Re: Start für die zweite Tunnelröhre im Bosruck
Antwort #2 –
Eröffnung der neuen Weströhre des Bosruck Tunnels
Zur Sicherheit noch eine Section Control
1983 wurde die erste Bosrucktunnelröhre eröffnet, heute geht die zweite in Betrieb. Mit Sicherheitsstandards, von denen man damals nicht einmal träumen konnte, und neuer Section Control. Von Beate Pichler und Hannes Gaisch.
Bauarbeiten an der zweiten Tunnelröhre 2012
5,5 Kilometer lang ist das Nadelöhr, das die Steiermark mit Oberösterreich am Bosruck verbindet. Vor fast genau 30 Jahren, am 21. Oktober 1983, ist dort die erste Autobahn-Tunnelröhre eröffnet worden, heute geht die zweite in Betrieb: Ab sofort rollt der Verkehr durch die neue Weströhre, die Oströhre wird bis 2015 saniert.
Das kostet. 282 Millionen Euro steckt die Asfinag in den Vollausbau - und damit vor allem in die Tunnelsicherheit, die sich heute in ganz anderen Dimensionen bewegt als vor 30 Jahren. "Seit den 80er-Jahren hat sich dermaßen viel getan", sagt Tunnelmanager Günter Rattei, "das ist, als würde ich einen Commodore 64 mit einem Apple Notebook vergleichen."
Das fängt schon ganz simpel bei der Beleuchtung an. Das orange Licht der Natriumdampfniederdrucklampen hat ausgedient: Heute sorgt weißes Licht für Helligkeit im Tunnel. Der Effekt ist sofort spürbar: "Man fühlt sich sicherer und fährt damit auch anders." Und statt der einfachen weißen und roten Reflektoren können heute LED-Leuchten links und rechts am Bordstein auch blinken, wenn's nottut.
Tunnelsicherheit
Am Anfang stand ein verheerender Brand: Zwölf Menschen kamen am 29. Mai 1999 im Tauerntunnel ums Leben. Seit damals hat sich unglaublich viel in puncto Tunnelsicherheit getan, Milliarden flossen in den Bau und die Aufrüstung heimischer Straßentunnels.
Und es ist noch mehr geplant: Für 1,5 Milliarden Euro sollen in den nächsten sechs Jahren österreichweit 81 Tunnelanlagen aus- oder neu gebaut und technisch modernisiert werden. Unter anderem mit österreichischer Technik: etwa mit dem Akustiksystem "Akut" (Joanneum Research) oder dem neuen Thermoscanner.
Rund 500 Millionen der 1,5 Milliarden fließen in die Steiermark. Da wird nicht nur die alte Bosrucktunnelröhre generalsaniert. Ab kommendem September wird auch das letzte große steirische Nadelöhr in Angriff genommen - der Gleinalmtunnel soll ebenfalls eine zweite Röhre bekommen.
Aufgemöbelt werden bis 2018 außerdem Plabutsch-, Gratkorn-, Selzthal, Wald- und Pretallerkogeltunnel (A 9), auch der Niklasdorftunnel wird saniert.
Prävention ist überhaupt das Maß aller Dinge. Sicherstellen, dass erst gar nichts passiert. Ganz simpel etwa mit den Rumpelstreifen in der Mitte - oder ausgeklügelt mit einem Verkehrssteuerungs-System: Wo einst einfach nur mit Blechtafeln das Tempo vorgegeben und mit Ampeln im Notfall der Verkehr gestoppt wurde, wird heute auf alles individuell reagiert: das Tempo wird über Anzeigen gedrosselt, wie's gebraucht wird, dazu gibt's gleich die nötige Erklärung: "Defektes Auto im Tunnel" etwa, um nur ein Beispiel zu nennen.
Videoüberwachung
Wesentlicher Baustein in Sachen Prävention: eine lückenlose Videoüberwachung, die nicht einfach nur Bilder in die Überwachungszentrale liefert - sondern potenzielle Gefahrensituationen gleich mitanalysiert. Beispiel: In einem Streckenabschnitt wird zu langsam gefahren - sofort geht die Meldung an die Zentrale und es wird geschaut, wo das Problem liegt. Gibt's einen Schaden an einem Auto? Eine Panne? Hat ein Lenker Schwierigkeiten?
Im Vollausbau wird der Tunnel sicherheitstechnisch sogar noch mehr können. "Akut" heißt ein neues akustisches Warnsystem: Quietschen Reifen, splittert Glas, schlägt der Computer Alarm.
Zukunftsmusik ist derzeit noch das: Am Karawankentunnel wird ein Thermoscanner getestet, der überhitzte Lkw und Busse herausfiltert und vor der Einfahrt in den Tunnel stoppt. So soll Brandgefahr gemindert werden.
Und wenn's tatsächlich brenzlig wird? Gibt es heute eine ausgeklügelte Be- und Entlüftungsanlage - und unglaublich viel, was sich im Notfallmanagement verändert hat: ganz anders ausgeschilderte und ausgestattete Flucht- und Schutzmöglichkeiten in weit kürzeren Abständen. Pannenbuchten, Notrufkabinen, moderne Funkanlagen und Beschallungssysteme, begeh- und befahrbare Querschläge . . .
Eins ist allerdings klar: Sicherheit kann nur funktionieren, wenn auch der Lenker mitspielt. Und deshalb wird es ab Freitag auch eine Section Control im Bosrucktunnel geben.
BEATE PICHLER, HANNES GAISCH
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Hausaufgaben
Im Inferno des Montblanc-Tunnels sterben im März 1999 39 Menschen. Nur zwei Monate später kommen beim Brand nach der Massenkarambolage im Tauerntunnel zwölf Menschen ums Leben. Im selben Jahr stuft der deutsche Autofahrerclub ADAC in seiner Tunnelsicherheitsstudie fast jeden zweiten Straßentunnel Europas als bedenklich ein. Auch Österreich erwirbt sich da kein Ruhmesblatt. 2001 schockt uns der Unfall im Gleinalmtunnel, bei dem ein niederländisches Urlauberpaar und drei Kinder nach einem Frontalen im Wrack eingeklemmt in den Flammen sterben. Dann erst ist "genug passiert", beschließt die Politik, Hunderte Millionen in die technische Aufrüstung und in Vollausbauten von Tunnelanlagen zu investieren.
Wenn heute die zweite Röhre des Bosrucktunnels feierlich eröffnet wird, können Autolenker dort einen Sicherheitsstandard erfahren, der vorbildlich ist. Die Straßenerhalter haben ihre Lektion gelernt. Den größten Risikofaktor können sie aber nicht entschärfen: uns Autofahrer. Diese Hausaufgabe müssen wir schon selbst erledigen.
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bernd.hecke@kleinezeitung.at
BERND HECKE
Liebe Grüße
Martin