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Thema: Das verschandelte Land - Tarek Leitner greift das Thema auf (2471-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Das verschandelte Land - Tarek Leitner greift das Thema auf
Quelle: http://www.kleinezeitung.at/nachrichten/chronik/3128687/verschandelte-land.story

Das verschandelte Land


Shoppingzentren, Lärmschutzwände, Plakatwände, Straßen: Ein Buch von ORF-Journalist Tarek Leitner befeuert den Ärger über die "Verschandelung des Landes". So werden etwa in Wien, Salzburg und Graz Stimmen lauter, die wieder mehr lebenswerte Flanierfläche fordern.

Im steirischen Liezen und im oberösterreichischen Attnang-Puchheim ist man mäßig entzückt. Der Grund liegt in Tarek Leitner, "Zeit im Bild"-Moderator und neuerdings Buchautor. In seiner Streitschrift "Mut zur Schönheit" geißelt der ORF-Journalist die zunehmende "Verschandelung Österreichs" und führt die beiden Städte als Beispiele für objektiv hässliche Orte an.

Die Diskussion, die Leitner damit befeuert hat, geht jedoch weit über den gekränkten Stolz einzelner Stadtbewohner hinaus. Seine Schilderung hat Wucht: Ein Wildwuchs an Einkaufszentren, Schnellstraßen, Lärmschutzwänden, Fast-Food-Tempeln und Reklameflächen gepaart mit einer konzeptlosen Raumordnung verunstalte das Land zunehmend. "Wir können doch nicht so viel verwahrloste Umgebung hinnehmen!", schreibt der Journalist.

Dass er damit einen Nerv getroffen hat, zeigt sich nicht nur an Leitners "überquellendem E-Mail-Eingang", seit das Buch im Handel ist. Tatsächlich sind es immer mehr Menschen, die gegen eine Entwicklung zu Felde ziehen, die sie als zunehmend störend empfinden. Beim österreichischen Ökobüro, das Bürgerinitiativen Rechtshilfe bietet, spricht man von einem deutlichen Anstieg an Anfragen in den letzten Jahren. "Den Leuten ist es nicht mehr egal, wie es um sie herum aussieht, sie sind alarmierter als früher", sagt der Umweltjurist Lukas Wachter.

So werden in Wien, Salzburg und Graz wieder Stimmen lauter, die die Autos aus den Kernen der Städte zurückdrängen wollen, um wieder mehr lebenswerte Flanierfläche zu haben. Graz macht sich zudem Gedanken, das Dickicht aus Werbeflächen auszuholzen. "Die ewig dahinziehenden Plakatwände müllen die Stadt optisch zu, das Flair wird zerstört", klagt Gertraud Strempfl-Ledl vom internationalen Städteforum. Und die allzu grelle Dauerbeleuchtung in der Stadt, einst stolzes Zeichen von Modernität, stört mittlerweile längst nicht nur Astronomen, die sich am getrübten Blick auf die Sterne im Umfeld von Graz stoßen.
Das objektiv Schöne

Doch ist es überhaupt zulässig, das alles pauschal als hässlich abzukanzeln? Der Streit ist so alt wie der Begriff der Ästhetik selbst. "Vieles, was wir heute schön finden, galt vor Jahrzehnten noch als unästhetisch und umgekehrt", sagt der Wiener Soziologe Otto Penz. "Solche Zuschreibungen können sich rasch ändern." Und doch gibt es Eigenschaften, die über Geschichte und Kulturen hinweg als ästhetisch betrachtet werden. "Es gibt objektivierbare Kriterien für Schönheit, auch für unsere Umgebung", sagt der Philosoph Konrad Paul Liessmann. "Wird sie unansehnlicher, führt das zu einer Verrohung der Gemüter."

Tatsache jedenfalls ist, dass laut Umweltbundesamt in Österreich jedes Jahr 25 Hektar Fläche durch Bauten versiegelt werden. "Straßen, Kraftwerke, Skilifte: Es wird quer durch die Landschaft gebaut. Das sieht fürchterlich aus, die Leute haben das satt", sagt Gerhard Heilingbrunner, Präsident des Umweltdachverbands.

