Raumordnung: Bauen wird auch im Freiland erlaubtIm Landtag wird am Mittwoch das neue Raumordnungsgesetz fixiert. Für SPÖ und ÖVP ist es eine Barriere gegen Zersiedelung. Grüne und KPÖ sehen das genau umgekehrt.
Lambert Schönleitner: "Das Gesetz enthält häufig zu weiche Formulierungen und ist daher peinlich und völlig wirkungslos"
Nach zwölf mühsamen Verhandlungen ist es soweit: ÖVP und SPÖ werden sich im Unterausschuss auf das neue Raumordnungsgesetz einigen. Ob das ein Durchbruch oder ein Flop ist, bleibt allerdings umstritten. Der Entwurf der Regierungsparteien ist jedenfalls ein Kompromiss, der von KPÖ und Grünen nicht mitgetragen wird.
Für die Bürger bringt das Gesetz zunächst einmal viele neue Bauplätze im Grünen: Im Rahmen der "Auffüllung im Freiland" dürfen Baulücken auch dort gefüllt werden, wo eigentlich kein Bauland ausgewiesen ist. Voraussetzung ist, dass am betreffenden Ort schon drei Häuser legal stehen und keine Erweiterung des Baugebietes nach außen erfolgt. Die offizielle Begründung: Es gebe an solchen Orten ja schon eine Infrastruktur. Die Bürger würden nicht einsehen, dass sie Lücken nicht füllen dürfen.
400 Häuser im GrüngürtelInoffiziell ist allerdings klar, dass der gewaltige Bebauungsdruck vor allem aus der Oststeiermark hier eine Rolle spielt. Ob die Zersiedelung gefördert oder gedämmt wird, bleibt umstritten. Scharf ablehnend hat sich die Architektenkammer geäußert: Durch das neue Hintertürl würden landesweit 140.000 neue Wohneinheiten im Freiland ermöglicht, allein im Grazer Grüngürtel sei mit 400 neuen Häusern zu rechnen. Die Folgen laut Kammer: eine weitere Zersiedelungswelle, dadurch viel mehr Auto-verkehr und höhere Kosten für Kanal, Straßen und andere Versorgungseinrichtungen.
Hart gekämpft wurde auch um die Stellplatz-Abgabe. Ursprünglich wollte man den Einkaufszentren auf der grünen Wiese eine Steuer je errichtetem Parkplatz vorschreiben, um auch hier den enormen Flächenverbrauch zu dämmen. Dieser Plan wurde durch den hartnäckigen Widerstand der Wirtschaftskammer zu Fall gebracht, obwohl die Innenstadt-Wirtschaftsvertreter dafür waren. Die SPÖ schlug ein Angebot der Grünen und der KPÖ aus, in diesem Punkt gemeinsame Sache gegen die ÖVP zu machen. Für den "Vater" des neuen Gesetzes, Landesrat Manfred Wegscheider, war der Konsens wichtiger. Dies auch deshalb, weil es noch eine andere Problemfront gab, nämlich die Frage der Geruchsbelästigung durch große Bauernhöfe in Siedlungsräumen. Hier schaffte Wegscheider den Schulterschluss mit Landwirtschaftskammer-Präsident Gerhard Wlodkowski.
Herausgekommen sind vielfach Kompromisse, die nicht den ursprünglich ehrgeizigen Zielen entsprechen. Wortführer der Kritiker ist der Grün-Mandatar Lambert Schönleitner: "Das Gesetz hat viele schwammige Formulierungen und Kann-Bestimmungen. Das ist peinlich und völlig unwirksam." So ist etwa bei der Genehmigung von Einkaufszentren die Sicherung der Nahversorgung nur "in Erwägung zu ziehen". Die Grünen kritisieren auch, dass Bebauungspläne im Gemeinderat nur mehr eine einfache Mehrheit brauchen (bisher: Zweidrittel) und dass es künftig vereinfachte Anhörungsverfahren gibt. Es bestehe die Gefahr, dass Bauvorhaben den Anrainern lange verheimlicht würden.
Die wichtigsten PunkteTierhaltung: Bei geruchsintensiven Betrieben ist ein "Belästigungsbereich" auszuweisen, in dem nicht gebaut werden darf.
Freiland: In "Auffüllungsgebieten" darf man Häuser bauen.
Einkaufszentren: Lebensmittelverkauf nur in Zentren, die nahe an Siedlungsräumen liegen.
Kommentar von Ernst Sittinger (Autor):
Raum-UnordnungWer vom Flugzeug aus über die südliche Steiermark schaut, der sieht Häuser, so weit das Auge reicht. Von Raumordnung kann keine Rede sein, die Siedlungsstrukturen sind ausgefranst.
Diese Raum-Unordnung ist aus Sicht des Einzelnen vielleicht bequem, in Summe für unser Land aber fatal. Die Kosten für Straßen, Kanal, Wasser, aber auch für Schulbusse und Schneeräumung sind kaum in den Griff zu kriegen. Dazu kommt der enorme Flächenverbrauch unserer Generation. Und die schwerste Belastung ist der Autoverkehr, der immer stärker wird, wenn jeder am idyllischen Waldrand wohnen will, aber nur im Ballungsraum Arbeit findet.
All diese Entwicklungen müsste eine Raumordnung, die diesen Namen verdient, aufhalten. Bisher war alles zahnlos. Jetzt kommt ein neues Gesetz, das wieder viel zu wenig darauf achtet, Ortskerne zu revitalisieren und zu stärken. Mag sein, dass sich mancher Bürgermeister mit großzügigen Umwidmungen jetzt Gutpunkte beim Wähler holt. Aber das ist nur scheinbar ein gutes Geschäft.
Quelle:
www.kleine.at