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Thema: Politik - Infrastrukturministerium - Minister/in (2675-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Politik - Infrastrukturministerium - Minister/in

Ganz interessant die Aussagen des neuen Verkehrsministers - vor allem die markierten Antworten von ihm. Endlich jemand, der auf die Südbahn und nicht nur auf die Westbahn setzt! Weiters sollte man jetzt beim Verkehrsministerium zwecks Unterstüztung des Grazer Straßenbahnausbaus anklopfen .... Kernaussage des Minister Stöger: "Ich möchte investieren, nicht einsparen. Einige Leute wollen immer alles totsparen, aber die denken kleinkariert." - guter Ansatz!



"Bin nicht der Typ fürs Rampenlicht"

Der neue Infrastrukturminister Alois Stöger über neue Mautsysteme, kleinkarierte Totsparer und die für ihn profitablen ÖBB.


Foto © Infrastrukturminister Alois Stöger


Wie wird man eigentlich über Nacht vom Gesundheits- zum Infrastrukturexperten, Herr Minister?

ALOIS STÖGER: Ich habe bisher die Verantwortung für die gesundheitliche Infrastruktur getragen. Jetzt trage ich die Verantwortung für die technische Infrastruktur. Es geht da wie dort darum, Zugänge zu Infrastruktur zu ermöglichen. Das ist eigentlich dieselbe Funktion.

Letzten Herbst galten Sie noch als Ablösekandidat, jetzt haben Sie eines der wichtigsten Ministerien übernommen. Zufrieden?

STÖGER: Wer in der Regierung abgelöst wird, entscheiden Bundeskanzler und Bundespräsident. Die haben immer gesehen, was ich geleistet habe. Ich bin eben nicht der Typ für das Rampenlicht. Das ist nicht mein politischer Stil. Ich freue mich, dass es auch so funktioniert.

Sie wurden einmal als "auffällig unauffällig" bezeichnet. Ist das zutreffend?

STÖGER: Schön, das gefällt mir.

Sie haben relativ wenig finanziellen Spielraum, ein Großteil der Mittel ist bereits verplant.

STÖGER: Infrastrukturmaßnahmen haben eben eine unglaublich lange Anlaufphase, sind also immer langfristig orientiert.

Sind Sie in ihrem Bewegungsspielraum deshalb eingeschränkt?

STÖGER: Das glaube ich gar nicht. Eines muss ich schon sagen: Die Vorarbeiten, die geleistet wurden, sind hervorragend. Doris Bures hat mir ein gutes Haus übergeben. Die Projekte sind langfristig politisch abgesichert. Damit auch künftig alles funktioniert, brauchen wir weitere Investitionen.

Was ist das erste Projekt, das sie angehen wollen?

STÖGER: Ganz ehrlich: Ich habe großen Respekt vor der Aufgabe. Deshalb traue mich jetzt noch nicht zu sagen, was mir am wichtigsten ist. Am meisten freue ich mich aber darauf, eine Innovationskultur entstehen zu lassen und denen, die an Innovation forschen, mehr Platz zu geben.

Die Konjunktur ist schwächer als erwartet, das Budget knapp und auch von der EU kommt Druck. Muss man aus Geldnot den Zeitplan der Großprojekte wie Semmering- oder Koralmtunnel strecken?

STÖGER: Nein, die Zeitpläne werden eingehalten. Ich möchte investieren, nicht einsparen. Damit jeder Zugang zu den Netzen hat. Einige Leute wollen immer alles totsparen, aber die denken kleinkariert. Wissen Sie, was am Ende vom Totsparen wartet? Der Tod.[

Wenn sparen, dann also nicht in ihrem Ressort?

STÖGER: Das heißt es nicht. Investitionen sind nicht das Gegenteil von Einsparungen. Damit man kosteneffizient ist, muss man Geld ausgeben. Wenn ich beispielsweise in bessere Fenster investiere, spare ich Energie. Wenn ich alles niederspare, habe ich statt Glasfenstern irgendwann Pappdeckel und verschleudere Energie.

Kritiker bezeichnen vor allem den Koralmtunnel als zu teuer und nicht notwendig.

STÖGER: Ein Beispiel: Vor etwa 150 Jahren baute man die Wiener Hochquellenleitung, die Wasser aus der Steiermark herleitet. Damals haben sicher auch viele gesagt, das sei zu teuer und unnötig. Heute wissen wir, dass die Leitung ein Goldschatz ist. Mit Projekten wie dem Koralmtunnel steigert man die Attraktivität des öffentlichen Verkehrs, das soll das Ziel sein. An der Südbahn leben gleich viele Menschen wie an der Westbahn - trotzdem wird dort viermal so wenig Bahn gefahren. Das muss sich ändern. Mit den kritischen Stimmen wird man leben müssen.