Mitschuld an diesem Wildwuchs ist eine traditionell ungeordnete Raumordnungspolitik. In weiten Teilen der Ost-, Süd- und Weststeiermark dominieren Orte ohne Kern, Häuser wurden errichtet, wo es gerade gefiel, die Verhüttelung ist grenzenlos. Wo sich dennoch Zentren bildeten, folgte bald eine Umfahrungsstraße, an der sich neue Zentren ansiedeln - diesmal aber in Form von Fachmarkt-Containern, Diskontketten und Parkplatzzeilen.

So gesehen kein Wunder, dass die Sehnsucht nach schöner Umgebung größer wird. Paradoxerweise ist es aber gerade der daraus resultierende Massentourismus, der mit Skiliften, Rodelbahnen und Schneedörfern dafür sorgt, dass auch entlegene Alpenregionen ein neues Antlitz bekommen. Der Dachstein erhielt einen Skywalk, am Warscheneck im Toten Gebirge entsteht bald eine neue Skischaukel. "Unsere Berge werden immer mehr für Events inszeniert und verschandelt", ärgert sich Alpenvereinsobmann Christian Wadsack.

Buchautor Tarek Leitner hofft dennoch auf ein Umdenken, weg vom reinen Nutzendenken. "Denn was einmal hässlich verbaut ist, ist für immer verloren."
GÜNTER PILCH

"Wir lassen uns die Schönheit abkaufen"

Es zählt nur Wirtschaftlichkeit, sagt Tarek Leitner.

Bei der Lektüre Ihres Buches gewinnt man den Eindruck, Sie haben sich einen lange aufgestauten Ärger von der Seele geschrieben. Wie ist es dazu gekommen?

TAREK LEITNER: Ich habe über die letzten Jahre so einiges beobachtet, das sich in meiner Umgebung verändert hat. Zu vielen mir unverständlichen Dingen habe ich mir Notizen gemacht, und da hat sich einiges zusammengesammelt. Jetzt ist es mir darum gegangen, die Ursachen zu finden, warum wir uns das gefallen lassen.

Liegen Schönheit und Ästhetik nicht immer im Auge des Betrachters?

LEITNER: Es geht dabei nicht um Geschmack, sondern um Verschandelung, und die ist weitgehend objektivierbar. Wenn man eine große Gruppe von Menschen an ein paar spezielle Orte unseres Landes stellt, werden alle sagen: Hier ist es "schiach".

Es gibt Städte, die manchen gefallen, anderen nicht. Der eine hat recht, der andere unrecht?

LEITNER: Bei einer solchen Beurteilung geht es schon um Subjektives. Aber oft ist es ja so, dass so viele Verschandelungen vorhanden sind, dass eben kaum noch jemand sagt, hier möchte ich bleiben und einen Kaffee trinken. Das halte ich für eine Art Messlatte. Immer wenn wir Erholung oder eine Auszeit brauchen, suchen wir Orte auf, die schön sind. Von denen gibt es aber immer weniger.

Warum lassen wir es zu, dass unsere Umgebung durch Einkaufszentren, Lärmschutz- und Plakatwände verunstaltet wird?

LEITNER: Wir lassen uns die Schönheit im Namen der Wirtschaftlichkeit abkaufen. Oft geht es da nur um ein paar Cent. Wir sollten uns fragen: Ist es das wirklich wert, damit ich dann nur fünf Minuten und nicht acht zum nächsten Geschäft brauche? In Wahrheit brauchen wir all diese großen Agglomerationen von Geschäften an den Umfahrungsstraßen nicht. Dadurch geht etwas anderes verloren, das viel mehr wert i st.

INTERVIEW: GÜNTER PILCH
GÜNTER PILCH

Fakten

Der Autor: Tarek Leitner, geboren 1972 in Linz, begann seine journalistische Laufbahn beim Landesstudio Oberösterreich. 1997 wechselte er als innenpolitischer Redakteur zur "Zeit im Bild" in Wien. 2001 arbeitete er als Leiter des ORF-Büros in Brüssel. Derzeit moderiert er die "Zeit im Bild 1" um 19.30 Uhr an der Seite von Marie-Claire Zimmermann. Leitner ist mehrfacher Romy-Preisträger.

Das Buch: Mut zur Schönheit. Streitschrift gegen die Verschandelung Österreichs. Brandstätter Verlag, 202 Seiten, 22,50 Euro.

Re: Das verschandelte Land - Tarek Leitner greift das Thema auf
Antwort #1
Solche Leute sollte man Raumplanung  machen lassen  :one: