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Verkehr => ÖPNV - Allgemein => Thema gestartet von: amadeus am Dezember 30, 2011, 06:23:41

Titel: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: amadeus am Dezember 30, 2011, 06:23:41
72 Cent pro Woche für die Öffis

2012 wird ein neues Landesbudget verhandelt und die Nahverkehrsabgabe Thema sein. Studie spricht von Einnahmen zwischen zehn und 13 Millionen Euro jährlich.


Bewegung kommt in die Debatte über eine steirische Nahverkehrsabgabe, also eine Steuer, die dem Ausbau des öffentlichen Verkehrs zugutekommt. Wie SPÖ-Klubobmann Walter Kröpfl bestätigte, wird die Nahverkehrsabgabe Thema der Verhandlungen mit der ÖVP über das Landesbudget 2013. Der Tenor: "Man kann das Budget nicht nur ausgabenseitig sanieren." Auch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) und Vize Lisa Rücker (Grüne) sind vor Kurzem deutlich für eine "Öffi-Steuer" eingetreten. Landesgrüne und KPÖ würden eine derartige Abgabe ebenso begrüßen. Auf klare Ablehnung stößt die Abgabe beim Wirtschaftsflügel der Steirer-VP sowie bei der FPÖ mit Verkehrslandesrat Gerhard Kurzmann.

Über die Frage, wer wie viel berappen soll, hat sich der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) bereits in einer Hintergrundstudie für die Steirer den Kopf zerbrochen. Angelehnt an die Wiener "U-Bahn-Steuer" könnte man von jedem Dienstgeber pro Dienstnehmer und Woche einen Beitrag kassieren. 72 Cent macht diese Abgabe aus und bringt jährlich 22 Millionen Euro für Wiens Netzausbau. Umgerechnet auf die Steiermark geht man von Einnahmen von rund 13 Millionen Euro im Jahr aus.

In der Steiermark sind die Bezirke aber unterschiedlich gut erschlossen, weshalb die Verkehrsexperten zu einer reduzierten Abgabe außerhalb des S-Bahn-Raums raten. In Teilen der Ober- oder Oststeiermark sollte die Nahverkehrsabgabe nur die Hälfte ausmachen. Damit könnte das Land immer noch knapp zehn Millionen Euro im Jahr lukrieren. Zum Vergleich: Knapp 100 Millionen Euro schwer ist das jüngste Straßenbahnprojekt von Graz (Süd-West-Linie). Ähnliche Dimensionen hat aktuell der Bau der Nahverkehrsdrehscheibe am Grazer Hauptbahnhof - Stichwort neue Haltestellen, unterirdische Tram-Führung.

Die Höhe der Abgabe ist natürlich nicht in Stein gemeißelt und könnte laut Studienautoren auch geringer angesetzt werden, um die Akzeptanz zu erhöhen. Nicht verschwiegen wird, dass eine derartige Abgabe den Faktor Arbeit weiter belastet. Eine Alternative wäre eine (bundesweite) Erhöhung der Mineralölsteuer (Möst), wogegen aber die Autofahrer Sturm laufen würden. Obendrein tobt in der Steiermark seit Jahren ein Streit zwischen Land und Stadt Graz, wem wie viele Möst-Mittel zustehen.

THOMAS ROSSACHER

Quelle: Kleine Zeitung (http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/2911026/72-cent-pro-woche-fuer-oeffis.story)
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: Martin am Dezember 30, 2011, 09:59:22
Endlich kommt einmal Bewegung in dieses Thema!

Warum kommt niemand auf die Idee diese Abgabe so zu erhöhen, dass man die Öffis komplett gratis anbieten kann. Dann wäre das private Kfz Luxus und die Masse hätte eine Motivation zum Umsteigen.
Jene die trotzdem mit dem Auto fahren, müssen die Kosten dafür eben selbst tragen.
Die Pendlerpauschale könnte man auch sofort abschaffen!
Für Pendler, die aufgrund Dienstzeiten usw. trotzdem auf das Auto angewiesen sind, könnte man ja andere Vergünstigungen schaffen.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: J. 1042 am Dezember 30, 2011, 10:15:38

Warum kommt niemand auf die Idee diese Abgabe so zu erhöhen, dass man die Öffis komplett gratis anbieten kann. Dann wäre das private Kfz Luxus und die Masse hätte eine Motivation zum Umsteigen.


