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Thema: Neues aus dem Infrastrukturministerium (61291-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #105
Ich bin ganz klar der Meinung, dass es notwendig ist, das Angebot auszubauen und für so viele Menschen wie vernünftig möglich, brauchbar zu machen und andererseits aber die Preispolitik so zu gestalten, dass der ÖV einen deutlichen Preisvorteil zum PKW bietet.

Als Beispiel:

Wenn ich morgen Montag mit meinen drei Geschwistern zum Verwandschaftsbesuch von Graz nach Deutschlandsberg möchte, bin ich mit der S6 40 Minuten mit dem Zug unterwegs, von Tür zu Tür vielleicht etwas über eine Stunde, also durchaus attraktiv, was die Fahrzeit betrifft. Wenn wir aber zu viert € 87,20 hin und retour bezahlen (ab 1. Juli z.B. noch etwas mehr), würden die meisten wohl mit dem Auto fahren.

Wenn wir aber beispielsweise am Sonntag um 12 Uhr in Deutschlandsberg eingeladen wären und es eine 365-Euro Steiermark-Karte gäbe, würde uns die Fahrt zwar "nix" kosten, Tür zu Tür mit Wartezeiten und Fahrt mit der S61 wäre man dann aber rund zweieinhalb Stunden unterwegs. Wenn man um 8 Uhr zum Frühstück eingeladen wäre oder sonstwarum um diese Uhrzeit da sein soll, hat man gar keine Möglichkeit, öffentlich anzureisen. Also hier würden vermutlich noch mehr Leute ganz klar mit dem Auto fahren.

Hier muss es ganz klar zu einem Systemwandel kommen.

Der ÖV in der Steiermark ist halt tagsüber in Graz für einen Großteil der Leute grundsätzlich brauchbar, auch aus dem unmittelbarem Umland bzw. der an den Bus- bzw. Bahnachsen liegenden regionalen Bereichen ist der ÖV unter der Woche tagsüber einigermaßen brauchbar. Doch es gibt halt auch einige Leute in Graz, die vor 6 und nach 23 Uhr gelegentlich zur Arbeit oder sonstige Erledigungen machen müssen und auch Leute, die am Wochenende aus oder in den regionalen Bereich müssen, und da ist der ÖV leider großteils unbrauchbar.

Und um nochmals auf die Penderpauschale zurück zu kommen:
Hier besteht dringendst Reformbedarf!
Ich bin der Meinung, dass Personen, die für ihre Mobilität PKW mit Verbrennungsmotoren verwenden, einfach keinesfalls eine Förderung dafür bekommen dürfen. Die kleine Pendlerpauschale würde ich sie schon geschrieben, gänzlich abschaffen, und die große Pendlerpauschale an die Nutzung eines Elektroautos oder Fahrrades und dergleichen knüpfen. Somit würde ich auch die Förderung zum Ankaufs eines Elektro-PKW (derzeit mit € 5.000 sogar prozentuell gesehen paradoxerweise höher als die Förderung eines vernünftigen Lastenfahrrads) streichen.

Mit dem Geld, das man so wieder hinein bekommt kann man den ÖV österreichweit auf alle Fälle günstiger gestalten. Zusätzlich wäre ein weiterer Ausbau wichtig und notwendig.

  • FlipsP
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #106
Zuerst zu deinem Beispiel:
Okay mir ist klar, dass sonntags die Intervalle ausgedünnt sind und die S6 gar nicht fährt. Aber, wie kommst du auf die 2,5 fache Zeit?
Die S61 braucht 15 Minuten mehr. Unter der Woche rechnest du 20 Minuten als Vor- und Nachlauf dazu, also um jeden Bahnhof rund 10 Minuten, selbst wenn wir diese Werte verdoppeln, weil man zB zu Fuß gehen muss, statt mit dem Bus zufahren, dann kommen wir auf 1,5 Stunden, und somit wine Stunde weniger, als von dir genannt.

Natürlich muss das Angebot noch ausgebaut werden. Mehr Fahrgäste erhöhen hier den Druck auf die Besteller. Mehr Fahrgäste kommen zB durch das günstige 1-2-3 Ticket. Wenn heute angenommen 3 Leute aus Graz sonntags um 6:00 Uhr in Deutschlandsberg sein wollen und nach dem Ticket sind es zB 6 oder 10, weil die das Ticket jetzt nutzen wollen, dann erhöht das den Druck und es werden auch due Randzeiten ausgebaut.

Deine Ansichten zur Pendlerpauschale finde ich gut.
Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.

- Sokrates

Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #107
Ich wollte im genannten Beispiel auch darauf hinweisen, dass auch die Intervalle am Wochenende dort, wo immerhin ein ÖV vorhanden ist, zum Teil unbrauchbar ist. Wenn du also um 12 Uhr in Deutschlandsberg sein willst/musst, musst du aktuell um 10:04 in Graz abfahren, da der Zug nur alle zwei Stunden fährt.

  • 7jgt
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #108
Ich wollte die Preisfrage des steirischen 1er-Tickets vor allem im vorgegebenen Rahmen des 1-2-3-Tickets (wie vorgestellt mit einer österreichweiten Karte um 1095€) diskutieren und keine Grundsatzdiskussion starten. Wie die Finanzierung/der Ausgleich zwischen Bund und Land letztlich abläuft und wie das gegenfinanziert wird, ist eine andere Ebene.
 
Das grundsätzlich mehr Maßnahmen als nur günstige Tickets notwendig sind, ist uns glaube ich allen klar. Dieses ,,Henne-Ei-Problem" (danke, FlipsP) muss ganzheitlich angegangen werden.

Ein Auto kostet in Österreich im Schnitt rund €500 pro Monat. Bei ca. 625 Kfz pro Tausend Einwohner ergibt alleine das Auto ca. Kosten €312 pro Monat pro ÖsterreicherIn.
Zumindest in der Übergangzeit - während mehr Angebot geschaffen wird - ist es naiv davon auszugehen, dass der ÖV das Auto für die meisten Neukunden komplett ersetzen wird. Die Kosten müssen daher als Kfz+ÖV betrachtet werden und da ist ein niedrigerer Preis (hoffentlich) ein Argument.

ob die Jahreskarte für die Steiermark nun €550 kostet oder €2 300.
Klar ist, dass auch Infrastruktur ausgebaut und neues Angebot geschaffen werden muss. Elektrifizierung der GKB und der Ostbahn sind überfällig, kein Widerspruch. Ob das schneller geschieht, nur weil das Steiermarkticket 2300€ kostet, sei dahingestellt.

Die bisherige Jahreskarte Steiermark ist mit 2340€ zu teuer; das Herzstück des ÖVs über so weite Strecken ist die Bahn, da gibt es die ÖBB Österreichcard um 1940€ für fast alle Bahnen in Österreich. Mit einer Verbundzone für den Stadtverkehr kommt man +/- auf das gleiche, kann aber Österreichweit Bahnreisen ,,kostenlos" unternehmen.

Der ÖV Anteil im Modal Split ist von 2013 auf 2018 nicht gestiegen.
Das stimmt, aber konnte eine Abwanderung vermieden werden? Auto->ÖV und ÖV->Rad? In Graz kommt dazu, dass die nötige Dichte für einen ÖV-Ausbau gegeben ist - dass trotzdem (fast) nichts passiert ist, ist natürlich ein Armutszeugnis der Politik!

Am Land wird es niemals möglich sein, in jeden letzten Winkel ein entsprechendes Angebot anzubieten, dass wirklich niemand mehr ein eigenes Kfz benötigt (,,weniger effizienter Lebensraum"). Da muss man sich eben auf Korridore konzentrieren, die genug Fahrgäste bringen und ein gewisses Grundangebot in die davon entfernten Siedlungen anbieten. Da muss natürlich massiv ausgebaut werden, aber: Am Land wird es weiterhin Kfz geben, dass realistische Ziel muss also sein, diese Korridore (in die Stadt) als ÖV anzubieten und den lokalen Verkehr mittels Rad und E-Mobilität zu bewerkstelligen.

Seit ich aber die Österreichcard Family habe ist das kein Thema, einsteigen und los geht's, weil eben so Gelegenheitsfahrten im ÖV überproportional teuer sind.
Genauso ein Effekt kann eben doch Nachfrage generieren (oder eben vom Kfz umschichten).

Die kleine Pendlerpauschale würde ich sie schon geschrieben, gänzlich abschaffen, und die große Pendlerpauschale an die Nutzung eines Elektroautos oder Fahrrades und dergleichen knüpfen.
Diese Forderung finde ich auch gut. Allerdings: Wer rechnen kann, wird als Kfz-Pendler bereits heute ein E-Auto kaufen. Für das Fahrrad werden die Entfernungen meist zu groß sein.

Natürlich muss das Angebot noch ausgebaut werden. Mehr Fahrgäste erhöhen hier den Druck auf die Besteller. Mehr Fahrgäste kommen zB durch das günstige 1-2-3 Ticket
Das ist auch meine Hoffnung. Parallel muss massiv ausgebaut werden und auch an Push-Faktoren gedacht werden, wo bereits ein attraktives ÖV-Angebot geschaffen wurde (auch wenn das politisch viel schwieriger durchzusetzen ist). Das 1-2-3-Ticket ist nicht der alleinige Heilsbringer.

  • FlipsP
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #109
Ich wollte im genannten Beispiel auch darauf hinweisen, dass auch die Intervalle am Wochenende dort, wo immerhin ein ÖV vorhanden ist, zum Teil unbrauchbar ist. Wenn du also um 12 Uhr in Deutschlandsberg sein willst/musst, musst du aktuell um 10:04 in Graz abfahren, da der Zug nur alle zwei Stunden fährt.

Alles klar. Aber wie geschrieben: Es ist ja nicht festgesetzt, dass das Angebot nicht mehr verbessert wird.

In dem Zusammenhang finde ich es eh interessant, dass das Land mit zweierlei Maß misst: Leibnitz, Feldbach, Gleisdorf, Judenburg und Knittelfeld spendiert man auch sonntags S-Bahnen im Stundentakt. Voitsberg, Köflach, Deutschlandsberg und Mürzzuschlag dagegen bekommen gerade einmal alle 2 Stunden S-Bahnen und Weiz muss sich mit einem annähernden Zweistundenbustakt zufrieden geben.
Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.

- Sokrates

Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #110
(...)
In dem Zusammenhang finde ich es eh interessant, dass das Land mit zweierlei Maß misst: Leibnitz, Feldbach, Gleisdorf, Judenburg und Knittelfeld spendiert man auch sonntags S-Bahnen im Stundentakt. Voitsberg, Köflach, Deutschlandsberg und Mürzzuschlag dagegen bekommen gerade einmal alle 2 Stunden S-Bahnen und Weiz muss sich mit einem annähernden Zweistundenbustakt zufrieden geben.

Nur kurze Korrektur, die S8 fährt auch sonntags nur im 2-Stundentakt von stündlichen Verstärkerzügen am Nachmittag abgesehen bzw. hat Weiz mit dem 200er und 201er überlagert einen Stundentakt.

  • FlipsP
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #111
(...)
In dem Zusammenhang finde ich es eh interessant, dass das Land mit zweierlei Maß misst: Leibnitz, Feldbach, Gleisdorf, Judenburg und Knittelfeld spendiert man auch sonntags S-Bahnen im Stundentakt. Voitsberg, Köflach, Deutschlandsberg und Mürzzuschlag dagegen bekommen gerade einmal alle 2 Stunden S-Bahnen und Weiz muss sich mit einem annähernden Zweistundenbustakt zufrieden geben.

Nur kurze Korrektur, die S8 fährt auch sonntags nur im 2-Stundentakt von stündlichen Verstärkerzügen am Nachmittag abgesehen bzw. hat Weiz mit dem 200er und 201er überlagert einen Stundentakt.


Danke! Ich habe nur den Nachmittag angesehen und daher auch die Verstärker gezählt. Bei Weiz meinte ich die Buslinie 202 entlang der S31.  Die Regionalbusse habe ichallgemein absichtlich außen vorgelassen.

Zitat
Am Land wird es niemals möglich sein, in jeden letzten Winkel ein entsprechendes Angebot anzubieten, dass wirklich niemand mehr ein eigenes Kfz benötigt (,,weniger effizienter Lebensraum"). Da muss man sich eben auf Korridore konzentrieren, die genug Fahrgäste bringen und ein gewisses Grundangebot in die davon entfernten Siedlungen anbieten. Da muss natürlich massiv ausgebaut werden, aber: Am Land wird es weiterhin Kfz geben, dass realistische Ziel muss also sein, diese Korridore (in die Stadt) als ÖV anzubieten und den lokalen Verkehr mittels Rad und E-Mobilität zu bewerkstelligen.

Sehe ich genau so! Man muss ,,starke ÖV-Korridore" schaffen, ergänzt mit MikroÖV (mMn schlauer als irgendwelche Linien, auf denen 2 Kurse am Tag geführt werden). Das würde schon extrem helfen. Dazu Rad- und Fußverkehr fördern. Aber eines muss klar Sein: Der PKW ist am Land nicht komplett austauschbar, jedoch kann man die Nutzung durch oben genannte Faktoren stark einschränken.
Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.

- Sokrates

  • 4020er
  • Styria Mobile Team
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #112
2 Punkte:

1. ist es ja nicht so, dass der ÖV steiermark- oder österreichweit unbrauchbar ist
2. sagt niemand, dass das Angebot am Stand von heute bleibt. Eher im Gegenteil - Jahr für Jahr wird mehr oder weniger staek ausgebaut.

Es ist ein Henne - Ei Problem und auf einer Seite beginnt man jetzt eben.

Ich kann dir zB sagen, dass ich gerne mit dem ÖV öfter Ausflüge in die Obersteiermark machen würde. Um 2300€ kaufe ich mir aber kein ,,Steiermarkticket", um 550 € oder sogar 365 € eher zu 99 % schon.
Zu 1: Das habe ich auch nicht behauptet. Von einer standardisierten, qualitativen Bedienung wie etwa in der Schweiz sind wir aber noch weit entfernt.
Zu 2: Das ist in den Diskussionen aber nicht im selben Ausmaß vertreten, das 1-2-3-Ticket ist einfach ein Herzensprojekt der Grünen und hat keinen verkehrswissenschaftlichen Hintergrund. Außerdem ist eine Angebotssteigerung jetzt notwendig. Die Auslastung zu den Hauptverkehrszeiten ist massiv. Es ist ja nicht so, dass der ÖV leer durch die Gegend fährt - im Gegenteil, die meisten Verkehrsbetriebe kämpfen mit Kapazitätsproblemen.

Es ist kein Henne - Ei Problem. Jahreskarten sind bereits massiv subventioniert. ÖV deckt seine Kosten etwa zu einem Drittel selbst. Daher auch mein ursprünglicher Kommentar: Es wird wohl einen ÖV-Nulltarif brauchen, bevor diese Diskussion endlich verebbt. Sollte der Preis eine derart große Rolle spielen müsste es aufgrund der jährlichen Preiserhöhung in der 1,75-fachen Menge des VPI eigentlich eine Abwanderung vom ÖV geben. Das ist aber nicht der Fall. Die Literatur ist sich einig, dass die Preiselastizität im ÖV sehr gering ist und das zeigen auch alle Feldversuche.
Die Reduktion auf die zwei Faktoren Angebot und Preis, dabei aber Verkehrserzeuger sowie Raumplanung außen vor zu lassen ist außerdem viel zu trivial.

Die Anzahl jener, die zum Spazierenfahren €550 ausgeben, wird eher überschaubar sein. Wie oft fährt man denn als G bzw. GUler in die Obersteiermark? Vier, fünf mal im Jahr? Da halte ich die Verkehrsstromsteuerung durch Preise bei Einzelfahrscheinen, wie es die ÖBB mit der Sparschiene, Flixbus oder Fluganbieter machen, sinnvoller.

Zitat
Zumindest in der Übergangzeit - während mehr Angebot geschaffen wird - ist es naiv davon auszugehen, dass der ÖV das Auto für die meisten Neukunden komplett ersetzen wird. Die Kosten müssen daher als Kfz+ÖV betrachtet werden und da ist ein niedrigerer Preis (hoffentlich) ein Argument.
Das habe ich auch nicht beschrieben. Es ging darum, dass die Kosten für Mobilität hoch sind und Menschen bereit sind Geld dafür auszugeben. Sonst würde man ja nicht für ein Wochenende nach Mallorca fliegen oder eben einen beachtlichen Teil seines Gehalts für das private Kfz ausgeben.

Zitat
Ob das schneller geschieht, nur weil das Steiermarkticket 2300€ kostet, sei dahingestellt.
Wenn solche Themen in den Medien präsent wären wie eben das Klimaticket oder das Steiermarkticket wäre der Druck aus der Bevölkerung wesentlich höher, es wäre also schon davon auszugehen.

Zitat
Die bisherige Jahreskarte Steiermark ist mit 2340€ zu teuer; das Herzstück des ÖVs über so weite Strecken ist die Bahn, da gibt es die ÖBB Österreichcard um 1940€ für fast alle Bahnen in Österreich.
Weil? Wieso besteht die Notwendigkeit den Steierinnen und Steirer eine Netzkarte für das gesamte Bundesland hinterher zu werfen?

Zitat
Das stimmt, aber konnte eine Abwanderung vermieden werden? Auto->ÖV und ÖV->Rad?
Da der Modal Split in den letzten Jahrzehnten relativ konstant war, ist nicht davon auszugehen. Die Tatsache, dass der MIV an seiner Kapazitätsgrenze ist (trotz sinkendem Modal Share steigen die absoluten Zahlen), lässt eine Abwanderung aus deisem Verkehrsträger vermuten. (Und selbst wenn es so wäre ist es doch ein Armutszeugnis, dass ÖV-Kunden abwandern und scheinbar nur durch den Preis gehalten werden können.)

Zitat
Am Land wird es niemals möglich sein, in jeden letzten Winkel ein entsprechendes Angebot anzubieten, dass wirklich niemand mehr ein eigenes Kfz benötigt (,,weniger effizienter Lebensraum"). Da muss man sich eben auf Korridore konzentrieren, die genug Fahrgäste bringen und ein gewisses Grundangebot in die davon entfernten Siedlungen anbieten. Da muss natürlich massiv ausgebaut werden, aber: Am Land wird es weiterhin Kfz geben, dass realistische Ziel muss also sein, diese Korridore (in die Stadt) als ÖV anzubieten und den lokalen Verkehr mittels Rad und E-Mobilität zu bewerkstelligen.
Die von dir geschilderten Punkte treffen genauso auf günstige Fahrkarten zu. Wo es kein Angebot gibt, hilft nicht einmal eine Gratisfahrkarte. Zumal die jetzigen Korridore auch nicht optimal bedient werden, wie einige User ja bereits erklärten.

