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Thema: 100 Jahre 1. Weltkrieg (23528-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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  • Ch. Wagner
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #15

Schwarz-rot-gold in öffentlichen Räumen/ Plätzen der deutsch(sprachigen) Teile Österreichs* sehr häufig anzutreffen war, noch weit häufiger als die damaligen "Bismarck-Straßen" und "-Plätze".


Bismarck hatte allerdings nichts mit dem 1. Weltkrieg zu tun, er trat schließlich schon (~)1880 zurück. Die nach ihm benannten Straßen und Plätze rühren von den sehr milden Friedensbedingungen nach dem verlorenen Krieg gegen Preussen, die Bismarck durchsetzen konnte.

Das von die angesprochene Fest des Sängerbundes war ein Treffen aller national-deutschen Vereine, kein Wunder, daß da auch die "deutsche" Flagge gezeigt wurde. Aber nicht in dem Ausmaß, wie du es vermutest. Zudem hatte Graz schon seit lange einen Hang zum Deutschnationalem.
Fer aut feri ne feriaris feri!
Queen Elizabeth I.

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #16
Ich sage noch immer: Schwarz-rot-gold war damals "Mainstream" des Bürgertums wie auch sogar der sogenannten Arbeiterklasse und nichts Sektiererisches.

Zwar wurde Bismarck von Wilhelm II. nicht (~)1880, sondern genau im Jahr 1890 aus dem Amt des Ministerpräsidenten gedrängt, aber das ist auch schon egal.

Die nach Bismarck benannten Straßen und Plätze rühren von den sehr milden Friedensbedingungen nach dem verlorenen Krieg gegen Preussen, die Bismarck durchsetzen konnte.


So ist es.

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #17
Nicht nur Graz hatte einen Hang zum deutschnationalen, sondern alle deutschen in der Monarchie fühlten sich eben als Deutsche, zum Unterschied zu den anderen Österreichern wie Slowenen, Tschechen usw. Immerhin hieß es in der Nationalhymne der ersten Republik
Deutsche Arbeit, ernst und ehrlich,
Deutsche Liebe, zart und weich -
Vaterland, wie bist du herrlich,
Gott mit dir, mein Österreich!
Und das zu Haydns Melodie des Kaiserliedes, der Melodie der heutigen deutschen Nationalhymne.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg wollten wir mit den deutschem Naziland nichts mehr zu tun haben, und taten so als ob in Berlin und nicht in Wien die Juden die Gehsteige mit dem Zahnbürsterl putzen mussten. Und Eichmann war natürlich ein Deutscher, und Hitler wurde sein Judenhass wahrscheinlich auch erst in Berlin eingebläut. Es gab dann auch keinen Unterrichtsgegenstand Deutsch mehr, da stand in meinem Zeugnis Unterrichtssprache.
Und nachdem wir alle nun Österreicher und keine Deutschen mehr waren, hatten wir auch mit dem Naziterror nicht mehr das Geringste zu tun, sondern waren das erste Opfer geworden.
So großartig ist die Nationswerdung Österreichs. Wir waren plötzlich die unschuldigen besseren (Deutschen).
Deshalb bin ich glühender mehrsprachiger Europäer, nachdem Deutsch meine Muttersprache ist, auch Deutscher und ich fühle mich trotzdem wohl mit meinem österreichischem Pass.
Mag für manchen Österreichpatrioten schrecklich klingen, aber ich meine wir sollten unseren Kirchturmpatriotismus doch überdenken.

  • Ch. Wagner
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #18
Aha, also ein Tomaten und Tschüssi Sager.
Da brauchst du gar nicht die Ex-Bunde4shymne zitieren, da reicht die steirische: "Wo noch deutsches Wort und Handschlag gilt", "Für den Kaiser gern jeder sich rafft, und dann eisern steht in Schlachtenreih'". Und bis ins Wendenland im Savetal und Rebenland im Drautal geht's wohl auch nimmer ganz. Aber niemand ruft nach einer Groß-Steiermark. Und die Geschichte Österreichs mit der Deutschlands gleichzusetzen, ist hanebüchener Unsinn.
Aber hier geht's ja um den 1. Weltkrieg, und da haben insbesondere die Militärs doch ganz gewaltige Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen gemacht. Da solltest du einmal nachlesen, was C.v.Hötzendorf von Hindenburg gehalten hat (und umgekehrt ebenso).
Und doch noch einmal zu Hitler: nachdem er im 1.WK Gefreiter bei einem bayerischen Regiment war, besaß er keine österreichische Staatsbürgerschaft mehr, hatte aber auch keine deutsche. Um also Reichskanzler zu werden, mußte er erst um die österreichische ansuchen, damit er die zurücklegen und dann die deutsche annehmen konnte. A bissi kompliziert, aber so war es halt.
Antisemitismus mußten die Österreicher natürlich nicht von den Deutschen lernen, da reichten schon Schönerer, Lueger, die katholische Kirche und noch andere.
Fer aut feri ne feriaris feri!
Queen Elizabeth I.

