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Thema: Bauen für das Ego (2214-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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  • Torx
Bauen für das Ego
Ich hoffe hier einigermaßen richtig zu sein, aber in den Salzburger Nachrichten war ein interessanter Artikel und wenn man bedenkt dass in Graz nun Lioness und die WeGraz wieder Türme hinstellen wollen dann ist leider auch diese Stadt etwas davon betroffen...

http://www.salzburg.com/online/nachrichten/newsletter/Bauen-fuer-das-Ego.html?article=eGMmOI8Ven43STogydZPLoDYxjNigsqNgbadc7L&img=&text=&mode=

Bauen für das Ego

Bau. Sie schwebt nicht frei wie Kunst, sondern folgt einem Zweck: Wo Architektur das nicht tut, wird nur das Ego befriedigt - und die Lust der Investoren.

Abgerechnet mit der Baukunst des 20. Jahrhunderts hat Wilhelm Kücker. ,,Das Ego des Architekten" heißt sein Buch. Der 77-jährige Münchner Architekt und Architekturtheoretiker lässt auch ,,Heilige" der Moderne wie Le Corbusier oder Walter Gropius nicht ungeschoren. In neues Licht gerückt wird nicht nur die Theorie. Kücker seziert die Position der Architekten und ihre Werke in den Zwängen von Kommerzialisierung und medialer Übertreibung. Im SN-Interview erklärt er, warum Architekten keine Künstler sein können.

SN: Sie sagen, vieles in der Architektur des 20. Jahrhunderts lief und läuft falsch. Wie das?
Kücker: Es gingen die, die etwa in den 1920er Jahren begründeten, was wir mal salopp die Moderne nennen, radikal vor. Nichts durfte mehr sein, wie es war. Das stand ganz im Gegensatz zur bisherigen Entwicklung. Bis dahin passierte in der Baukunst eine allmähliche Veränderung und Weiterentwicklung. Angeblich verlangten damals aber die Zeit und die Umstände ein solch radikales Vorgehen.

SN: Was heißt das?
Kücker: Das Neue bei den Modernen oder den Modernisten ist, dass sie keine Reform, sondern Revolution wollen. Sie berufen sich auch auf soziologische Änderungen. Sie behaupten, dass sie auf durch die Hochindustrialisierung geschaffene Armut reagieren. Die Menschen, für die das angeblich gebaut wurde, lehnten das ab.

SN: Das Ego des Architekten also...
Kücker: Die meisten der Begründer der Moderne, wie Gropius oder Mies van der Rohe etwa, stammten ja aus gutem Bürgertum, die dachten, dass sie besser als der einfache Malocher wüssten, wie er wohnen will, was gut für ihn ist.

SN: Le Corbusier, Gropius, Mies van der Rohe gelten aber als Säulenheilige.
Kücker: Da muss man zwei Punkte trennen. Innerhalb dieser Bewegung gab es ein paar Highlights, Architekturen des Minimalismus, die inzwischen zurecht als klassisch gelten. Aber es gab eben auch eine Überheblichkeit. Etwa bei Le Corbusier, der ist eine zwiespältige Person. Er schuf große Sachen, die ja eher freie Kunst als Architektur sind. Aber in seinen schriftlichen Äußerungen überzog er total. Seine Ideen zum Städtebau sind aberwitzig. Und dann gibt es da diesen Gropius, der ist für mich gar kein Architekt - er konnte ja selbst nicht zeichnen! Deshalb musste er andere ausnutzen und hat das aber nie gesagt. Stattdessen stammt von ihm die unmögliche Bemerkung, dass die Menschen ohnehin nicht wüssten, was sie brauchen, und er und seine Kollegen es ihnen zeigen müssten.
SN: Wo ist die Grenze zwischen freier Kunst und Architektur?
Kücker: Architektur kann nicht reine Kunst sein. Sie muss einen trivialen Zweck erfüllen, Behausung oder Schutz schaffen. So ist sie abhängig von Umständen, auf die freie Kunst nicht Rücksicht nehmen muss. In der Historie war das sicherlich auch anders. Vielleicht ist das ja auch ein Umstand, den Architekten heute nicht hinnehmen und nur schwer ertragen wollen: Die Position, als Architekt ein Künstler sein zu wollen, die wurde nur ungern aufgegeben.


SN: Den Rahmen Ihres Buches bilden Zitate von Thomas Bernhard und Erich Kästner, der eine sagt alles stumpfsinnig und zerstört, der ander sagt, ja zum Teufel ich weiß nicht, wo etwas Positives zu finden ist. Gibt's keine Lichtblicke?
Kücker: Nun, es ist doch eine Überforderung mehr zu erwarten, als dass man Finger in Wunden legt. Zwei Dinge, die unsere Zeit so stark prägen, müssen jedenfalls immer schief gehen: Profitarchitektur und Eventarchitektur. Mehr und mehr entstehen Bauten, deren Finanziers Investoren sind, die nur Geld verdienen wollen. Das steht im Gegensatz zum Bauherren, der etwas für sich selbst machen lässt. Diese Kommerzarchitektur wird aber nicht zu bremsen sein. Anderseits gibt es Event architektur, die aberwitzige Konstruktionen entwirft. Man baut nur mehr Zeichen, Großformen - das kann es doch nicht sein.

SN: Und was kann es ein?
Kücker: Wunderbare Ansätze passieren im Regionalen. Da muss man Österreich - etwa Steiermark und Vorarlberg - und die Schweiz hervorheben. Da entstehen Bauten, die ganz von heute sind und einen hohen Wert haben durch die Zuwendung, die Architekten ihrem Werk geben. Da muss man in der Schweiz etwa Peter Zumthor nennen. Der ließ wunderbare Dinge entstehen.

SN: Diese Kleinheit widerspricht aber einer medial durchdrungenen Welt, die nur auf Superlative setzt.
Kücker: Wenn ich von guten, regionalen Dingen spreche, ist das in Zahlen und Quantität freilich vernachlässigbar. Aber so war das doch mit Qualitäten schon immer. Man kann aber Anspruchsvolles, Hochwertiges nur in kleinerem Rahmen schaffen. Eventarchitektur, Eventbauten, Kommerzbauten - da sind viele Dinge aus dem Maßstab gefallen.

SN: Haben Sie dieses Buch denn aus Zorn oder Liebe geschrieben?
Kücker: Aus beiden. Ich bin alt genug, einige Dinge schon lang zu überblicken. Da gibt es Enttäuschungen über vieles. Ich bin Architekt mit großer Leidenschaft und propagiere hier, was ich schon auch selbst gelebt habe.

Umso mehr empfinde ich Enttäuschung, dass die Dinge so schnell den Bach runtergehen. Diese Geschichte ist eine Liebe - und deshalb eine Enttäuschung.