werden in Linz fast alle Tramlinien durch die Shoppingmeile im Herzen der Altstadt geführt. Dies ist gut, um die Passagiere in die Innenstadt zu transportieren - es stösst aber hier wie dort nun an Kapazitätsgrenzen. «In den Spitzenzeiten kommen die Trams im 50-Sekunden-Intervall», sagt der Vorstandsdirektor der Linz Linien AG, Erich Haider. «Mehr geht nicht. Die geringste Störung führt zu Strassenbahn-Staus.»

Zweite Tramachse unterirdisch

Wie Bern plant Linz deshalb eine zweite Tramachse zur Entlastung der Innenstadt - setzt aber auf Lösungen, die bisher in Bern nicht im Vordergrund stehen. So soll in Linz mehr als die Hälfte der neuen Tramachse unterirdisch gebaut werden. Bereits 2004 wurden die Tramlinien unterirdisch unter den Linzer Hauptbahnhof gelegt. Auch eine 2011 eingeweihte Linienverlängerung in einen Vorort verläuft teilweise in einem Tunnel. Die zweite Tramachse führe durch «eines der dicht bebauten Gebiete», betont Vizebürgermeister Luger, da würden sich Tunnels aufdrängen, um die baulichen Eingriffe in die Quartiere in Grenzen zu halten.

In Bern wird ein Tramtunnel unter den Hauptgassen bisher vor allem von der bürgerlichen Vereinigung Entente Bernoise propagiert. Allerdings zeigt Linz auch, was dabei eines der Hauptprobleme sein dürfte: Die Rampen, auf der in Linz bereits heute die Trams in den Tunnel unter den Bahnhof hinabfahren, sind sehr lang. Es dürfte schwierig sein, in der Berner Altstadt Platz für solche Tunnelrampen zu finden.

In Linz soll die zweite Tramachse die Einkaufsmeile in der Altstadt zudem grossräumig umfahren - und sie wird damit auch neue Quartiere mit dem Tram erschliessen. GFL-Stadtrat und Linz-Besucher Daniel Klauser findet dies sinnvoll: «Es wäre schon erstrebenswert, wenn man mit einer zweiten Tramachse wie in Linz auch neues Gebiet erschliessen könnte.» Denn wenn sie nur durch die Nebengassen der Altstadt verlaufe, stelle sich die Frage, ob der eher geringe zusätzliche Nutzen die Kosten rechtfertigen könne.

Tramtunnel auch in Bern?

Auch in der laufenden Variantenprüfung für eine zweite Tramachse in Bern wird geprüft, ob das 10er- oder 9er-Tram künftig vom Viktoriaplatz über Lorrainebrücke und Bollwerk zum Bahnhof fahren könnte. Da wäre es auch denkbar, dass das Tram zwischen Bollwerk und Monbijou den Bahnhof und Bubenbergplatz in einem Tunnel durchqueren würde. Für Bern sollte man unterirdische Linien zumindest abklären, findet SP-Stadtrat Beat Zobrist. Linz zeige, dass Tunnel Fahrzeitgewinne bringen und langfristig im Unterhalt günstiger sind. Beeindruckt sind die beiden auch von kleineren Innovationen. Dass in Linz Menschen mit tiefen Einkommen ÖV-Monatskarten für nur 10 Euro lösen können, sei auch für Bern eine prüfenswerte Idee, findet Zobrist. Klauser gefällt, dass hier Trams mit drahtlosem Internetzugang ausgerüstet werden. Interessant sind auch die Sammeltaxis, die man in Linz in den Aussenquartieren oder in der Nacht bestellen kann.