Prinzipiell richtig, nur schafft so eine Regelung auch einige Probleme:
Will man alle Öffis steiermarkweit gratis anbieten, würde diese Steuer wohl ganz andere Dimensionen annehmen; Menschen aus Öffi-armen Regionen würden sich zu Recht noch mehr beschweren, da sie kaum Zugang zu den Gratis Öffis haben, für die sie bezahlen. Nicht vergessen sollte man vor allem die teuren notwendige Angebotserweiterungen und Verdichtungen um dem zu erwartenden Fahrgastandrang Herr zu werden. Vielerorts sind Kapazitätsprobleme vorprogrammiert.
Wieso sollen dann Nicht-Steirer ebenfalls gratis Öffi-Zugang haben, obwohl sie nichts dafür bezahlen?
Wie handhabt man den schienengebundenen Fernverkehr; bei Gratisfahrten bekommt man ernstzunehmende Probleme mit der Finanzierung!
Damit verbundene drastisch zunehmende Sicherheits- und Sauberkeitsprobleme in den Öffis.
Und natürlich massiv politische Interventionen, der üblichen Verhinderer-Parteien...

Prinzipiell befürchte ich, dass diese Steuer nur dazu dient, um Löcher im Budget zu stopfen, um mehr Geld z.B.: für Straßenprojekte übrig zu haben. Solange diese Steuer nicht an konkrete Verbesserung auch außerhalb des Großraums Graz gekoppelt ist, muss man leider skeptisch sein!
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: amadeus am Dezember 30, 2011, 10:19:26
Hm. Warum fändest Du es erstrebenswert, Leute gratis zu transportieren? Man nimmt ja zum persönlichen Vorteil eine Leistung in Anspruch. Warum sollte man den persönlichen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit lukrieren?
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: Deadlocked am Dezember 30, 2011, 11:11:53
Man zahlt auch für Straßen nichts, die man täglich verwendet oder? Wenn diese Leistung auch für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung steht, dann passt es ja. Nur derzeit sind die Öffis in vielen Teilen der Steiermark nicht einmal eine halbwegs brauchbare Alternative.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: amadeus am Dezember 30, 2011, 11:41:00

Man zahlt auch für Straßen nichts, die man täglich verwendet oder?


Finanzierung von Infrastruktur (Straße, Schiene) ist Sache der öffentlichen Hand.
Die Finanzierung der Transportleistungen ist es nicht.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: 4020er am Dezember 30, 2011, 11:50:31
Wo ist das geregelt?
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: amadeus am Dezember 30, 2011, 12:21:07

Wo ist das geregelt?


Nirgends. Einfach gelebte Praxis. Seit Alters her.
Finanzierung der Infrastruktur ist schon deshalb Sache der öffentlichen Hand, weil sie sonst keiner leisten kann und will.
Finanzierung der Transportleistung will zwar auch niemand leisten, die Nutznießer sind dazu aber sehr wohl in der Lage.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: Deadlocked am Dezember 30, 2011, 13:03:01
Seit wann ist der Kartenverkauf kostendeckend?
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: amadeus am Dezember 30, 2011, 13:28:38

Seit wann ist der Kartenverkauf kostendeckend?


Nur weil die Tarife des öffentlichen Verkehrs nicht kostendeckend sind, muß er ja nicht gleich gratis sein.
Wenn man einmal mit "gratis" anfängt sind Forderungen nach Gratiswasser, Gratiskanal und Gratismüllabfuhr (alles in erster Linie Transportleistungen) nicht mehr weit.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: Martin am Dezember 30, 2011, 19:38:14
Das mit dem Wasser ja das ist eine gute Idee:

Nehmen wir an, es gibt überall ca. alle Kilometer einen Trinkbrunnen, an dem Wasser gleich viel kostet, was es in der Leitung kostet.

Die Leute werden alle das Leitungswasser verwenden und niemand die Trinkbrunnen.
Wenn das Wasser aus der Leitung ein bisschen mehr kostet, wird kein Mensch das Wasser von den Trinkbrunnen holen.
Selbst wenn das Wasser an den Trinkbrunnen gratis ist, wird eine Vielzahl an Menschen das teurere Wasser aus der Leitung nehmen.

Mit dem Verkehr ist es das gleiche:
ÖV ist unbequem und man muss hingehen. Das Auto steht vor der Tür und man braucht nur den Schlüssel umdrehen um loszufahren.
Wenn der ÖV gratis wäre, wird noch immer ein Großteil der Leute selbst mit dem Auto fahren, weil es einfach bequemer ist.