A developed country is not a place where the poor have cars. It's where the rich use public transport.
-Gustavo Petro

  • 7jgt
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #113
Sollte der Preis eine derart große Rolle spielen müsste es aufgrund der jährlichen Preiserhöhung in der 1,75-fachen Menge des VPI eigentlich eine Abwanderung vom ÖV geben.
Vielleicht spielt es einfach keine Rolle, weil Menschen, die auf den ÖV angewiesen sind keine Alternative haben. Auch wer bereits ein gutes Angebot vorfindet und den ÖV schon zum Pendeln benutzt, ist offensichtlich bereits überzeugt. In diesem Segment mag die Preiselastizität gering sein.

Aus anekdotischer Evidenz (😊) kann ich dir aber zumindest für den Stadtverkehr berichten, dass es sehr wohl Menschen gibt, die erstmals mit der Jahreskarte Graz eine ÖV-Jahreskarte gekauft haben - sonst sind sie hauptsächlich mit dem Rad oder dem Auto unterwegs (andere Personen, aber auch dieselbe Person im Wechsel: Winter=PKW, sonst per Rad). Lohnt sich die Jahreskarte im Vergleich zu den (erwarteten) Einzelfahrten nicht, wird keine Jahreskarte gekauft. Besitzt man aber keine Jahreskarte, ist die Hemmschwelle den ÖV zu benutzen gleich höher (löst doch jede Fahrt direkt Kosten aus). Diese Personen kaufen sich keine Zonenkarte um 500€ für Graz.

Aus der Reihe Ideen, die nicht umsetzbar sind: Vielleicht müsste jede PKW-Zulassung zwingend den Kauf eines ÖV-Tickets vorschreiben?

Aber ich gebe dir recht: Wenn das Angebot (auch im Vergleich zu den Alternativen - in der Stadt für viele auch das Rad) wirklich sehr gut ist, spielt der Preis - für die, die es sich leisten können - nur mehr eine untergeordnete Rolle. Das ausgebaut werden muss, ist eh klar.

Da halte ich die Verkehrsstromsteuerung durch Preise bei Einzelfahrscheinen, wie es die ÖBB mit der Sparschiene, Flixbus oder Fluganbieter machen, sinnvoller.
Ich dachte du bist der Meinung, dass ÖV keine Nachfrage durch den Preis generieren kann?

Es ging darum, dass die Kosten für Mobilität hoch sind und Menschen bereit sind Geld dafür auszugeben. Sonst würde man ja nicht für ein Wochenende nach Mallorca fliegen oder eben einen beachtlichen Teil seines Gehalts für das private Kfz ausgeben.
In dieser Denke ist das Auto zwar durchaus teuer, aber eben ,,schon da", weil ,,notwendig" (manchmal wirklich, manchmal nur gefühlt). Die ÖV-Kosten fallen als zusätzliche Ausgabe emotional schwerer ins Gewicht, als sie rein rational-ökonomisch sollten. Der gesamte Mallorca-Urlaub kostet vermutlich weniger als die Hälfte des Steiermarktickets in der jetzigen Form und wird unter ,,Erholung/Urlaub" verbucht, nicht unter ,,notwendige Mobilitätsausgabe". Sieh es so: Auto+2 Mallorcaurlaube im Jahr oder Auto+Steiermarkticket...

Wenn solche Themen in den Medien präsent wären wie eben das Klimaticket oder das Steiermarkticket wäre der Druck aus der Bevölkerung wesentlich höher, es wäre also schon davon auszugehen.
Ich glaube Koralm- und Semmeringbasistunnel sind ein gutes Beispiel, dass teure Eisenbahninfrastrukturprojekte nicht bundesöffentlich in den Medien verhandelt gehören. Zumindest über die GKB-Elektrifizierung wird in den Regionalmedien ja schon berichtet (so oft wie diese Elektrifizierung medial schon gestartet wurde, müsste sie aber schon dreimal fertig sein). Mal schauen, ob das Land da in den Finanzierungsverhandlungen für das Klimaticket mit dem Bund etwas Bindendes ausbedungen hat.

Wieso besteht die Notwendigkeit den Steierinnen und Steirer eine Netzkarte für das gesamte Bundesland hinterher zu werfen?
Niemand spricht von hinterherwerfen. Auch bin ich nicht der Ansicht, dass das 1-2-3-Ticket unbedingt 1/2/3*365€ kosten muss (oder dass zB 600€ pro Stufe zu teuer wären) - nur dass sich der Preis für die Steiermark innerhalb eines bundesweiten Gefüges sinnvoll einzugliedern hat.
 
Das 1,2,3-Ticket wird ja erstmals eine Netzkarte für (quasi) den gesamten ÖV in Österreich ermöglichen - trotzdem gibt es auch bisher eine ÖBB-Österreichcard um 1900€. Da soll nur die Steiermark 2300€ wert sein? So viel Regionalbus fahren 99% der Käufer wohl nicht - wer regelmäßig so weite Strecken fährt, tut dies zuallermeist mit der Bahn. Dann eine (oder maximal zwei) Zone(n) dazukaufen und man kommt auf einen ähnlichen Preis.

2340€ nur für die Steiermark, wobei nur der Stadtverkehr Graz und die Bahnen (ja, ein paar brauchbare Regionalbuskorridore gibt es) ein gutes Angebot bieten, ist - zumindest mir - zu viel. Vielleicht schließe ich fälschlicherweise auf andere. Andererseits: In der Schweiz kostet ein Generalabo 2430 € (Kaufkraft-angepasst) - verschleudern die Eidgenossen ihr Ticket? Sollte besser jeder Kanton 2300€ (oder auf die Fläche gerechnet: für die Schweiz insgesamt 5800€) verlangen?

Und selbst wenn es so wäre ist es doch ein Armutszeugnis, dass ÖV-Kunden abwandern und scheinbar nur durch den Preis gehalten werden können
Zum MIV-Anteil am Modal Split möchte ich nicht weiter spekulieren, da fehlt mir einfach das Hintergrundwissen. Ad Armutszeugnis: Naja, in der Stadt gibt es auch Alternativen im Umweltverbund, da kann aufs Rad gewechselt werden, ohne nennenswert länger für seine Wege zu brauchen. Pro ÖV spricht dann nur die Bequemlichkeit und die Wetterfestigkeit, dagegen sprechen die Zusatzkosten und die Abhängigkeit (Takt; dank MIV im Stau gestanden etc...). Wer 40km pendelt kann nur vom ÖV aufs Auto oder umgekehrt wechseln, aber in der Stadt fällt der Wechsel leichter.

Die von dir geschilderten Punkte treffen genauso auf günstige Fahrkarten zu. Wo es kein Angebot gibt, hilft nicht einmal eine Gratisfahrkarte. Zumal die jetzigen Korridore auch nicht optimal bedient werden, wie einige User ja bereits erklärten.
Ich sage ja, dass das 1,2,3-Ticket nicht der alleinige Heilsbringer ist. Nur sehe ich es nicht als gesetzt an, dass der ÖV ausgebaut wird/das Angebot an Qualität gewinnt, nur weil die Ticketpreise höher sind.

Wenn die gesellschaftlichen Prioritäten entsprechend sind, ist es egal, ob die Fahrgäste 1/3 oder die Hälfte oder 0% direkt zur Finanzierung beitragen. Sonst müsste auch jede Angebotsausweitung zumindest anfangs, bis mehr Fahrgäste lukriert werden konnten, eine Preiserhöhung mit sich bringen.

So gesehen, ja: Lieber einen ÖV-Nulltarif als öffentliche Daseinsfürsorge zur Stimulierung einer Nachfrage zur politischen Überzeugung des Ausbaus, als ein mittelmäßiges Angebot zu hohen Preisen. Ein MIV-Gedanke: Ist die Straßenqualität (das gesamte Angebot, nicht nur die eine Prestigestrecke) in Ländern, die eine kilometerabhängige Maut einheben, besser als in Deutschland, wo der Staat (für PKW) einen Nulltarif bietet?

  • 4020er
  • Styria Mobile Team
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #114
Zitat
Vielleicht spielt es einfach keine Rolle, weil Menschen, die auf den ÖV angewiesen sind keine Alternative haben. Auch wer bereits ein gutes Angebot vorfindet und den ÖV schon zum Pendeln benutzt, ist offensichtlich bereits überzeugt. In diesem Segment mag die Preiselastizität gering sein.
Nein, die Preiselastizität ist auch beim Neukundengewinn niedrig. Preissenkungen müssen genau deswegen subventioniert werden, weil eben der neue Preis nicht so viele Neukunden anzieht, wie für einen Ausgleich der geringeren Fahrkarteneinnahmen notwendig wären.

Zitat
Lohnt sich die Jahreskarte im Vergleich zu den (erwarteten) Einzelfahrten nicht, wird keine Jahreskarte gekauft. Besitzt man aber keine Jahreskarte, ist die Hemmschwelle den ÖV zu benutzen gleich höher (löst doch jede Fahrt direkt Kosten aus). Diese Personen kaufen sich keine Zonenkarte um 500€ für Graz.
Genau, deswegen werden sich das €550-Ticket all jene kaufen, die bereits für die Jahreskarte mehr als diesen Betrag bezahlen. Wenn ich keine oder nur wenig Fahrten erwarte (weil ÖV zu langsam, selten oder unbequem), ergibt es keinen Sinn €550 auszugeben. Möchte ich den ÖV zusätzlich zum PKW benutzen wäre doch eine Subvention (wenn es denn schon sein muss) der Einzelfahrscheine viel sinnvoller als eine Subvention einer Fahrkarte die eine hohe Einstiegshürde hat. €550 auf ein Mal sind immerhin nicht wenig Geld. Ließt jemand hauptsächlich den Kurier wird diese Person nicht ein Abo für die Kleine Zeitung abschließen, um sie gelegentlich zu lesen.

Zitat
Aber ich gebe dir recht: Wenn das Angebot (auch im Vergleich zu den Alternativen - in der Stadt für viele auch das Rad) wirklich sehr gut ist, spielt der Preis - für die, die es sich leisten können - nur mehr eine untergeordnete Rolle.
Genau deswegen finde ich diese Diskussionen ja so schade. Für jene, die sich teurere Fahrkarten nicht leisten können, lassen sich auch andere Lösungen finden.

Zitat
Ich dachte du bist der Meinung, dass ÖV keine Nachfrage durch den Preis generieren kann?
Dieser Meinung bin ich nicht. Ich bin der Meinung, dass eine Erhöhung der Verkehrsnachfrage aus klimapolitischer Sicht von vorne herein kontraproduktiv ist. Daher sollte der ÖV bereits existierende (z.B. in Form von mIV) oder zu erwartende (z.B. Entstehung neuer Stadtteile wie Reininghaus) Nachfrage bedienen anstatt neue zu generieren.
Würde die Fahrt mit dem Flixbus nach Wien €0,99 kosten, wären die Busse ohne Zweifel voll mit Menschen die in der Hauptstadt Essen gehen oder einen Cafe trinken möchten und dann wieder nach Hause fahren. ÖV um des ÖVs Willen ist aber nicht sinnvoll.
Schafft man es hingegen Menschen, die bisher mit dem Auto nach Wien fuhren, den ÖV schmackhaft zu machen, weil es eben bequemer und schneller ist, ergibt das eine verbesserte Klimabilanz.
Mir ist klar, dass eine Maßnahme sowohl Verkehrserzeugung als auch -umlegung bewirkt, ich glaube aber, dass manche Maßnahmen eher die Umlegung und manche eher die Erzeugung fördern.
Grundsätzlich meinte ich mit "Verkehrsstromsteuerung durch Preise bei Einzelfahrscheinen" aber, dass preiselastische Fahrgäste günstige Angebote nutzen und nicht sehr preiselastischere Fahrgäste eher teure (weil volle) Verbindungen wählen. Warum sind die Züge zu den Tagesrandzeiten denn viel billiger, als jene mit angenehmen Ankunfts- oder Abahrzeiten? Damit sich Fahrgäste besser auf die unterschiedlichen Verbindungen aufteilen und Kapazitäten damit besser genutz werden. Finanziell schwache Kunden können so trotzdem preisgünstig ihr Ziel erreichen.

Zitat
Der gesamte Mallorca-Urlaub kostet vermutlich weniger als die Hälfte des Steiermarktickets in der jetzigen Form und wird unter ,,Erholung/Urlaub" verbucht, nicht unter ,,notwendige Mobilitätsausgabe".
Die in diesem Thread genannte Fahrt zur Erholung ins Ennstal ist doch genau so Urlaub/Erholung und keine notwendige Mobilitätsausgabe.