Steiles Tram auf den Hausberg

Seit mehr als hundert Jahren betreibt Linz zudem das wahrscheinlich weltweit steilste Tram auf den Pöstlingberg. Auch das geplante 10er-Tram müsste auf dem Weg zur Rüti in Ostermundigen eine steile Strecke überwinden - was mit dem bisher ersten Tramtunnel in der Region Bern erreicht werden soll. Nach der steilen Fahrt auf den Linzer Hausberg ist der Ostermundiger Gemeindepräsident Christian Zahler (SP) beeindruckt. Für die Rüti komme ein solches Tram aber wohl eher nicht infrage. In der Tat: Das Tram ist eine teure Spezialanfertigung.

«Wir werden die Lösungen aus Linz zwar nicht unbedingt eins zu eins auf Bern übertragen können», sagt Nadine Masshardt, SP-Grossrätin und Präsidentin von Läbigi Stadt. «Linz zeigt aber klar, dass die Region Bern mit dem Ausbau des Trams nicht alleine da steht.»

Läbigi Stadt bezahlte die Reisekosten.
(Der Bund) Erstellt: 14.02.2012, 09:01 Uhr


Quelle: Der Bund




In Linz fahren die Trams sogar im 50-Sekunden-Takt

Von Sandra Rutschi.

Bern ist nicht die einzige Stadt, die über eine zweite Tramachse debattiert. Auch im österreichischen Linz stösst das Netz an seine Kapazitätsgrenzen. Die zweite Achse möchten die Politiker grösstenteils unter den Boden verlegen.


Tramwände kennt auch Linz: Weil die Hauptachse an ihre Kapazitätsgrenzen stösst, plant die Stadt eine zweite Tramlinie.


Am Bahnhof Linz steigen Passagiere von den Zügen aufs Tram und auf den Bus um. Die Tramstation ist unterirdisch angelegt.


Stadt im Schnee: Die Innenhöfe sind ein Charakteristikum von Linz. Unter etlichen von ihnen befinden sich Parkplätze für Autos.


Wie Tramlinien das Bild einer Stadt prägen.

In den Gassen der Altstadt stauen sich die Trams. Drinnen stehen die Pendler dicht gedrängt und warten, bis ihre Reise weitergeht. Eine Szene, wie man sie im Feierabendverkehr in Bern antrifft - aber auch in Linz, der Hauptstadt Oberösterreichs. Hier fahren die Strassenbahnen zu Spitzenzeiten nicht im 2-Minuten-Takt wie in Bern, sondern sogar alle 50 Sekunden. Ein System, das an seine Grenzen stösst. Die Politiker der Stadt arbeiten deshalb mit Hochdruck daran, das Tramnetz auszubauen. Der zentrale Bestandteil ist dabei eine zweite Schienenachse, mit der die Hauptachse entlastet und gleichzeitig der florierende Osten der 190'000-Einwohner-Stadt erschlossen werden könnte.

Die Diskussion in Linz erinnert an jene rund um die zweite Tramachse in der Berner Innenstadt und das Tram Region Bern. Der Verein «Läbigi Stadt» organisierte eine Reise nach Linz, um aus den dortigen Überlegungen Erkenntnisse für Bern zu gewinnen.

Warum unterirdisch besser ist

50-Sekunden-Takt, 41 Meter lange Trams: «Dichter und länger gehts nicht mehr», sagt Erich Haider von der Linz Linien AG, dem Betrieb, der in Oberösterreich 116 Gemeinden mit öffentlichem Verkehr, Wasser, Strom und Wärme versorgt sowie den Abfall entsorgt. Auch die Nahverkehrsdrehscheibe, der Bahnhof, an dem die Reisenden vom Zug aufs Tram oder auf den Bus umsteigen, platzt laut Vizebürgermeister Klaus Luger (SPÖ) aus allen Nähten. Schon heute fahren die Strassenbahnen am Bahnhof Linz unterirdisch ab; wenn die zweite Tramachse umgesetzt wird, gibt es wohl noch eine weitere unterirdische Ebene.