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #19

Aha, also ein Tomaten  und Tschüssi  Sager.


Bitte, wenn schon, dann Tomaten- und Tschüssi-Sager, mit  den orthografisch nötigen Bindestrichen.

Aber warum schreibst du das? Du möchtest damit doch hoffentlich keine Ressentiments schüren, oder? Abstempeln Andersdenkender war Gestern. Kennst du Manfred denn so gut? Vielleicht sagt er ja privat auch "Grüaß di!" und "Pfiat di!" bzw. "Grüaß enck!" und "Pfiat enck!", oder er präferiert das lateinische "Servus" in abgeschliffener Form wie "Seass!"? Oder er bedient sich des "neudeutschen" "Hi!"... Woher nimmst du die Sicherheit?

Ich hoffe jedenfalls, dass du dich auch über "Ticket"-Automatenaufschriften mindestens so viel beschwerst als wie über "Tomaten-Sager". Nachdem wir das französische Billet  überwunden hatten, war doch Fahrschein  stets eine treffende und populäre Bezeichnung! Ach ja, verstehe, die unbezähmbaren Massen englischsprachiger Touristen in Graz, die unsere Öffis verstopfen und sich die Klinke in die Hand geben, und die ja keine Piktogramme verstehen. Die schätzen wir großspurig als zu dumm ein, ein paar wenige deutsche Ausdrücke zu lernen.

Es ist dagegen sehr lobenswert, dass du die steirische Landeshymne wieder ins Gedächtnis rufst, die das vielhundertjährige Herzogtum Steiermark vor dem Ersten Weltkrieg besingt. In der slowenischen Steiermark, der Štajerska, im "Wendenland am Bett der Sav'", fühlen sich viele Bewohner heute noch als Steirer (Štajerci/ Štajerke), das beweisen viele privat(wirtschaftlich)e Aufschriften wie Štajerski Autodom, Štajersko Vino, štajersko bučno olje uvm. Oft habe ich in Slowenien gehört: "Ah, ihr kommt aus Obersteiermark (=nördlich von Spielfeld). Hier ist Untersteiermark!" Ich finde ein Bewusstsein des gemeinsamen steirischen Erbes diesseits und jenseits der Staatsgrenze sehr förderlich für beide Teile.



Aber niemand ruft nach einer Groß-Steiermark.


Was zum Henker soll denn das wieder sein?!?
Was auch immer du damit meinst, ich hätte hier bei niemandem gelesen, dass er die Staatsgrenzen, die in der Folge des 1.WKs gezogen wurden, infrage stellen würde...



Und die Geschichte Österreichs mit der Deutschlands gleichzusetzen, ist hanebüchener Unsinn.


Wer  hat das wo  getan?
"Hanebüchen" meinst du? Bist du etwa ein "Tschüssi-Sager"?


Aber hier geht's ja um den 1. Weltkrieg, und da haben insbesondere die Militärs doch ganz gewaltige Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen gemacht. Da solltest du einmal nachlesen, was C.v.Hötzendorf von Hindenburg gehalten hat (und umgekehrt ebenso).


Und erst die Unterschiede zwischen dem tiefkatholischen Bayern, dem leichtlebigen Rheinland und dem spartanischen, pflichtbewussten Preußen. Na ja, die "vernachlässigbaren" Unterschiede zwischen Nord- und Süditalien sowie zwischen Nord- und Südfrankreich hast du sicher bedacht abgewogen...

Und überhaupt: Eggenberger sind keine Grazer, denn Eggenberg ist ja Eggenberg! Haben doch die "Nazifaschisten" 1938 die Arbeiterstadt Eggenberg einfach der Gauhauptstadt angeschlossen! Ohne lange zu fragen, eine Frechheit! Das gehört schnellstens rückgängig gemacht!

