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Thema: Letztes Geleit für niederösterreichische Nebenbahnen (3590-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Letztes Geleit für niederösterreichische Nebenbahnen
Letztes Geleit für Nebenbahnen

Von einigen Regionalbahnen in Niederösterreich heißt es Abschied nehmen. Viele Fahrgäste sind darüber empört.




Kampfansagen bei der Kundgebung am Bahnhof Scheibbs

Nur weil er noch ein Erinnerungsfoto vom Zug machen wollte, hätte es für einen Fahrgast beinahe bitter geendet - fast wäre ihm die Garnitur davongefahren. Während er auf den Auslöser drückte, nahm der letzte Schienenbus nach Schwarzenau bereits Fahrt auf. Karl Grünstäudl, Aufsicht am Bahnhof in Zwettl, hat rechtzeitig reagiert und den Lokführer noch zum Anhalten bewegt.

"So viele Gäste wie heute sind nur selten mitgefahren. Sie hätten schon früher mit uns reisen müssen", sagte Grünstäudl, der gestern kurz nach 19.30 Uhr - wehmütig - das Wartezimmer für immer zusperren musste. Nach 114 Jahren wurde der Personenverkehr auf der Nebenstrecke zwischen Schwarzenau und Zwettl im Waldviertel stillgelegt. Davor nahmen Ex-Bahnbedienstete, Grün-Mandatare, regionale SP-Politiker und Gewerkschafter in einem Trauerakt Abschied.

Rund 60 teils schwarz gekleidete Bürger kamen gegen 10 Uhr vor dem Bahnsteig in Zwettl zusammen und nahmen einen der letzten Personenzüge in Empfang. Sie hielten Transparente und Trauerbänder. "In ewiger Trauer - die Schüler von Waidhofen/Thaya und Zwettl" oder "Wir trauern um den Personenverkehr" war zu lesen. Dann marschierten sie als Trauerzug - mit Musik und pechschwarzem Sarg - in die Stadt zur Kundgebung.

Erlauftalbahn

Für die Grünen liegt NÖs Verkehrspolitik am Boden. "660.000 Zugkilometer wurden 2010 gestrichen. Desaströser geht es nicht. Um auf die richtige Schiene zu kommen, braucht es andere Zuständige", fordert die Grüne Amrita Enzinger. Für SP-Konrad Antoni ist es falsch, Regionalbahnen einzustellen. Sie seien das wirtschaftliche Rückgrat der Region.

Weniger Aktionismus, dafür ebenso große Betroffenheit und Verärgerung über die ÖBB war gestern Nachmittag am Bahnhof Scheibbs zu erleben. Die letzten Personenzüge fuhren gestern auf der Erlauftalbahn zwischen Scheibbs und Kienberg. 60 Interessierte kamen dem Aufruf des Vereins "probahn" zur Protestkundgebung nach. Viele beteiligten sich an der Abschiedsfahrt. Mandatare von den Grünen, der VP und FP, aber auch Private sparten nicht mit Kritik. Die ÖBB und die Verkehrspolitik von Land und Bund wurden ins Visier genommen. Weil die Bahn auch den Güterverkehr ins innere Erlauftal abdreht, gibt es eine Welle der Empörung. 3000 Holz-Lkw werden jährlich auf die Bundesstraße gezwungen. Gegen den Lärm, das Sicherheitsrisiko und die vermutete ÖBB-Taktik, dass bald die ganze Erlauftalbahn bis Pöchlarn gesperrt wird, wurde heftigster Widerstand angekündigt.

Eingestellt: Diese Linien sind Geschichte

Änderungen Mit heutigem Datum tritt die Übernahme von 28 Nebenbahnen durch das Land in Kraft. Für 26 Linien, von denen mehr als die Hälfte längst nicht mehr betrieben werden, ist nun Schluss. Dazu gehören ab sofort die Donauuferbahn, die sogenannte "Krumpe" von Obergrafendorf nach Mank und der Großteil der Ybbstalbahn. Nur die Mariazellerbahn und die Ybbstalbahn in Waidhofen/Ybbs werden im Regelbetrieb weitergeführt. Außerdem haben die ÖBB die Personenzüge auf zwei Nebenbahnen per 12. Dezember eingestellt - und zwar von Scheibbs nach Kienberg-Gaming und von Schwarzenau nach Zwettl.