Es gehe in diesem dicht bebauten Gebiet schlicht nicht anders, als die zweite Tramlinie grösstenteils unterirdisch zu führen, sagt Haider. Das sei betriebswirtschaftlicher: «Ein Kilometer Tunnel verkürzt die Fahrzeit von mindestens 5 auf nur noch 1,5 Minuten. Wir brauchen weniger Fahrzeuge und ersparen uns Folgekosten.» Vizebürgermeister Luger denkt dabei an von Lastwagen heruntergerissene Leitungen oder an den Lärm, den quietschende Trams produzieren - auch das also ein Problem, das nicht nur Bern kennt. Die neue Tramachse in Linz würde 6,6 Kilometer lang sein; davon verlaufen 3,6 Kilometer unterirdisch. Die Kostenschätzung ohne die knifflige Querung der Donau über eine denkmalgeschützte, aber rostige Brücke beläuft sich auf 353 Millionen Euro.

«De facto bauen wir eine U-Bahn», räumt Vizebürgermeister Luger ein. Davon spricht man unter Linzern indes nicht laut, der politischen Akzeptanz zuliebe. Die Stadt verhandelt mit Eigentümern und Gewerbetreibenden, um ihre Unterstützung zu bekommen. Eine Volksabstimmung wird es wohl nicht geben, weil Österreich das System der direkten Demokratie, wie es die Schweiz hat, nicht kennt.

Tarifsystem als Anreiz für ÖV

Anders als in der Schweiz wird in Linz nicht bloss auf den Ausbau des öffentlichen Verkehrs gesetzt. Auch die Strassen werden aufgerüstet. Die Schweizer sind diesbezüglich äusserst zurückhaltend, weil sie befürchten, dadurch Anreize für noch mehr Individualverkehr zu schaffen. In Linz ist der Anteil des öffentlichen Verkehrs nach Wien am zweitgrössten in ganz Österreich: Nutzten 1990 noch 17,5 Prozent der Leute den ÖV, warens 2002 bereits 24 Prozent.

Anreize zum Umsteigen schaffen die Linzer zum Beispiel durch ein spezielles Tarifsystem: Wer den Hauptwohnsitz in der Stadt hat und netto unter 1077 Euro im Monat verdient, kann für 10 Euro im Monat das Netz der Linz Linien AG benutzen. Laut Vizebürgermeister Klaus Luger sind mehr als 65'000 der über 18-Jährigen anspruchsberechtigt. Darunter Studenten und andere Personen in Ausbildung.

Weiter bietet die Linz Linien AG ein sogenanntes Job-Ticket an: Ein Betrieb bezahlt 2 Euro pro Mitarbeiter und Monat, und der Mitarbeiter bekommt die Netzkarte für einen Monat für 19,40 Euro statt für 37,80 Euro. «So wollen wir den Berufs- und Pendelverkehr auf die Schiene kriegen», sagt Luger. 244 Betriebe machen mit. Weiteres schmuckes Extra: In einem Tram steht den Reisenden ein kostenloses WLAN zur Verfügung. Die Stadt prüft, das Angebot auszuweiten.

Tram als Entwicklungsachse

Linz hatte noch lange Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges den Ruf einer staubigen Stahlstadt, ausgelöst durch den grössten Arbeitgeber, die voestalpinen Stahlwerke. Durch Massnahmen im Umwelt- und Kulturbereich erlebte sie in den letzten Jahren grossen Aufschwung und massives Wachstum. Wie zentral der öffentliche Verkehr im Zusammenhang mit Stadt- und Raumplanung ist, zeigt das Beispiel der Solar City, einer energietechnischen Pioniersiedlung mit 3200 Einwohnern südöstlich der Stadt. Sie wurde in den letzten 20 Jahren geplant und errichtet. Der Siedlung ging das Tram voraus: Linz baute auf stadteigenem Boden eine Verkehrsader ins Grüne mit möglichen Knotenpunkten von 300 Metern Radius. Der Hintergedanke: 300 Meter würde eine Person bereit sein zur nächsten ÖV-Station zu Fuss zu gehen. Am äussersten dieser Knotenpunkte ist nun die Solar City mit See, Sport- und Bildungszentrum entstanden. Weitere könnten folgen - obschon sich die Einfamilienhausbewohner des alten Stadtteils Pichling, um den die Linie gebaut wurde, gewehrt hatten.

