Graz: Starke Kritik an Öffis-Plänen von schwarz-grünquelle:
kleine.atVerein Fahrgast kritisiert städtische Öffi-Pläne als zu lax. Die Tram-Entflechtung der Herrengasse ist "zu wenig ambitioniert", um Grazer nachhaltig zum Umsteigen zu bewegen.
Das Ziel ist wahrlich hoch gesteckt: Schwarz-Grün will den Autoanteil in Graz um fünf Prozentpunkte auf 40 senken. Im Gegenzug sollen im so genannten Modal Split 60 Prozent aller Wege mit dem Rad, zu Fuß und vor allem mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurückgelegt werden.
"Das wird eng, geht sich so nicht aus", hat nun der Verein Fahrgast berechnet. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten nämlich täglich um 40.000 Menschen mehr mit Bus oder Tram unterwegs sein. Und das sei mit dem Öffi-Ausbauprogramm niemals zu schaffen.
Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne) hat ja erklärt, dass der Nahverkehrsknoten am Hauptbahnhof sowie die Entflechtung der zu eng gewordenen Herrengasse oberste Priorität haben. Alle anderen geplanten Tram-Verlängerungen müssen dafür warten.
Stefan Walter vom Verein Fahrgast begrüßt zwar das Aufbrechen des Nadelöhrs Herrengasse ausdrücklich, "für nachhaltige Politik ist das aber zu wenig ambitioniert. Das ist nur das Pflichtprogramm". Fahrgast liegen Zahlen vor, nach denen die optimistischsten Schätzungen von einem Zuwachs von 55.000 Fahrgästen ausgehen - aber nur, wenn alle geplanten Verlängerungen und Neu-Projekte umgesetzt werden. "Der Uni-1er, der Med-7er, die Nordwest- und Südwest-Linie, sie alle sind auf den St. Nimmerleinstag vertagt", beklagt Walter. "Das heißt: Die im schwarz-grünen Koalitionspakt angepeilte Reduktion des Autoverkehrs ist in weite Ferne gerückt."
Rücker: "Schritt für Schritt"
Vizebürgermeisterin Lisa Rücker verweist darauf, dass bei der derzeitigen Budgetlage nicht alles auf einmal durchgezogen werden kann. "Die Nahverkehrsdrehscheibe kostet insgesamt 80 Millionen Euro, von denen wir einen großen Teil tragen müssen." Die Entflechtung geht ebenfalls in die zweistellige Millionenhöhe. "Wir können Projekte nur Schritt für Schritt abarbeiten."
Für den Verein Fahrgast ist es nur eine Frage der Priorität. Daher fordert Walter eine massive Öffi-Offensive (siehe Infobox).
GERALD WINTER
FaktenNeben der Entflechtung der Herrengasse - vom Jakominiplatz über den Griesplatz und die Elisabethinergasse in die Annenstraße - und dem Nahverkehrsknoten am Hauptbahnhof fordert der Verein Fahrgast eine Tram-Offensive:
Südweststrecke, die bis nach Straßgang führt.
Nordweststrecke, die bis Gösting (Nähe Bulme) geht.
Die Erschließung der Siedlungsgebiete in Eggenberg (Algersdorf, Karl-Morre-Straße), Schönau (Kasernstraße), Andritz (Oberandritz und St. Veit) sowie des Bereichs Karlau (Triestersiedlung, Payer-Weyprecht-Straße).
Uni-1er über die Zinzendorfgasse und den Uni-Kreisverkehr.
Med-7er ins Stiftingtal.
3er-Verlängerung zur Teichstraße
EntscheidungGraz ist Hauptstadt der Ankündigungen." Das sagt Stefan Walter vom Verein Fahrgast, der Lobbying für den öffentlichen Verkehr macht. Und das Gesagte muss man unterschreiben. Die Ankündigungspolitiker trommeln jahraus, jahrein, wie wichtig der öffentliche Verkehr ist - nur die Taten halten nicht mit.
Zwar wurden 4er, 5er und 6er nach jahrzehntelangen Planungen verlängert, einen starken Zuwachs an Fahrgästen hat das aber nicht gebracht. Die von Lisa Rücker forcierte Entflechtung der Herrengasse liegt auch schon seit mehr als zehn Jahren in der Schublade - als gelernter Grazer weiß man, dass die Umsetzung der neuen Trasse weitere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte brauchen wird.
Es ist Graz zu wünschen, dass sich das Rathaus zu seinen Worten bekennt - damit aus Ankündigungs- endlich Entscheidungspolitiker werden.
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