Zitat
Niemand spricht von hinterherwerfen. Auch bin ich nicht der Ansicht, dass das 1-2-3-Ticket unbedingt 1/2/3*365€ kosten muss (oder dass zB 600€ pro Stufe zu teuer wären) - nur dass sich der Preis für die Steiermark innerhalb eines bundesweiten Gefüges sinnvoll einzugliedern hat.
Ich verstehe deine Argumentation, und die Eingliederung mag durchaus Sinn machen. Warum ich trotzdem gegen dieses Ticket bin, führe ich weiter unten aus.

Zitat
Nur sehe ich es nicht als gesetzt an, dass der ÖV ausgebaut wird/das Angebot an Qualität gewinnt, nur weil die Ticketpreise höher sind.
Natürlich nicht. Geld ist aber endlich, daher ist es durchaus hinterfragenswert, wohin es fließt.

Zitat
Wenn die gesellschaftlichen Prioritäten entsprechend sind, ist es egal, ob die Fahrgäste 1/3 oder die Hälfte oder 0% direkt zur Finanzierung beitragen. Sonst müsste auch jede Angebotsausweitung zumindest anfangs, bis mehr Fahrgäste lukriert werden konnten, eine Preiserhöhung mit sich bringen.
Wenn die gesellschaftliche Priorität Klimaschutz und Stärkung des ÖVs lautet, gibt es unterschiedliche Wege dieses Ziel zu erreichen. Ich halte die weitere Förderung von Fahrkarten aus den bereits genannten Günden nicht als den effizientesten Weg und maximal als Teil-, jedoch nicht als Gesamtlösung. Jedenfalls sollte das entsprechende Angebot bestehen bevor der Preis attraktiviert wird. Das ist in der Steiermark meiner Meinung nach nicht der Fall. Bezüglich des restlichen Österreichs habe ich leider keine Erfahrungen.

Zitat
So gesehen, ja: Lieber einen ÖV-Nulltarif als öffentliche Daseinsfürsorge zur Stimulierung einer Nachfrage zur politischen Überzeugung des Ausbaus, als ein mittelmäßiges Angebot zu hohen Preisen. Ein MIV-Gedanke: Ist die Straßenqualität (das gesamte Angebot, nicht nur die eine Prestigestrecke) in Ländern, die eine kilometerabhängige Maut einheben, besser als in Deutschland, wo der Staat (für PKW) einen Nulltarif bietet?
Es liegt durchaus an den Politkern und Beamten die sinnvollsten und effizientesten Wege zu finden um ein deklariertes Ziel zu erreichen. Der Ausbau der S6 wurde nicht wehement von den Fahrgästen gefordert und trotzdem gibt es massive Fahrgaststeigerungen. Wie sagte Henry Ford: "Wenn ich die Leute gefragt hätte, was sie wollen, hätten sie gesagt: »schnellere Pferde«".

Ich kenne den Zustand der deutschen Autobahnen und anderer Länder nicht, trotzdem zwei Punkte:
1. In Deutschland werden die Autobahnen über die Kfz-Steuer finanziert. Auf den ÖV umgemünzt entspräche das am ehesten einer ÖV-Abgabe (Nahverkehrsabgabe) und keinem Nulltarif.
2. Als Maßnahme zur Verkehrsreduktion und damit für den Klimaschutz wäre eine kilometerabhängige Maut definitv sinnvoller, als generelle Freifahrt.

Ich verstehe schon, dass ein günstiges Ticket, das die Einstiegsbarriere in den ÖV senkt, sinnvoll ist. Ich denke nur, dass es nicht die beste Variante für mehr Klimaschutz ist, weil es existierente Defizite im ÖV nicht verschwinden lässt und damit weniger Geld und vor allem Bewusstsein für die Beseitigung dieser Defizite vorhanden ist. Die Devise scheint zu sein: "Das Klimaticket wirds schon richten" und dem stimme ich nicht zu. Wenn man mit dem ÖV doppelt so lange in die Arbeit braucht, wie mit dem Auto, werden die Leute trotzdem weiterhin Autofahrer bleiben. Wenn der ÖV drei mal täglich fährt, werden die Leute trotzdem weiterhin Autofahrer bleiben. Wenn der ÖV ungemütlich ist, weil die Kapazitäten fehlen und man dicht gedrängt 30 Minuten lang stehen muss, werden die Leute trotzdem weiterhin Autofahrer bleiben.
Umgestiegen wird, und das beweisen die Weststrecke und die S-Bahn Steiermark sehr gut, wenn es einen zeitlichen und komforttechnischen Vorteil ergibt. Autofahren ist nämlich bereits teurer als der ÖV.
A developed country is not a place where the poor have cars. It's where the rich use public transport.
-Gustavo Petro

  • FlipsP
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #115
Zu 1: Das habe ich auch nicht behauptet. Von einer standardisierten, qualitativen Bedienung wie etwa in der Schweiz sind wir aber noch weit entfernt.

Völlig richtig. Das wiederum habe ich nicht behauptet.

Zu 2: Das ist in den Diskussionen aber nicht im selben Ausmaß vertreten, das 1-2-3-Ticket ist einfach ein Herzensprojekt der Grünen und hat keinen verkehrswissenschaftlichen Hintergrund. Außerdem ist eine Angebotssteigerung jetzt notwendig. Die Auslastung zu den Hauptverkehrszeiten ist massiv. Es ist ja nicht so, dass der ÖV leer durch die Gegend fährt - im Gegenteil, die meisten Verkehrsbetriebe kämpfen mit Kapazitätsproblemen.

Kann ich nur eingeschränkt zustimmen. Ja, eine Angebotssteigerung wäre auch jetzt schon nötig, aber sieht du diese? Ich nicht. Unabhängig vom Ticket oder nicht. Wenn ich an den Busbereich denke hat hier auch die Marke Regiobus wenig gebracht. Das Bündel Graz-Weiz-Birkfeld ist mMn sehr gelungen, aber bei den weiteren Vergaben kann ich wenig Positives erkennen. Das war eher nur ein "Busumfärbeln".


Es ist kein Henne - Ei Problem. Jahreskarten sind bereits massiv subventioniert. ÖV deckt seine Kosten etwa zu einem Drittel selbst. Daher auch mein ursprünglicher Kommentar: Es wird wohl einen ÖV-Nulltarif brauchen, bevor diese Diskussion endlich verebbt. Sollte der Preis eine derart große Rolle spielen müsste es aufgrund der jährlichen Preiserhöhung in der 1,75-fachen Menge des VPI eigentlich eine Abwanderung vom ÖV geben. Das ist aber nicht der Fall. Die Literatur ist sich einig, dass die Preiselastizität im ÖV sehr gering ist und das zeigen auch alle Feldversuche.