(Berner Zeitung) Erstellt: 14.02.2012, 07:42 Uhr

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Verkehr als Schwerpunkt
Der Verein «Läbigi Stadt» ist in der Stadt und Region Bern aktiv und zählt rund 400 Mitglieder. Er engagiert sich für eine verkehrsberuhigte Stadt, saubere Luft und weniger Verkehrslärm. Regelmässig organisiert der Verein «verkehrspolitische Bildungsreisen», die ein aktuelles Thema aufgreifen.

Die Reise nach Linz stand im Zusammenhang mit der geplanten Tramlinie 10 von Köniz nach Ostermundigen. Entsprechend wurde der Fokus auf die Strassenbahnen gelegt. 27 Personen nahmen teil, darunter Politiker der am Tram Region Bern beteiligten Gemeinden, der Stadt und des Kantons.s

Umfrage
Die Diskussion rund um das Tram Region Bern ist eine ähnliche wie jene in Linz. Erkenntnisse, welche die Politiker aus der Exkursion gewannen.

«Bern ist mit seinen Herausforderungen nicht alleine», sagt Grossrätin Nadine Masshardt (SP). Die Präsidentin des Vereins «Läbigi Stadt» ist überrascht, wie ähnlich die Fragestellungen punkto Tram und ÖV in Linz sind. Gerade in der geplanten zweiten Tramachse und der Tramlinie über die Stadtgrenze hinaus sieht Masshardt Parallelen zwischen Linz und Bern. Weiter faszinierten sie die sozialen Tarifmodelle der Linz Linien AG.

Ostermundigens Gemeindepräsident Christian Zahler (SP) fand interessant, dass in Linz noch kühner als in der Schweiz eine Tramlinie ins Grüne hinausgeführt wird. Mit der jungen Siedlung Solar City zum Beispiel konnte nicht zuletzt dank des Trams ein Entwicklungsschub ausgelöst werden - etwas, worauf auch Ostermundigen hofft, obschon dort das Tram im Siedlungsgebiet fahren wird. «In der Schweiz braucht es für solche Projekte eine breite Übereinstimmung mit Bevölkerung und Grundeigentümern», sagt Zahler. «Die öffentliche Hand besitzt viel weniger Land.»

Der Berner Stadtrat Beat Zobrist (SP) war überrascht, dass in Linz offen über eine unterirdische Tramlinie diskutiert wird. «In Bern spricht man darüber nur hinter vorgehaltener Hand, weil das viel zu teuer käme», sagt er. In Anbetracht dessen, dass durch die unterirdische Linie mit der gleichen Anzahl Wagen und der gleichen Anzahl Personal mehr Passagiere transportiert werden könnten, «wäre diese Option vielleicht doch prüfenswert». Es ginge schliesslich auch nur um die kurze Etappe zwischen Hirschengraben und Kornhausplatz.

Die Könizer Parlamentarierin Stephie Staub (SP) war vor 40 und vor 20 Jahren in Linz. Sie staunt über die grosse Entwicklung: «Früher war Linz für mich eine Provinzstadt. Heute ist sie gigantisch», sagt Staub. Sie war überrascht, dass die Linzer Strassenbahnen im 50-Sekunden-Takt durch die Stadt düsen. «Ich frage mich, wie die Politiker dem Volk ihre Pläne für das unterirdische Tram verkaufen», sagt Staub. «Wahrscheinlich werden sie einfach irgendwann einmal ihren Tunnel bauen. Das Argument, dass der Verkehr sonst kollabiert, genügt.»


Quelle: Berner Zeitung