Wenn diese Leistung auch für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung steht, dann passt es ja. Nur derzeit sind die Öffis in vielen Teilen der Steiermark nicht einmal eine halbwegs brauchbare Alternative.

Einerseits müssen P&R Plätze eben forciert werden, andererseits würde es durch den GratisÖV sicher mehr Nachfrage bzw. mehr Verbindungen geben.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: Deadlocked am Dezember 30, 2011, 19:55:12
Soviel ich weiß, hat man in Städten mit gratis ÖPNV bis jetzt gute Erfahrungen gemacht. Will man in der Gesellschaft was verändern, muss man auch entsprechende Zeichen und Taten setzen.

Beispiel Hasselt: 1300% mehr Fahrgäste
Natürlich hilft es nichts, wenn der ÖPNV gratis, aber dafür das Angebot unbrauchbar ist. Da muss an allen Fronten dafür gekämpft werden und dafür die Investitionen in den Straßenverkehr auf ein Minimum reduziert werden. Keine Südgürtel, Schnellstraßen, Ortsumfahrungen, Untertunnelungen usw mehr.

ÖPNV ist nicht unbequem, sondern KANN sehr attraktiv sein, mit bequemen Fahrzeugen, dichten Takt, konkurrenzfähigen Fahrzeiten, etc., nur sind diese Grundvorraussetzungen bei uns noch bei weitem noch nicht gegeben.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: Empedokles am Dezember 30, 2011, 22:07:24

ÖPNV ist nicht unbequem, sondern KANN sehr attraktiv sein, mit bequemen Fahrzeugen, dichten Takt, konkurrenzfähigen Fahrzeiten, etc., nur sind diese Grundvorraussetzungen bei uns noch bei weitem noch nicht gegeben.


Damit hast Du bestimmt völlig recht!
Nur, daß etwas - das (vom Staat?) gratis angeboten wird - irgendwie von der Allgemeinheit als "nix wert" empfunden werden könnte, gibt mir schon zu denken! Dafür mag es auch genügend Beispiele geben (?). Und ehrlich gesagt, halte ich die (nur zB.: die Grazer-) Bevölkerung für so ein Projekt noch nicht für reif genug! Das beweist die tägliche Benutzung der Öffis mit einem offenen Auge: viele zahlende Fahrgäste steigen schon jetzt mit mehr Sachen ein, als sie wieder aussteigen. Dieses unsoziale Verhalten den übrigen Fahrgäste gegenüber steigert sich bestimmt noch weiter, wenn alle Fahrten komplett gratis angeboten würden. Die Disziplinlosigkeit steigt mit dem als minderwertig eingestuften Angebot [was einige Studien  zu beweisen versuchen].

Eine sehr große finanzielle Erleichterung für die Beschäftigten könnten allerdings gewisse Firmen erwirken, wenn sie anstatt dem Ausbau der firmeneigenen Parkplätze, zumindest denselben Betrag in den Ausbau der ÖFFIS investieren würden. Das sollte von der Politik gefördert werden! Ebenso könnten auch ähnliche Vorgehensweisen von der Politik steuerlich begünstigt werden, damit es sich für alle Beteiligten "rechnen" kann. Eine etwaige Differenz zur Pendlerpauschale wäre dann zumindest steuerlich sozial gerecht auszugleichen.

Die ausgewogene soziale Gerechtigkeit wird künftig in der Politik eine immer größere Rolle spielen!


LG, E.
Titel: Re: Nahverkehrsabgabe
Beitrag von: 4020er am Dezember 30, 2011, 23:49:37
Zitat
Nirgends. Einfach gelebte Praxis. Seit Alters her.

Dieses Argument finde ich immer extrem überzeugend. :hehe:
Eigentlich schon arg, dass planmäßig keine Dampfloks mehr fahren, hat man doch immer so gemacht. :P

Außerdem: Die PV muss Schienenmaut bezahlen, und zwar auch auf den Pimperlstrecken. Vignette braucht man nur auf der Autobahn.

Zitat
Nur, daß etwas - das (vom Staat?) gratis angeboten wird - irgendwie von der Allgemeinheit als "nix wert" empfunden werden könnte, gibt mir schon zu denken!

Gratis wäre es ja nicht, nur halt verpflichtend! ;)
Ich denke, dass die Nahverkehrsaufgabe wie sie von vielen im Forum gewünscht wird sinnvoll ist. Preislich finde ich den Ansatz des Landes gut: Die Abgabe soll von der Qualität und dem Umfang des vorhandenen Netzes abhängig sein.

lg