Aber ja, Kronzeuge C.v.Hötzendorf, der das Habsburger-Vielvölkerreich schon 1907 durch Präventivschläge gegen Italien und Serbien "retten" sowie Serbien und Albanien annektieren wollte. Wirklich reizend. Trotzdem Ehre seinen militärischen Verdiensten im 1.WK.


Antisemitismus mußten die Österreicher natürlich nicht von den Deutschen lernen, da reichten schon Schönerer, Lueger, die katholische Kirche und noch andere.



Haben wir's endlich geschafft: Einer wirft dem anderen vor, der noch größere  "Antisemit" zu sein... So isses brav und politisch korrekt!
  • Zuletzt geändert: Mai 09, 2014, 21:43:11 von Viator

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #20
Die Nationswerdung Österreichs hat sehr wohl mit dem ersten Weltkrieg zu tun, denn nach dem Willen der Siegermächte durfte sich das überbleibende Österreich indem etwa die Hälfte der 12 Millionen deutschen Bewohner der Monarchie lebten trotz diesbezüglichem Nationalratsbeschluss nicht an Deutschland anschließen. Und selbstverständlich hat die österreichische Geschichte mit der deutschen nach Herrn Wagners Meinung überhaupt nichts zu tun, außer dass die Habsburger jahrhundertelang außer österreichischen Erzherzogen nebenbei noch deutsche Kaiser waren. Und für einen unbedeutenden Dichter namens Goethe war Wien gar die deutsche Hauptstadt. Es gibt im deutschen Sprachraum in verschiedenen Gegenden für gleiche Dinge nun einmal verschiedene Worte. Ich muss daher keineswegs Tschüss und Tomate verwenden und spreche trotzdem noch deutsch, finde hingegen Ticket anstatt Fahrkarte mehr als unnötig. Und andere Ansichten und Feindschaften dürfen auch Personen gleicher Nationalität haben. Schließlich war Conrad von Hötzendorf ein Versager, der schon bei seinem überaus verlustreichen Feldzug gegen das kleine Serbien deutsche Hilfe benötigte. Und wenn C. Wagner meint, ein besserer Mensch zu sein, weil er ausschließlich Österreicher und kein Deutscher ist, so lasse ich ihn gerne in seinem Glauben, wenn diese Festlegung sein Wohlbefinden steigert.

  • Ch. Wagner
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #21
Auf Viators Beitrag einzugehen, lohnt sich nicht. Es mangelt ihm einfach an Faktenwissen.

Schau, Manfred, ich finde die Verenglischung genauso deppat wie die einstige Eindeutschung. Das früher durchaus übliche Trottoir ist ebenso verschwunden wie das Perron. Hinübergerettet hat sich noch das Lawur und die Pompfineberer. Goethe hatte zweifelsohne in seiner Eigenschaft als Geheimrat von Weimar, quasi als Minister also, durchaus gute Beziehungen zu Wien, dat er doch den Adelstitel durch Metternich bekommen und konnte erst dami auch am gleichen Eßtisch mit dem Herzog sitzen.
Später hat er auch noch den Adelstitel für Schiller, der ja in Württemberg als Fahnenflüchtiger galt, über Metternich erreicht.
Der berühmte Weißwurstäquator ist durchaus auch als Sprachgrenze zu sehen, man könnte das "Österreichisch" durchaus als Abart des Ostbajuwarischen bezeichnen. Allerdings haben sich besonders im Wien der Monarchie sehr viele, insbesondere slawische Ausdrücke im Arbeitermilieu breitgemacht, ebenso wie im Bürger- und Großbürgertum die französischen. Und so hat sich eben eine österreichische Hochsprache entwickelt. Ein Vergleich mit der Schweiz bietet sich an: ich halte das Schweizerdeutsch für eine eigene Sprache, die Kantone haben ihre eigenen Dialekte.
Ich bin natürlich kein besserer Mensch, weil ich Österreicher bin. Obzwar ich bei meine vielen Reisen als Österreicher freundlicher behandelt wurde uns werde, als wäre ich ein Deutscher. Und eir gehen, die Deutschen laufen. Und wir gehen in die Schule und die Deutschen zur Schule - und das erklärt doch schon den Unterschied.
Aber mir geht es am Oasch vorbei, ob Österreich im Fußball gewinnt, ob Conchita Wurst gewinnt, oder sonst was in der Art.
Aber Österreicher zu sein trägt schon auch zu meinem Wohlbefinden bei.

LG! Christian
Fer aut feri ne feriaris feri!
Queen Elizabeth I.

