Sollte der Preis eine derart große Rolle spielen müsste es aufgrund der jährlichen Preiserhöhung in der 1,75-fachen Menge des VPI eigentlich eine Abwanderung vom ÖV geben.
Vielleicht spielt es einfach keine Rolle, weil Menschen, die auf den ÖV angewiesen sind keine Alternative haben. Auch wer bereits ein gutes Angebot vorfindet und den ÖV schon zum Pendeln benutzt, ist offensichtlich bereits überzeugt. In diesem Segment mag die Preiselastizität gering sein.
Aus anekdotischer Evidenz (😊) kann ich dir aber zumindest für den Stadtverkehr berichten, dass es sehr wohl Menschen gibt, die erstmals mit der Jahreskarte Graz eine ÖV-Jahreskarte gekauft haben - sonst sind sie hauptsächlich mit dem Rad oder dem Auto unterwegs (andere Personen, aber auch dieselbe Person im Wechsel: Winter=PKW, sonst per Rad). Lohnt sich die Jahreskarte im Vergleich zu den (erwarteten) Einzelfahrten nicht, wird keine Jahreskarte gekauft. Besitzt man aber keine Jahreskarte, ist die Hemmschwelle den ÖV zu benutzen gleich höher (löst doch jede Fahrt direkt Kosten aus). Diese Personen kaufen sich keine Zonenkarte um 500€ für Graz.
Aus der Reihe Ideen, die nicht umsetzbar sind: Vielleicht müsste jede PKW-Zulassung zwingend den Kauf eines ÖV-Tickets vorschreiben?
Aber ich gebe dir recht: Wenn das Angebot (auch im Vergleich zu den Alternativen - in der Stadt für viele auch das Rad) wirklich sehr gut ist, spielt der Preis - für die, die es sich leisten können - nur mehr eine untergeordnete Rolle. Das ausgebaut werden muss, ist eh klar.
Da halte ich die Verkehrsstromsteuerung durch Preise bei Einzelfahrscheinen, wie es die ÖBB mit der Sparschiene, Flixbus oder Fluganbieter machen, sinnvoller.
Ich dachte du bist der Meinung, dass ÖV keine Nachfrage durch den Preis generieren kann?
Es ging darum, dass die Kosten für Mobilität hoch sind und Menschen bereit sind Geld dafür auszugeben. Sonst würde man ja nicht für ein Wochenende nach Mallorca fliegen oder eben einen beachtlichen Teil seines Gehalts für das private Kfz ausgeben.
In dieser Denke ist das Auto zwar durchaus teuer, aber eben ,,schon da", weil ,,notwendig" (manchmal wirklich, manchmal nur gefühlt). Die ÖV-Kosten fallen als zusätzliche Ausgabe emotional schwerer ins Gewicht, als sie rein rational-ökonomisch sollten. Der gesamte Mallorca-Urlaub kostet vermutlich weniger als die Hälfte des Steiermarktickets in der jetzigen Form und wird unter ,,Erholung/Urlaub" verbucht, nicht unter ,,notwendige Mobilitätsausgabe". Sieh es so: Auto+2 Mallorcaurlaube im Jahr oder Auto+Steiermarkticket...
Wenn solche Themen in den Medien präsent wären wie eben das Klimaticket oder das Steiermarkticket wäre der Druck aus der Bevölkerung wesentlich höher, es wäre also schon davon auszugehen.
Ich glaube Koralm- und Semmeringbasistunnel sind ein gutes Beispiel, dass teure Eisenbahninfrastrukturprojekte nicht bundesöffentlich in den Medien verhandelt gehören. Zumindest über die GKB-Elektrifizierung wird in den Regionalmedien ja schon berichtet (so oft wie diese Elektrifizierung medial schon gestartet wurde, müsste sie aber schon dreimal fertig sein). Mal schauen, ob das Land da in den Finanzierungsverhandlungen für das Klimaticket mit dem Bund etwas Bindendes ausbedungen hat.
