Gestutzte WolkenGrazerBüroturmpläne befeuern die Grundsatzdebatte, ob Graz 70-Meter-Bauten verträgt. Stadtplanungschef Schöttli sagt Nein und arbeitet ein Hochhauskonzept aus. Das bringt den geplanten 72-Meter-Tower von Lyoness ins Wanken.
Das Grazer Hochhaus-Konzept von Heinz Schöttli ist in Arbeit
Ist eine Stadt ohne Türme Stadt? Braucht Graz Wolkenkratzer, um wirtschaftlich auf Touren zu bleiben? So mancher Investor klopft heftig an die Rathaustür, um seiner Firma in Graz ein Denkmal zu setzen. Eine prominente Firma, die um die Baubewilligung für den höchsten Büroturm der Stadt kämpft, ist Lyoness. Die Einkaufsgemeinschaft mit Kundenrabatten drängt mit wachsender Ungeduld darauf, den Architektenwettbewerb für ihren 72 Meter hohen Tower starten zu können - und beißt auf Granit. Der Planungsausschuss hat die Pläne für die Kärntnerstraße 1 auf Eis gelegt.
Während der Investor droht, seinen Turm in Prag oder Bratislava hochzuziehen, nimmt sich die Stadt Zeit, um in der Hochhausfrage nun den Offenbarungseid zu leisten. Wie hält man's mit den "WolkenGrazern?", ist die Gretchenfrage, die Stadtplanungschef Heinz Schöttli mit einem Hochhauskonzept beantworten soll. In dieser Untersuchung werden mögliche Hochhauszonen nach soziologischen, geografischen oder auch windtechnischen Gesichtspunkten definiert. Wobei den gelernten Architekten Schöttli eine Grundskepsis plagt: "Graz braucht keine Hochhäuser. Solche Bauten soll man in Städten hochziehen, wo sie wegen Baulandmangels notwendig sind. Graz hat genügend Reserven." Abwanderungsdrohungen von Investoren beeindrucken den Stadtplaner nicht.
1964: Das höchste HausSechs Geschoße, 25 Meter Höhe - das ist das Limit, ab dem die Behörde von Hochhäusern spricht. Die Geschichte architektonischer Höhenräusche ist in Graz durchwachsen. Mit 25 Geschoßen und 75 Metern ist das Elisabethhochhaus in der Hugo-Wolf-Gasse seit 1964 das höchste der Stadt. Insgesamt stehen in Graz rund 230 Hochhäuser. Weitere 40 schlafende Riesen gibt es, genehmigte Türme, für die es zumindest ein Fundament gibt. Damit erlischt die Bewilligung nicht. Dass diese nicht hochgezogen werden, zeige, dass es am Markt keinen Bedarf gebe, meint Schöttli.
1974: Das HochhausverbotDie bis zu 25 Etagen hohen Wohnsilos der 1960er sind rasch aus der Mode gekommen. 1974 hat der Gemeinderat fürs Stadtgebiet ein Hochhausverbot erlassen. Erst in den 1990ern haben die Stadtplaner an genau definierten Punkten wieder Türme erlaubt.
Dass die Stadt sich gerade jetzt ein Hochhaus-Konzept maßschneidert, ist für den Chef der Lyoness-Tower-Errichtungsgesellschaft Franz Sulzberger ungünstig und bringt Bürgermeister Siegfried Nagl unter Druck. Der Stadtchef hatte im Februar 2010 schon ein Gutachten eingeholt, das die Machbarkeit des 72-Meter-Turms bescheinigte, prinzipiell grünes Licht signalisiert und dem Investor rasche Verfahren versprochen. Dabei wäre die Baudichteüberschreitung, für den Bauherren Basis für die Grundstücksvergoldung, kein Pappenstiel. Die erlaubte Baudichte liegt laut Flächenwidmung in der Kärntnerstraße bei 1 bis 1,2, der Lyoness-Tower bräuchte eine vom Gemeinderat mit Zweidrittelmehrheit gewährte Dichte von 3,5 bis 4,5. Für so eine Überschreitung braucht es exorbitante architektonische Qualität und, geht es nach Schöttli, weitere Zugeständnisse: "Die ersten unteren Etagen und das letzte Geschoß - vielleicht mit Skybar - müssen für die Öffentlichkeit da sein."
Für die Firma drängt die Zeit. Verzögere sich der Architektenwettbewerb weiter, müsse man sich nach Alternativen umschauen, betont Sulzberger: "Bratislava ist ein Thema, mein Favorit wäre Prag." Aber der steirische Lyoness-Gründer Hubert Freidl wollte mit seinem Unternehmen Graz seinen Stempel aufdrücken. Er träumt von einem Grundriss mit drei ellipsenförmigen Bauteilen, die das Firmenlogo widerspiegeln. Erste Kostenschätzung: 55 Millionen Euro. Doch nun könnte es für "WolkenGrazer" nicht nur in der Kärntnerstraße eng werden. Stadtplaner Schöttli: "Es gibt in Graz eigentlich nur eine Zone, die für den Bau von Hochhausprojekten geeignet ist: zwischen Messe und Stadion."
Gefährliche GlücksritterDer Stadtplaner warnt auch ganz generell vor einem Hochhausboom: "Da sind viele Glücksritter unterwegs, die einer Stadt spektakulär das höchste Hochhaus versprechen, um die Bewilligung zu bekommen." Ob sie diese dann realisieren können oder bei der Hälfte Pleite gehen, sei eine andere Frage. Mit hohem Risiko für Stadt und Stadtbild.
Dass Wolkenkratzer in Graz nicht mit Leichtigkeit in den Himmel schießen, zeigt, dass die städtische Immo-Tochter GBG ihren Ostbahnhouse-Turm ad acta gelegt hat. Und auch der Wegraz-Turm neben dem Pachleitner-Headquarter harrt - trotz Bewilligung - noch der Finanzierung und Realisierung.
Quelle:
http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/2632179/gestutzte-wolkengrazer.story