Quelle: Kurier

Re: Letztes Geleit für niederösterreichische Nebenbahnen
Antwort #1
Hier eine Stindl-Powerpointpräsentation zum Thema Nö Nebenbahnen:

Re: Letztes Geleit für niederösterreichische Nebenbahnen
Antwort #2
Interview mit Friedrich Zibuschka

Im Zuge der Vorbereitung eines Ybbstalbahn-Buches
führten Dieter Zoubek und Dieter Stanfel mit dem
niederösterreichischen Landesverkehrsplaner
Friedrich Zibuschka ein ausführliches Interview.
DIE SCHIENE kann einige Kernpassagen daraus
abdrucken.


Stanfel: Sprechen wir über die Einstellung der Ybbstalbahn, bzw.
eines Großteils der Strecke. Die Straße ist wenig krisensicher bei Problemen
der Natur wie etwa Hochwasser oder Lawinen. Die Schiene
als zweiter Transportweg bietet doppelte Sicherheit. Wird das nicht
bedacht? Das Straßennetz um Waidhofen ist bereits jetzt überlastet
und es kommt zu regelmäßigen Stauungen. Damit bekommen auch
die Autobusse Verspätungen. Das wird zukünftig sicher nicht weniger
werden. Weitere Verspätungen entstehen durch Witterungseinflüsse
etwa im Winter. Die Bahn ist davon unabhängig. Warum wird auf
diese Möglichkeit verzichtet?


Zibuschka: Wir haben uns die Entscheidung ja nicht leicht gemacht.
Wir diskutieren sie seit mehreren Jahren. Weil ja erkennbar war, dass
die ÖBB und der Bund sich aus der Fläche zurückziehen. Wir haben
den Rettungsversuch mit dem Vertrag von Gösing gemacht. Da war
ja die Schmalspurbahn im Wesentlichen betroffen - Mariazellerbahn,
Ybbstalbahn, Waldviertel - der Bund war nur bereit auf maximal 5
Jahre die Bahn noch zu fahren und dann heißt es sinngemäß ,,nehmt
es oder lasst es".
Wir haben uns damals bereits mit den Regionen überlegt, was können
wir jetzt tatsächlich aus dieser Situation machen und haben uns
natürlich auch die Ybbstalbahn sehr genau angesehen.
Zum Zeitpunkt der Übernahme durch uns ist ja die Ybbstalbahn nur
mehr auf dem Abschnitt von Waidhofen nach Gstadt gefahren. Eine
Ursache waren Unwetterschäden. Die ÖBB haben gesagt, wir werden
von uns aus die Unfallschäden nicht mehr reparieren.
Daher haben wir mit der Region überlegt, mit den Bürgermeistern,
aber auch dem regionalen Entwicklungsverband. Und haben die Fahrgastströme
analysiert, wo ist Schüler- und Regelverkehr, wo ist hauptsächlich
Tourismusverkehr. Da zeigt sich sehr schön, dass 70 % des
Fahrgastaufkommens - und zwar als die Bahn noch zur Gänze in Betrieb
war - am Abschnitt in Waidhofen war, weil dort die Schüler sind.
Rund 2.000 Schüler, die dort jeden Tag in die HTL und in die AHS
fahren, und die aus dem Raum Amstetten und Weyer kommen mit
der Bahn und sind in Waidhofen auf die Schmalspurbahn umgestiegen.
Der Rest der Strecke wies eher geringe Inanspruchnahme auf.
Es war uns klar, wenn man die Bahn wieder in Betrieb nimmt, muss
man Geld in die Hand nehmen, um sie wieder herzurichten. Wenn
sie hergerichtet ist und einen Regelbetrieb auf der Bahn fährt, kommt
hinzu, man muss die Strecke erhalten und man muss dann auch das
Defizit tragen. Die ÖBB hatte einen Kostendeckungsgrad von 3-4 %,
selbst wenn man es auf 7-8 % erhöht - wollen wir es verdreifachen -
also mehr als 10 % Kostendeckung wird auf der Strecke nicht sein.
Unsere Überlegung gemeinsam mit der Region war, dort wo 70 % des
Verkehrsaufkommens sind, dort lassen wir die Bahn. Daher ist es
so, dass jetzt als Citybahn zwischen Gstadt und Waidhofen weiterhin
die Bahn fährt.
Und dann war die Frage, wie machen wir den Regelverkehr in der
Region? Und dazu hatten wir auch Angebote - etwa von der Ybbstalbahngenossenschaft.
Wir haben natürlich mit den Leuten gesprochen.
Aber Faktum ist immer - das gilt für alle in strukturschwachen
Regionen vorhandenen Bahnen - es rechnet sich nicht zur Gänze,
das ist klar. Es gibt ein Defizit, das gibt's auch beim Bus, ganz klar.
Die Frage ist nur, wie hoch ist es und wer bezahlt es? Also bei der
Bahn ist es klar - wir müssten die Strecke wieder herrichten. Wenn
wir sie bis Lunz hinauf machen - 18, 20 Millionen Euro. Zweitens,
die Infrastrukturerhaltung. Das Ganze wäre ja eine Privatbahn, das
heißt, der Bund zahlt ja nicht mehr 100 % der Infrastrukturerhaltung,
sondern maximal 50 %, eher noch weniger.
Und wenn man das jetzt gegenüberstellt, dann war aus unserer Sicht
klar, wir fahren im Busbetrieb, wir bieten auch die Verbindung ins
Erlauftal an. Wir belassen aber die Bahn dort, wo sie den meisten
Effekt hat.
Machen wir einen Radweg oder einen Tourismusverkehr? Auch das
haben wir im Rahmen des regionalen Entwicklungsverbandes besprochen.
Dort gab es einen einstimmigen Beschluss der Region:
Wir wollen den Radweg.
Und den planen wir jetzt. Umgesetzt ist die Stadtbahn - die Citybahn,
umgesetzt ist das umfassende Bussystem und in Planung ist das
Radsystem. Und - vielleicht noch etwas - es gibt ja den Verein, der
von Kienberg-Gaming hinauf nach Lunz die Strecke betreut, denen
wir auch helfen, laufend Mittel zur Verfügung stellen. Und denen wir
angeboten haben, wenn sie wollen, können sie von Lunz bis Göstling,
die Strecke verwenden, weil das da eine Bergstrecke ist, was ganz
interessant ist. Wir machen da keinen Druck, wenn sie wollen und
das notwendige Personal haben, stellen wir das zur Verfügung. Dort
brauchen wir keinen Radweg, weil dort gibt's ihn schon.

Stanfel: LH Pröll hat ja gesagt, für den Radweg kann er bis zu
9 Mio ausgeben, mit dem Geld könnte man - probeweise zumindest
einmal - die Bayerische Oberlandbahn ein paar Jahre fahren lassen
und das Ergebnis ansehen, um herauszubekommen, ob das nicht
doch machbar ist und ob die nicht doch einen sparsamen Betrieb
führen können.


Zibuschka: Also wir haben uns sehr intensiv mit dem Angebot der
YEG und der BOB auseinandergesetzt, also diese Zahl mit 3,8 Mio,
das ist der ganze Busverkehr, denn wir fahren bis ins Erlauftal hinüber
plus den Betriebsabgang der Citybahn und die, obwohl sie die
meisten Fahrgäste hat, auch noch einen Betriebsabgang hat.
Wir haben uns dann ausgerechnet, was kostet dann das einmalige
Wiederherstellen der Gleise, dann komm ich auf 23 Mio, alles
zusammen. Das Hauptproblem sind natürlich die jährlichen Kosten.
Also muss man dann seriös sagen Bus oder Bahn. Daher haben wir
in Abwägung der Aspekte gesagt, das können wir uns nicht leisten.

Zoubek: Ein Modellfall ist der Pinzgau im Land Salzburg, wie war
das nun bei der Ybbstalbahn? Hat das Land Niederösterreich Mittel
bekommen, um die Bahn zu übernehmen?


Zibuschka: Wir bekommen Geld, in mehreren Tranchen 72,5 Mio
Euro für das ganze Netz, aber wir übernehmen ein wesentlich größeres
Paket. Aber wir haben alle Strecken mit einem Gutachter besucht
- gemeinsam - damit, wir gleiche Zahlen haben. Sie wissen ja, wir
haben auch die Mariazellerbahn übernommen, wir werden auch die
Mariazellerbahn herrichten, so wie die Pinzgauer die Pinzgaubahn
herrichten, die neuen Fahrzeuge sind bestellt, wir werden da - so
glaube ich - eine sehr gute Lösung hinkriegen.

Stanfel: Auf der Mariazellerbahn sind etwa gleich viel Fahrgäste pro
Jahr wie auf der Ybbstalbahn, abgesehen von den allerletzten Jahren,
wo sie immer wieder eingestellt war. Es sind etwa zwischen 500.000
und 600.000/Jahr auf der Ybbstalbahn und ungefähr dasselbe haben
wir auch auf der Mariazellerbahn. Die Ybbstalbahn lässt man
komplett fallen und die Mariazellerbahn baut man aus. Wo sind da
die Differenzen?