Wieso besteht die Notwendigkeit den Steierinnen und Steirer eine Netzkarte für das gesamte Bundesland hinterher zu werfen?
Niemand spricht von hinterherwerfen. Auch bin ich nicht der Ansicht, dass das 1-2-3-Ticket unbedingt 1/2/3*365€ kosten muss (oder dass zB 600€ pro Stufe zu teuer wären) - nur dass sich der Preis für die Steiermark innerhalb eines bundesweiten Gefüges sinnvoll einzugliedern hat.
Das 1,2,3-Ticket wird ja erstmals eine Netzkarte für (quasi) den gesamten ÖV in Österreich ermöglichen - trotzdem gibt es auch bisher eine ÖBB-Österreichcard um 1900€. Da soll nur die Steiermark 2300€ wert sein? So viel Regionalbus fahren 99% der Käufer wohl nicht - wer regelmäßig so weite Strecken fährt, tut dies zuallermeist mit der Bahn. Dann eine (oder maximal zwei) Zone(n) dazukaufen und man kommt auf einen ähnlichen Preis.
2340€ nur für die Steiermark, wobei nur der Stadtverkehr Graz und die Bahnen (ja, ein paar brauchbare Regionalbuskorridore gibt es) ein gutes Angebot bieten, ist - zumindest mir - zu viel. Vielleicht schließe ich fälschlicherweise auf andere. Andererseits: In der Schweiz kostet ein Generalabo 2430 € (Kaufkraft-angepasst) - verschleudern die Eidgenossen ihr Ticket? Sollte besser jeder Kanton 2300€ (oder auf die Fläche gerechnet: für die Schweiz insgesamt 5800€) verlangen?
Und selbst wenn es so wäre ist es doch ein Armutszeugnis, dass ÖV-Kunden abwandern und scheinbar nur durch den Preis gehalten werden können
Zum MIV-Anteil am Modal Split möchte ich nicht weiter spekulieren, da fehlt mir einfach das Hintergrundwissen. Ad Armutszeugnis: Naja, in der Stadt gibt es auch Alternativen im Umweltverbund, da kann aufs Rad gewechselt werden, ohne nennenswert länger für seine Wege zu brauchen. Pro ÖV spricht dann nur die Bequemlichkeit und die Wetterfestigkeit, dagegen sprechen die Zusatzkosten und die Abhängigkeit (Takt; dank MIV im Stau gestanden etc...). Wer 40km pendelt kann nur vom ÖV aufs Auto oder umgekehrt wechseln, aber in der Stadt fällt der Wechsel leichter.
Die von dir geschilderten Punkte treffen genauso auf günstige Fahrkarten zu. Wo es kein Angebot gibt, hilft nicht einmal eine Gratisfahrkarte. Zumal die jetzigen Korridore auch nicht optimal bedient werden, wie einige User ja bereits erklärten.
Ich sage ja, dass das 1,2,3-Ticket nicht der alleinige Heilsbringer ist. Nur sehe ich es nicht als gesetzt an, dass der ÖV ausgebaut wird/das Angebot an Qualität gewinnt, nur weil die Ticketpreise höher sind.
Wenn die gesellschaftlichen Prioritäten entsprechend sind, ist es egal, ob die Fahrgäste 1/3 oder die Hälfte oder 0% direkt zur Finanzierung beitragen. Sonst müsste auch jede Angebotsausweitung zumindest anfangs, bis mehr Fahrgäste lukriert werden konnten, eine Preiserhöhung mit sich bringen.
So gesehen, ja: Lieber einen ÖV-Nulltarif als öffentliche Daseinsfürsorge zur Stimulierung einer Nachfrage zur politischen Überzeugung des Ausbaus, als ein mittelmäßiges Angebot zu hohen Preisen. Ein MIV-Gedanke: Ist die Straßenqualität (das gesamte Angebot, nicht nur die eine Prestigestrecke) in Ländern, die eine kilometerabhängige Maut einheben, besser als in Deutschland, wo der Staat (für PKW) einen Nulltarif bietet?