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Thema: Berlin hat sie - Die Kanzlerbahn (U55) (3633-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Berlin hat sie - Die Kanzlerbahn (U55)

"Kanzler-U-Bahn" rattert durch Berlin
von Kai Schöneberg

Gebaut wurde 13 Jahre lang, die Planungen reichen sogar bis in die 20er zurück: In der Hauptstadt wird nun die "Kanzler-U-Bahn" zum Brandenburger Tor offiziell eröffnet. Dabei ist die "Stummellinie" noch gar nicht fertig.

Bislang wurden hier Opern wie die "Zauberflöte" aufgeführt und Edel-Parties gefeiert. Die U-Bahn-Station "Bundestag" war sogar schon Drehort für einen Horrorfilm. Ab Samstag endet der Dornröschenschlaf der Haltstelle am Berliner Reichstag. Dann rattert erstmals die neue U-Bahn im Zehnminutentakt unter dem Herz der Hauptstadt hindurch.

Für Berliner und Touristen gibt es dann einen unterirdischen Weg durch das Regierungsviertel. Die "Kanzler-U-Bahn" - Helmut Kohl (CDU) trieb einst die Planung voran - fährt dann unter dem Brandenburger Tor hindurch zum Hauptbahnhof.

Den Steuerzahler kostete die knapp drei Minuten lange Fahrt 320 Mio. Euro und starke Nerven. Von Pleiten, Pech und Pannen begleitet, dauerte der U-Bahn-Bau 13 lange Jahre - selbst für Berliner Verhältnisse ist das Rekord. Genau wie der Preis: knapp 178.000 Euro pro Meter Gleis. Da die U55 vom restlichen U-Bahnnetz isoliert ist, dürfte sich die Linie erst rechnen, wenn sie für weitere 433 Mio. Euro bis zum Alexanderplatz verlängert wird - die Verbindung entlang der Prachtmeile Unter den Linden soll jedoch erst 2017 fertig sein.
Zunächst feiert Berlin seine 1,8 Kilometer lange Unterirdische. "Endlich kanzlert die U-Bahn", jubelte Berlins Boulevardblatt "B.Z.", die Berliner Verkehrsbetriebe locken bei der offiziellen Eröffnung mit einer U-Bahn-Party. Am ersten Tag ist die Benutzung der Strecke, die auch die Spree unterquert, kostenlos.

Markenzeichen der Berliner Republik
Die Fahrgäste sehen drei moderne Stationen, die mehr sein sollen als reine Haltepunkte: Sie sind ein Stück Markenzeichen der neuen Berliner Republik. Der Bahnhof Brandenburger Tor ist als Infopunkt in das Gedenkstättenkonzept Berliner Mauer eingebunden. Am Kiosk lassen sich Hörbücher ausleihen, Computer bieten Zugang zu Internetseiten mit Stadtgeschichte. Große Bildtafeln hinter den Gleisen zeigen den Wandel des historischen Ortes. Vor 20 Jahren verlief am Brandenburger Tor noch der Todestreifen. Heute flanieren Touristen auf dem neuerbauten Pariser Platz, der vom Hotel Adlon, der Akademie der Künste, Botschaften und Banken gesäumt wird.

Die Spötter sind dennoch nicht verstummt. "Stummellinie" nennen sie die U55 abschätzig. Denn noch haben die kurzen, teuren Tunnelröhren keine Verbindung zum restlichen U-Bahnnetz. Für Verkehrsexperten ist die Mini-Strecke sogar einmalig in Europa, viele denken an einen Schildbürgerstreich.

Doch nun fährt sie, die "Kanzler-U-Bahn". In den 20er-Jahren gab es bereits die ersten Ideen für die Strecke, in den 50er Jahren wurde schon geplant - der Mauerbau 1961 verhinderte die Umsetzung. Ihre nächste Planung fiel in die Berlin-Euphorie der frühen Nachwendezeit, in der Architekten auch den riesigen, gläserne Hauptbahnhof entwarfen. Die Endstation "Hauptbahnhof", designt vom Architektenbüro Gerkan, Marg und Partner, ist großzügig. Zur Jahrtausendwende stoppte Berlin, in der Realität angekommen, den U-Bahn- Bau - aus Geldnot.

Sie war dann eine von vielen Berliner "Phantomlinien". Im Untergrund der Hauptstadt gibt es zahlreiche "tote Tunnel", die auf Fehlplanungen in der Vergangenheit zurückgehen. In Steglitz wurde zum Beispiel ein gutes Stück der geplanten U10 unter der Schlossstraße fertiggegraben.

Anders bei der U 55. Der Bund als Hauptfinanzier drückte die Fertigstellung mit einem Ultimatum durch: entweder die Hauptstadt zahlt Millionen Euro Bundesgelder zurück - oder die U-Bahn fährt. Berlin buddelte verschreckt weiter. An weniger prominenter Stelle, vermutet der kritische Berliner Fahrgastverband IGEB, wären die Arbeiten eingestellt worden. Nicht so an der U 55: Vor dem Reichstag liefen Abgeordnete und ihre Wähler jeden Tag am verriegelten Geisterbahnhof "Bundestag" vorbei. "Kanzler-U-Bahn" gilt vielen Berlinern ohnehin als Spottname. Ob Angela Merkel tatsächlich eines Tages mit der U-Bahn zur Arbeit fährt?

Es bleibt die Hoffnung auf Berliner und Touristen. 17 Meter müssen sie zum U-Bahnhof "Brandenburger Tor" hinabsteigen. Die Station, in Weiß- und Anthrazittönen gehalten, ist eine der am tiefsten gelegenen Berlins. Gebaut wurde hier im Eismantel, um das Grundwasser in den Griff zu bekommen - und die Linie rechtzeitig zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu eröffnen. Das Grundwasser machte trotzdem Ärger, der Bau verzögerte sich erneut erheblich. Nun pendelt die U55 immerhin zur Leichtathletik-WM, die am 15. August beginnt.

Verkehrstechnisch hat Berlin inzwischen ein ganz anderes Problem. Die S-Bahn fährt nach einem Notfahrplan, da sie viele Züge nach Sicherheitsmängeln in die Werkstatt schicken muss. Von daher könnte der Zeitpunkt für die Eröffnung der neuen Mini-Strecke kaum besser sein

Quelle + Fotos: www.ftd.de http://www.ftd.de/politik/:Nahverkehr-Kanzler-U-Bahn-rattert-durch-Berlin/550709.html
LG Michael, vormals PM  |  Styria-Mobile