Apropos Bahn: Die ÖBB wird oft als Milliardengrab bezeichnet. Verstehen Sie den Unmut vieler Bürger über die Bahn?

STÖGER: Das wird oft falsch dargestellt. Der Staat gibt bei der ÖBB Leistungen in Auftrag und muss diese auch bezahlen.

Trotzdem geht der Eisenbahner im Schnitt mit 53,9 Jahren in Pension. Braucht es mehr Vorgaben?

STÖGER: Nein. Die Mitarbeiter, die seit etwas mehr als zehn Jahren bei der ÖBB sind, werden bereits ASVG-Pensionen bekommen. Die Strukturen sind richtig gesetzt, die Schienen gehen in die richtige Richtung. Wir haben eine Gleichstellung hergestellt, das braucht erst einmal Zeit.

Die Bahn wird trotzdem immer defizitär bleiben, oder?

STÖGER: Es kommt darauf an, was man unter Profit versteht. Man könnte theoretisch auch im Gesundheitswesen sparen, wenn man alle Krankenhäuser zusperrt. Ich wette, dass die vielen Pendler, die heute mit der Bahn fahren, stark von der ÖBB profitieren. So gesehen ist die Bundesbahn profitabel.

Wollen Sie Autofahrer stärker zur Kasse bitten?

STÖGER: Ich habe keine Absichten, Autofahren teurer zu machen und auf diesem Gebiet groß umzukrempeln.

Kilometerbezogene Mautsysteme kommen nicht infrage?

STÖGER: Darüber kann man nachdenken. Das hängt aber davon ab, wie teuer die Einführung solcher Systeme wäre. Vielleicht gibt's ja bald eine App, mit der das leicht geht. Aber das Pickerl funktioniert schon. Über Gerechtigkeit bei der Maut lässt sich womöglich streiten.

Die Versteigerung der LTE-Lizenzen hat zwei Milliarden Euro eingebracht. Wieso gibt's dann eigentlich nicht zwei Breitbandmilliarden?

STÖGER: Weil es neben dem Breitband auch andere Investitionsmöglichkeiten in der Erhaltung der Verkehrsnetze gibt.

Das Geld ist also im Ressort geblieben?

STÖGER: Darüber scheiden sich noch die Geister. Es soll in eine Rücklage gehen, wie es ausgegeben wird, ist eine andere Frage. Das heißt nicht, dass das Budgetloch damit gestopft wurde.

Der Zeitplan ihrer Vorgängerin sah vor, ab 2015 auszuschreiben und 2020 so gut wie allen Österreichern Zugang zu Internet mit 100 Mbit pro Sekunde zu ermöglichen. Ist das realistisch?

STÖGER: Davon gehe ich aus, ja.

Sie kennen Finanzminister Hans Jörg Schelling sehr gut, haben die Krankenkassen mit ihm saniert. Sind Sie zuversichtlich, dass mit ihm und den anderen Regierungsrochaden frischer Wind in die Koalition kommt?

STÖGER: Die Regierung ist besser als ihr Ruf. Wir haben beste Wirtschaftsdaten und den Menschen durch Investitionen in der Krise Sicherheit gegeben. Viele haben aber leider eine Gaudi dabei, die Regierung schlechtzureden. Ob das auch für die Bürger so lustig ist, weiß ich nicht.

Trotzdem: Geht's jetzt noch besser? Besser als etwa mit Spindelegger als Finanzminister?

STÖGER: Darum geht's jetzt nicht. Wir werden künftig gut zusammenarbeiten, weil man mit Schelling und Mitterlehner gut verhandeln kann. Streiten werden wir aber trotzdem noch.

Sie als leidenschaftlicher Bergsteiger: Sehen Sie einen Gipfel in der Debatte um die Steuerreform?

STÖGER: Abgesehen davon, dass ich momentan leider nicht zum Bergsteigen komme: Ja, ich sehe einen Gipfel. Wir müssen so schnell wie möglich mit der Lohnsteuer runter.

Und wie wird gegenfinanziert?

STÖGER: Wir werden Vermögenssteuern brauchen. Auch über höhere Vermögenszuwachssteuern werden wir diskutieren müssen. Vermögen muss in Österreich auf jeden Fall gerechter verteilt werden.


INTERVIEW:

KLAUS KNITTELFELDER



Link: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/politik/3731498/ich-bin-nicht-typ-fuers-rampenlicht.story