  • Metro5
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #22
Ich fühle mich als Deutscher und Österreicher, da meine Mutter aus Deutschland kommt und mein Vater aus Österreich. Ich sehe diese zwei Entitäten als Unterschiedliches an. Das sprachliche Argument ist zwar zentral (ist ja auch der deutlichste Beweis für die Unterschiedlichkeit  :ätsch: ), aber nichts Allumfassendes. In diesem Sinne könnte man ja auch meinen, dass es keine Belgier, Kroaten, Serben, Bosnier, Mazedonier, Amerikaner usw. gibt, da die auch keine "eigenen" Sprachen haben.

Was das Deutschsein im Bezug auf die Rolle Österreichs in der Nazizeit angeht: Man muss nicht Deutscher sein, um Nazi zu sein!

Hinzuzufügen ist: Das heutige Österreich hat seine kulturellen (und damit zu einem gewissen Grad sprachlichen) Wurzeln ja auch in den nicht deutschsprechenden Völkern der ehemaligen Donaumonarchie, eine Tatsache, die gern geleugnet wird und deren Komplexität wir uns erst langsam bewusst werden. In diesem Sinne: Die Mišung mocht's!

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #23
Jede Region in Deutschland hat seine eigene Sprache, die ich eher Dialekt nennen würde, seine speziellen Speisen usw. Daher brauchen wir uns nicht einzubilden etwas ganz besonderes zu sein. Und weil Vorarlberg sprachlich ganz anders ist als Ostösterreich, sollten wir das weder  ignorieren noch dieses Bundesland an Deutschland oder die Schweiz abtreten. Die dürfen hoffentlich auch ohne böhmische Küche und trotz dort unbekanntem Wort Paradeiser Österreicher bleiben.

  • Ch. Wagner
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #24

Jede Region in Deutschland hat seine eigene Sprache, die ich eher Dialekt nennen würde, seine speziellen Speisen usw. Daher brauchen wir uns nicht einzubilden etwas ganz besonderes zu sein. Und weil Vorarlberg sprachlich ganz anders ist als Ostösterreich, sollten wir das weder  ignorieren noch dieses Bundesland an Deutschland oder die Schweiz abtreten. Die dürfen hoffentlich auch ohne böhmische Küche und trotz dort unbekanntem Wort Paradeiser Österreicher bleiben.



Die Vorarlberger wollten aber zur Schweiz!
Fer aut feri ne feriaris feri!
Queen Elizabeth I.

  • Metro5
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #25
Die Vorarlberger leben in Österreich, haben einen österreichischen Pass und sind daher Österreicher. Ob jemand nun Allemannisch, Bairisch, Slowenisch, Kroatisch, Ungarisch, Romani, Schönbrunner Deutsch oder Türkisch spricht, spielt nicht die geringste Rolle, wenn er oder sie österreichischer Staatsbürger ist. Wie ich zuvor bereits geschrieben habe: Das deutsche Element ist sicherlich ein sehr zentrales Element in dem, was heute Österreich ist, aber es ist eben nur eines von mehreren. Die Frage, ob das "etwas ganz Besonderes" ist, ist dabei im österreichischen Kontext völlig irrelevant.

Mir gehen diese "Aber in Deutschland..."-Vergleiche ehrlich gesagt schon ziemlich auf die Nerven. Fakt ist, dass Österreich ein eigenständiger Staat mit einer eigenen Bevölkerungsstruktur ist. Und darum müssen wir Österreicher uns kümmern, ob's uns passt oder nicht. Den Bewohnern der Bundesrepublik sind wir nämlich für gewöhnlich schnurz-piepen-wurscht.

Jeder Österreicher, der sich ethnisch als Deutscher fühlt, hat absolut das Recht, sich so zu fühlen. Aber genauso hat jeder Österreicher, der sich als ethnischer Österreicher fühlt, ebenso das Recht dazu. Ich sehe wirklich keinen Grund, dies irgendjemandem abzusprechen.

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #26
Das ist ein sehr heikles Thema:

1. Es gibt sehr wohl - aus diversen Gründen - große Unterschiede zwischen den Deutschen und den Österreichern, insofern sind es schlichtweg zwei "Nationen", auch wenn in einigen Bereich der gleiche Dialekt (bairisch) gesprochen wird

2. Die Frage nach der österreichischen Nation beginnt aber spätestens 1804 als es das "Kaiserthum Oesterreich" gab, aber eigentlich schon zu dem Zeitpunkt, wo irgendwo in Niederösterreich das entstand, was nach 996 "Land im Osten" heißt

3. Die Babenberger und die Habsburger, also jene Dynastien, die u. a. das Gebiet des heutigen Österreichs regierten, hatten nichts mit "Nationen" im herkömmlichen Sinne am Hut, weil sie als Erbmonarchien schlichtweg dynastisch dachten (man erinnere sich an Kaiser Franz Josephs "An meine Völker!") - das Denken in "Nationen" ist ein zutiefst französische bzw. v. a. deutsche Sache, und hat, wie wir wissen, ziemlich viel Unheil angerichtet

W.
"Es gehört nicht zum Begriff der Demokratie, dass sie selbst die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Man muss auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen"
(Carlo Schmid, SPD, 1948)

  • Ch. Wagner
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #27

Die Vorarlberger leben in Österreich, haben einen österreichischen Pass und sind daher Österreicher.


Ich redete von der Volksabstimmung vom 11. Mai 1919, bei der 80% der Vorarlberger für die Einleitung von Verhandlungen zur Aufnahme in die Schweiz stimmten.

Heute sind nur mehr 70% dafür.

LG! Christian
Fer aut feri ne feriaris feri!
Queen Elizabeth I.

  • Metro5
Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #28
Zitat
3. Die Babenberger und die Habsburger, also jene Dynastien, die u. a. das Gebiet des heutigen Österreichs regierten, hatten nichts mit "Nationen" im herkömmlichen Sinne am Hut, weil sie als Erbmonarchien schlichtweg dynastisch dachten (man erinnere sich an Kaiser Franz Josephs "An meine Völker!") - das Denken in "Nationen" ist ein zutiefst französische bzw. v. a. deutsche Sache, und hat, wie wir wissen, ziemlich viel Unheil angerichtet


So ist es. Und zwar es vorrangig der deutsche, völkische Nationalismus, der dieses Unheil heraufbeschwört. Dies hat dazu geführt, dass die verschiedenen Volksgruppen des alten Österreich aufeinander losgegangen sind und einander schreckliche Dinge angetan haben.

Wenn ich von Österreich als eigene "Nation" spreche, so tue ich das nicht in dieser völkischen Tradition. Auf linguistischer Ebene lässt sich z.B. durch die weitläufige Beibehaltung dialektaler Eigenheiten, aber vor allem durch das Entstehen einer österreichischen - natürlicherweise stark vom Wienerischen beeinflussten - Umgangssprache, so etwas wie ein eigenständiges österreichisches Bewusstsein feststellen. Dies ist in Anbetracht der Eigenstaatlichkeit auch nicht weiter verwunderlich. Ich sehe mich z.B. als Sprecher dieses "Österreichischen", das sich in meinem Fall als ostmittelbairisch-südbairischer Übergangsdialekt mit ostslowenischen Einflüssen (Stichwort Zwielaute, z.B. "Wou hostn dejs hĩtaun?") charakterisieren lässt. An diesem Beispiel lässt sich ersehen, dass Sprache hier nicht der Determinator meiner (österreichischen) Identität ist, sondern umgekehrt meine Identität (mit)ausdrückt. Das lässt sich mMn überdies nicht an einzelnen Wörtern machen, ich sage auch oft "Tomaten"...

Ich bitte, nicht falsch verstanden zu werden: Ich will die Österreicher keineswegs aus ihrer Pflicht nehmen, sich ihrer Verantwortung für die angerichteten Verbrechen in der Nazizeit zu erinnern. Ganz im Gegenteil!

Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Antwort #29


Und zwar es vorrangig der deutsche, völkische Nationalismus, der dieses Unheil heraufbeschwört. Dies hat dazu geführt, dass die verschiedenen Volksgruppen des alten Österreich aufeinander losgegangen sind und einander schreckliche Dinge angetan haben.



Gegen diese sehr einseitige "Schuld"-Zuweisung möchte ich feierlichen Protest einlegen:

Mit dem Mündigwerden des einfachen Volkes, der Entstehung eines Bürgertums, der zunehmenden Emanzipation der Gebildeten von dem Allwissenheitsanspruch der Kirche und dem zunehmenden Infragestellen der Leibeigenschaft bzw. von Untertanentum begann bereits zur Zeit SCHILLERS die Entstehung eines demokratischen deutschen Nationalbewusstseins. Über alle Grenzen der führenden deutschen Großmächte Österreich und Preußen sowie die übrigen ~40 Fürsten- und Königtümer mit ihren selbstherrlich und mehr oder wenig absolutistisch sich gebährdenden Herrschern hinweg. Ein sich bildendes Volksbewusstsein war die logische Folge der zumindest geistigen allmählichen Befreiung aus dumpfem Untertanentum und Bevormundung. Bis dahin war es den Herrschern völlig wurscht gewesen, über was für Nationalitäten sie walteten, Hauptsache, diese bekannten sich zur Religion des Herrschers, ließen sich in dynastische Kriege schicken und stellten weiter keine Fragen.

Dieser deutsche Nationalismus war, im Gegensatz zu anderen, von Anfang an ein minderheitenFREUNDLICHER! Führende deutsche Forscher und Denker begannen sich im Verlauf der "Romantik" sogar mehr und mehr für die Slawen zu erwärmen (Russen, Tschechen, Polen, Kaschuben, Sorben, Windische/Slowenen usw.), deren Geschichte zu erforschen und pathetisch für jene kulturelle Rechte einzufordern. Die Ideen der französischen Revolution von 1789 wurden von der geistigen Elite Deutschlands von Wien bis Berlin und Königsberg begrüßt und Napoléon als "Befreier" von selbstherrlicher Aristokratie und Rückschrittlichkeit zunächst mit offenen Armen empfangen. Erst die Intoleranz des französischen Nationalismus (der keinerlei Minderheiten auf französischem Staatsgebiet leiden konnte: Bretonen, Normannen, Flamen, Okzitanier, Basken, Provenzalen, Elsässer und Deutsch-Lothringer) und Despotie sowie Zentralismus des französischen Imperiums, das Europa unterworfen hatte, schreckte die Deutschen zunehmend ab. Im Rahmen der Befreiungskriege gegen Napoléon, der so viele Deutsche in einen Krieg gegen Russland gezerrt hatte, entstand in deutschen Landen der minderheitenRESPEKTIERENDE, abstammungssensible völkische deutsche Nationalismus, im Gegensatz zum französischen Staatsnationalismus, der kein anderes Volkstum als das französische auf dem damals noch sehr vielvölkisch geprägten französischen Staatsterritorium anerkennen wollte.

Im Zuge der 1848er-Revolution gipfelte dieser liberale, deutsche Nationalismus in der Frankfurter Paulskirchenversammlung, in welcher ein neuer, demokratischer "groß"-deutscher Staat (also das gesamte, geschlossene deutschsprachige Siedlungsgebiet, aber  ohne Anspruch auf Territorien anderer Völker) ausgerufen wurde.  Ja, sogar um deutsche Freiwillige für ein Freikorps zugunsten der "von den Russen unterdrückten" Polen(!) wurde 1848 geworben!
Schlimmerweise wurde aber diese neue, freiheitlich-demokratische deutsche Reichsgründung von den damals noch übermächtigen, autokratischen Fürsten unter Schmähungen abgelehnt und deren Verfechter mit Waffengewalt bekämpft.
Das Schicksal ging überhaupt ganz andere Wege: Parallel zur liberalen, minderheitenfreundlichen deutschen Freiheits-Bewegung in Frankfurt 1848 fand in Prag zur selben Zeit der Panslawistenkongress statt. Dort wurde die Forderung erhoben, "endlich" alle Deutschen östlich der Linie Stettin - Triest zu vertreiben(!) Niemand wollte damals glauben, dass es nicht einmal hundert Jahre (1945) danach möglich sein würde, Abermillionen Menschen von Haus und Hof zu verjagen, nur weil sie Deutsch sprachen, und damit ganze Ländereien, weit größer als das heutige Österreich, zu entvölkern und durch andere, genehmere Bewohner unter Verödung weiter Landstriche teilweise neu zu besetzen. Solche Vorankündigungen verschlechterten natürlich das Klima zusehends, sodass leider auch das deutsche Nationalbewusstsein zugegebenermaßen immer weniger duldsam wurde. In der Folge begannen die sich an die Wand gedrängt fühlenden deutschen Österreicher sich immer aktiver den Forderungen tschechischer Österreicher in Böhmen und Mähren bzw. slowenischer Österreicher in Krain und der Untersteiermark usw. entgegenzustemmen; die Nationalitätenkonflikte der Habsburgermonarchie nahmen ihren Lauf.




  • Zuletzt geändert: Mai 13, 2014, 23:24:59 von Viator