Zibuschka: Wir haben zwischen 400.000 und 600.000 auf der
Ybbstalbahn und 600.000 bis 800.000 auf der Mariazellerbahn. Der
Unterschied ist nur: 70 % der Zahlen auf der Ybbstalbahn sind Schülerverkehr
in Waidhofen, dort fahren wir ja auf der Schiene weiter.
Auf der Mariazellerbahn geht ja die Talstrecke bis Laubenbachmühle,
also der Schüler- und Pendlerverkehr, dort sind auch die ganzen
Orte im Tal drinnen. Das ist aber genau die Hälfte: Eine Hälfte ist
Talstrecke, die andere Hälfte ist Bergstrecke. Da teilt es sich auch:
unten die Pendler und Schüler, oben die Touristen. Aber wir bedienen
das Pielachtal in der Gesamtlänge für Schüler und Pendler, das sind
40 km. Auf der Ybbstalbahn sind nur auf 5 km 70 % der Fahrgäste.
Das muss man in Relation setzen. Wenn das Geld da wäre, wäre
es etwas anders.

Friedrich Zibuschka ist neben seiner Tätigkeit für das Land Niederösterreich
Professor an der Universität für Bodenkultur und unterrichtet
dort Gesamtverkehrsplanung und Verkehrspolitik. Vor seiner Tätigkeit
für den öffentlichen Dienst war er Bauleiter bei der Baufirma Teerag-
Asdag.


Quelle: Die Schiene; 5, 2011

Niederösterreichische Nebenbahnen
Antwort #3
Neustart für die Krumpe: Radweg und Museumsbahn in Startlöchern



Die Dampflok Mh.6 könnte - wie hier bei der Abschiedsfahrt im Dezember 2010 - in absehbarer Zeit wieder von Ober-Grafendorf nach Mank dampfen.

MANK/OBER-GRAFENDORF. Eine Studie über die Nachnutzung der Bahntrasse der Krumpe wurde in Auftrag gegeben. Die Strecke bleibt im Museumsbetrieb erhalten, auch ein durchgehender Radweg soll kommen.

Vor einigen Wochen trafen sich die Bürgermeister der Gemeinden von Mank bis Obergrafendorf mit dem Verkehrsplaner des Landes Niederösterreich, Friedrich Zibuschka. Thema war die künftige Nutzung der Krumpen-Bahntrasse. ,,Für uns Bürgermeister war dabei immer ein Rad- und Gehweg von Mank nach Ober-Grafendorf vorrangig. Wir haben Professor Zibuschka aber mitgeteilt, dass die Gemeinden für die Errichtung eines solchen Weges keine finanzielle Beteiligung leisten können, für die Erhaltung hingegen schon", berichtete Bischofstettens VP-Bürgermeister Reinhard Hager.

NÖVOG setzt sich für einen ,,Bahnaktivpark" ein

Der Geschäftsführer der NÖ Verkehrsorganisationsgesellschaft (NÖVOG), Gerhard Stindl, präsentierte den Bürgermeistern seine Überlegungen für ein Schmalspurkompetenzzentrum in Ober-Grafendorf. Stindl will die Krumpe in weiterer Folge für nostalgische Dampf- und Dieselzüge
verwenden.

Projektstudie wird im Oktober vorliegen

Daraufhin wurde ein Ziviltechniker mit der Ausarbeitung einer Projektstudie beauftragt. Während eine Radweg-Variante die Bahntrasse und bestehende Wege beinhalten wird, wird die zweite Möglichkeit ohne Benutzung der Bahntrasse erstellt. Verkehrsplaner Zibuschka ließ im Tips-Telefonat durchklingen, dass die Kombination einer Museumsbahn zusammen mit einem durchgehenden Radweg die wahrscheinlichste Variante sind: ,,Ein Radweg auf der Trasse der Bahn wird sicher nicht gemacht. Das Land strebt hier die Errichtung eines Bahnaktivparkes mit Museumsbahn an. Wenn die Gemeinden es wollen, wird zusätzlich ein durchgehender Radweg errichtet. Wie bei allen derartigen Projekten wollen wir einen breiten Konsens mit allen betroffenen Gemeinden erzielen."


Quelle: Tips.at

  • 4020er
  • Styria Mobile Team
Re: Letztes Geleit für niederösterreichische Nebenbahnen
Antwort #4
Zitat
Stindl will die Krumpe in weiterer Folge für nostalgische Dampf- und Dieselzüge verwenden.

Wär doch was! :D
A developed country is not a place where the poor have cars. It's where the rich use public transport.
-Gustavo Petro