Ja. Die Theorie habe ich auch gelernt.

Ob 2.000 € oder 2.100 € ist im Prinzip "egal", jedoch ist ein Steiermarkticket um 350 - 550 Euro, statt aktuell 2.300 € schon ein Unterschied. Selbst eine Fahrkarte beispielsweise von Leibnitz nach Graz kostet aktuell über 1.000 €, von Bruck nach Graz über 1.400 € und das sind schon Preise die weh tun (auch wenn der ÖV günstiger ist, als der PKW. Was real immer vergessen wird: "Der PKW ist ja da"). Da hat man keine Lust noch einmal für zB einen Familienausflug (2x Erwachsen, 3x Kind) von Bruck nach Liezen weitere 99 € aufzubringen. Da nimmt man lieber den PKW. Wenn man aber schon das Steiermarkticket hat und damit eben auch die Ausflüge öffentlich durchführen kann, dann sieht die Welt schon anders aus.

Das ist zB ein Punkt dem mMn zu wenig Beachtung geschenkt wird.

Die Reduktion auf die zwei Faktoren Angebot und Preis, dabei aber Verkehrserzeuger sowie Raumplanung außen vor zu lassen ist außerdem viel zu trivial.

Stimmt. Aber dann kommen wir vom Hundertsten ins Tausendste und werden vermutlich dieses Thema "sprengen".

Die Anzahl jener, die zum Spazierenfahren €550 ausgeben, wird eher überschaubar sein. Wie oft fährt man denn als G bzw. GUler in die Obersteiermark? Vier, fünf mal im Jahr? Da halte ich die Verkehrsstromsteuerung durch Preise bei Einzelfahrscheinen, wie es die ÖBB mit der Sparschiene, Flixbus oder Fluganbieter machen, sinnvoller.

So war es auch nicht gemeint. Es geht nicht ums spazieren fahren um 550 € (wobei selbst der Betrag relativ schnell mit unseren Tagespreisen erreicht ist), sondern darum das Spazierenfahren zusätzlich öffentlich abzuwickeln, weil das Ticket ja eh vorhanden ist.
Der Kluge lernt aus allem und von jedem, der Normale aus seinen Erfahrungen und der Dumme weiß alles besser.

- Sokrates

  • 4020er
  • Styria Mobile Team
Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #116
Zitat
Völlig richtig. Das wiederum habe ich nicht behauptet.
Ich erlaube mir das mal ad absurdum zu führen: Ich habe nie behauptet, du hättest das behauptet. Ich behauptete, das Angebot sei nicht gut genug und habe auf deine Rückfrage geantwortet, warum ich das so sehe.

Zitat
Ja, eine Angebotssteigerung wäre auch jetzt schon nötig, aber sieht du diese? Ich nicht. Unabhängig vom Ticket oder nicht.
Ich leider auch nicht. Genau das kritisiere ich. So unabhängig vom Ticket sehe ich das nicht:
Möglichkeit 1: Das Ticket zieht neue Fahrgäste an. Die werden aufgrund der fehlenden Kapazitäten und des fehlenden Angebots, mit der Ausnahme einzelner Korridore, eher nicht so begeistert sein. Dass diese Personen Stammkunden bleiben, ist zu bezweifeln.
Möglichkeit 2: Das Ticket zieht keine neuen Fahrgäste an, die Kapazitäten bleiben ausgeschöpft.

In beiden Fällen wäre es besser das Angebot vor dem Ticket auszubauen.

Zitat
(auch wenn der ÖV günstiger ist, als der PKW. Was real immer vergessen wird: "Der PKW ist ja da")
Das kritisiere ich ebenfalls. Wenn man die Verkehrswende unter der Annahme "der PKW ist ja eh da" versucht umzusetzen, ist das von vorne herein zum Scheitern verurteilt. Diese Realität mag zwar im Jahr 2021 zutreffen*, aber Klimaneutralität im Jahr 2040 wird aus dieser Denke heraus nicht möglich sein. Wir sind ca. zwei Autolebenszyklen von diesem selbsternannten Ziel entfernt. Die Weichen der Mobilität im Jahr 2040 werden jetzt gestellt und das offentichtlich unter der Annahme, dass jeder Haushalt einen Pkw oder mehr besitzt. Viel Glück.

*Im übrigen ist der PKW  bei Menschen mit genügend Einkommen im Alter von 18 bis ca. 70 Jahre da, nicht grundsätzlich. Sozial Schwächere, Junge, Alte und Menschen mit Mobilitätseinschränkung werden hier gerne vergessen, was bei der in Österreich vorherrschenden Raumplanung einer sozialen Exklusion entspricht.

Zitat
Da hat man keine Lust noch einmal für zB einen Familienausflug (2x Erwachsen, 3x Kind) von Bruck nach Liezen weitere 99 € aufzubringen. Da nimmt man lieber den PKW. Wenn man aber schon das Steiermarkticket hat und damit eben auch die Ausflüge öffentlich durchführen kann, dann sieht die Welt schon anders aus.
Sehr gut, dann wäre der Pkw endlich einmal zu 100% ausgelastet und damit sogar eine sinnvolle Verkehrsmittelwahl.
Inwiefern es sinnvoll ist wegen an einer Hand abzählbare Ausflüge im Jahr so viel Geld in eine Fahrkarte zu pulvern erschließt sich mir nicht ganz.
A developed country is not a place where the poor have cars. It's where the rich use public transport.
-Gustavo Petro

Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #117
Sehr gut, dann wäre der Pkw endlich einmal zu 100% ausgelastet und damit sogar eine sinnvolle Verkehrsmittelwahl.
Inwiefern es sinnvoll ist wegen an einer Hand abzählbare Ausflüge im Jahr so viel Geld in eine Fahrkarte zu pulvern erschließt sich mir nicht ganz.
Wie ist denn das bitte zu verstehen? Wenn man ein Auto hat, muss man jedes mal damit fahren und darf nicht mehr zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad oder mit dem Zug fahren?
Das Auto verursacht bei JEDER Fahrt Schadstoffe! Es ist also sicher nicht eine sinnvolle Verkehrsmittelwahl, wenn man auch Öffis zur Verfügung hat! Auch wenn man ein Auto hat, ist es gut, wenn man es möglichst wenig auslastet und nur wenig damit fährt.

Mir erschließt sich der Sinn, Geld in eine Fahrkarte ,,zu pulvern" ganz eindeutig! Wenn man nur eine Jahreskarte für Leoben hat, wird man für Fahrten außerhalb von Leoben eher das Auto nehmen, wenn man sowieso eines hat, da Einzelfahrten durch mehrere Zonen zur Zeit recht teuer sind. Wenn man aber um nicht einmal 100 € mehr eine Steiermark weit gültige Fahrkarte hat, reichen ein paar wenige Fahrten schon aus, damit es sich ausgezahlt hat, dass man das Geld in die Fahrkarte ,,gepulvert" hat.
Zusätzlich ist die Hemmschwelle sehr gering öfters auch spontan die Öffis außerhalb der Stammstrecke zu verwenden.

Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #118
Zu 2: Das ist in den Diskussionen aber nicht im selben Ausmaß vertreten, das 1-2-3-Ticket ist einfach ein Herzensprojekt der Grünen und hat keinen verkehrswissenschaftlichen Hintergrund. Außerdem ist eine Angebotssteigerung jetzt notwendig. Die Auslastung zu den Hauptverkehrszeiten ist massiv. Es ist ja nicht so, dass der ÖV leer durch die Gegend fährt - im Gegenteil, die meisten Verkehrsbetriebe kämpfen mit Kapazitätsproblemen.
Kann ich nur eingeschränkt zustimmen. Ja, eine Angebotssteigerung wäre auch jetzt schon nötig, aber sieht du diese? Ich nicht. Unabhängig vom Ticket oder nicht. Wenn ich an den Busbereich denke hat hier auch die Marke Regiobus wenig gebracht. Das Bündel Graz-Weiz-Birkfeld ist mMn sehr gelungen, aber bei den weiteren Vergaben kann ich wenig Positives erkennen. Das war eher nur ein "Busumfärbeln".
Leider liegt genau hier das Problem. Denn ich gehe davon aus, dass das 1-2-3-Ticket in erster Linie von Pendlern genutzt werden wird, die derzeit teilweise mit dem PKW fahren, diese fahren in der Regel meist zu den Stoßzeiten in der Früh und am Nachmittag mit dem ÖV. Und genau zu diesen Uhrzeiten ist der ÖV bereits annähernd voll ausgelastet (wer's nicht glauben mag, dem sei empfohlen, sich einmal am Grazer Hbf an einem Werktag die ankommenden Züge zwischen 6:30 und 8 Uhr anzuschauen). Und genau zu diesen Uhrzeiten ist in der Regel sowohl was die Fahrzeuge, als auch das Personal betrifft, ohnehin alles unterwegs. Und genau hier muss es eben mit der Einführung eines solchen Tickets zu einer Ausweitung des Angebots kommen, sprich mehr oder längere Fahrzeuge, leider passiert dies jedoch nicht. Ich gehe daher davon aus, dass hier die Qualität des ÖV doch ziemlich darunter leiden wird (von Graz nach Leibnitz oder Deutschlandsberg stehen zu müssen ist nicht besonders lustig...). In der Ostregion (Wien - St.Pölten bzw. -Wr.Neustadt etc.) ist dieses "Problem" noch deutlich schlimmer, da gehen auch physisch gesehen keine Leute mehr in den Zug rein.

Re: Neues aus dem Infrastrukturministerium
Antwort #119
Sehr gut, dann wäre der Pkw endlich einmal zu 100% ausgelastet und damit sogar eine sinnvolle Verkehrsmittelwahl.
Inwiefern es sinnvoll ist wegen an einer Hand abzählbare Ausflüge im Jahr so viel Geld in eine Fahrkarte zu pulvern erschließt sich mir nicht ganz.
Wie ist denn das bitte zu verstehen? Wenn man ein Auto hat, muss man jedes mal damit fahren und darf nicht mehr zu Fuß gehen, mit dem Fahrrad oder mit dem Zug fahren?
Das Auto verursacht bei JEDER Fahrt Schadstoffe! Es ist also sicher nicht eine sinnvolle Verkehrsmittelwahl, wenn man auch Öffis zur Verfügung hat! Auch wenn man ein Auto hat, ist es gut, wenn man es möglichst wenig auslastet und nur wenig damit fährt.

Mir erschließt sich der Sinn, Geld in eine Fahrkarte ,,zu pulvern" ganz eindeutig! Wenn man nur eine Jahreskarte für Leoben hat, wird man für Fahrten außerhalb von Leoben eher das Auto nehmen, wenn man sowieso eines hat, da Einzelfahrten durch mehrere Zonen zur Zeit recht teuer sind. Wenn man aber um nicht einmal 100 € mehr eine Steiermark weit gültige Fahrkarte hat, reichen ein paar wenige Fahrten schon aus, damit es sich ausgezahlt hat, dass man das Geld in die Fahrkarte ,,gepulvert" hat.
Zusätzlich ist die Hemmschwelle sehr gering öfters auch spontan die Öffis außerhalb der Stammstrecke zu verwenden.

Du hast das Problem absolut richtig erkannt. Leider halte ich jedoch den Lösungsansatz für den falschen. Denn von Leoben aus hast du in der Regel nicht überall hin die besten Verbindungen. Meiner Meinung nach sollten daher die variablen Kosten eines PKW unbedingt stark steigen, die Fixkosten eines PKW (zumindest von umweltfreundlicheren Modellen) würde ich hingegen senken, denn wie gesagt "brauchen" zumindest am Land eben die meisten Menschen ein Auto und das wird sich auch in Zukunft nicht wesentlich ändern. Wenn aber der Sprudel so wie jetzt gerade mal einen Euro pro Liter kostet (die meisten Leute rechnen für ihre Fahrten einfach nur den Treibstoff ein, viel mehr variable Kosten gibt es eh nicht), dann ist Autofahren wohin auch immer, immer noch billig. Wenn aber der Sprudel zwei bis drei Euro pro Liter kosten würden, zudem Parken überall etwas kosten würde und ein Roadpricing auf allen Straßen (natürlich auch Variabel) stattfindet, dann würden ganz einfach sehr viele Autofahrten so nicht stattfinden, das wäre meiner Meinung nach die Lösung!