Für alle, die Archiv-Zugang haben: Ausgabe vom 12. November, Seite 4 & 5.
Auch bei der Post gibt's Streber und Nachzügler
Spätestens in drei Jahren soll das Briefmonopol der Post in ganz Europa fallen. Das Tempo der Liberalisierung ist unterschiedlich, die neuen Beitrittsländer haben noch eine Galgenfrist.
STEFAN WINKLER, BRÜSSEL
Die Vorgabe der Europäischen Union ist klar: Bis spätestens 2011 soll das Postwesen in ganz Europa liberalisiert sein. Dann wird als letzter Schritt das Briefmonopol der Post fallen und es soll grundsätzlich möglich sein, dass die österreichische Post in Madrid eine Filiale aufmacht und die ,,Poste Italiane" in Wien Briefe entgegennimmt.
Das Tempo, das die EU-Länder bei der Freigabe ihrer Postdienste gewählt haben, könnte unterschiedlicher nicht sein. Während Deutschland, Finnland, Großbritannien, Niederlande, Schweden ihre Märkte bereits voll liberalisiert haben, werden Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Frankreich, Irland, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und Spanien das bis 2011 tun. Einzig Griechenland, Luxemburg und fast alle Beitrittsländer von 2004 dürfen sich bis 2013 Zeit lassen.
DeutschlandKahlschlag bei der Deutschen Post
Nicht nur in Österreich, auch beim großen Nachbarn Deutschland macht die Post Tabula rasa und will in Übersee gleich 33.000 Jobs streichen. Erstmals seit über einem Jahrzehnt wird die Deutsche Post heuer nämlich in die roten Zahlen schlittern.
Grund dafür ist das kostspielige Engagement des ,,gelben Riesen" in den USA, wo der später mit Schimpf und Schande geschasste frühere Post-Chef Klaus Zumwinkel im großspurigen Bestreben, die einst staatliche Bundespost zum Weltkonzern aufzublasen, Milliarden von Euro in die Hand nahm, um mit ihrem Expressdienst DHL die Platzhirsche United Parcel Service und Fedex auszubooten.
Doch die Deutschen waren gegen die beiden amerikanischen Rivalen von vornherein chancenlos. Die Verluste häuften sich Jahr für Jahr an. Die Finanzkrise versetzte dem US-Abenteuer den Todesstoß. Rund fünf Millionen Dollar pro Tag kostet die Deutsche Post das Debakel, rund 7,5 Milliarden sind es insgesamt. Jetzt zieht Zumwinkels Nachfolger Frank Appel die Reißleine und zieht sich aus den USA zurück. Aber auch in Europa und in Deutschland sind Tausende Stellen akut gefährdet.
ItalienTrotz Pannen klingeln die Kassen
Chaos in Mailand. Seit Tagen stürmen Tausende wütende Bürger die Postämter. Auslöser des Volkszorns: Rund 30.000 eingeschriebene Briefe blieben seit September in den Depots liegen, weil die zwei privaten Dienstleister, an die die Zustellung ausgegliedert wurde, darauf ,,vergaßen".
Erinnerungen an die früher sprichwörtliche Unzuverlässigkeit der italienischen Post werden wach. Mit rund 150.000 Mitarbeitern haben die Poste Italiane als zu 100 Prozent dem Staat gehörende Aktiengesellschaft bisher eine monopolartige Stellung inne.
Ziel von Vorstandschef Massimo Sarmi ist es, mit seinen 14.000 über das ganze Land verstreuten Filialen richtig Geld zu machen. ,,Bis auf 200 sehr kleine Filialen sind heute auch alle rentabel", sagt der Postchef. Ein Geheimnis des Erfolges liegt sicher darin, dass man sich seit Jahren auf den Fall des Monopols für Briefe unter 50 Gramm 2011 vorbereitet und sich jenseits des Brief- und Paketdienstes auf Finanzdienstleistungen und High Tech spezialisiert hat. Mit Erfolg. Der Gewinn kletterte von 349 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 844 Millionen im Vorjahr. Jetzt erwägen die Poste Italiane den Einstieg externer Aktionäre.
GroßbritannienVorzugsschüler bei der Liberalisierung
So wie seine Strommärkte hat Großbritannien auch sein Postwesen früher als andere EU-Länder liberalisiert und als erster EU-Staat bereits 2006 den Markt für andere Dienstleister geöffnet.
Die ,,Royal Mail", deren Ursprünge auf das Jahr 1516 zurückgehen, als Heinrich VIII. einen ,,Master of the Posts" ernannte, wurde selber zwar nicht privatisiert, muss sich jetzt aber mit 17 Konkurrenten herumschlagen. Und diese könnten ihr durchaus lästig werden, da die königliche Post aufgrund ihres schrumpfenden Filialnetzes und ihrer oft mangelnder Zuverlässigkeit bei den Briten nicht gerade den besten Ruf genießt.
Doch bisher konnte die Royal Mail ihr Monopol weitgehend wahren, und so dominieren nach wie vor die roten Briefkästen das Straßenbild.
Auch wird der Großteil der Briefe weiter von den Postlern der Royal Mail zugestellt. Wie beim Telefonmarkt ist die Royal Mail nämlich auch bei Briefen, die von der Konkurrenz entgegengenommen wurden, für die ,,letzte Meile" zuständig. Ihre Briefträger müssen die Sendungen der Mitbewerber bis an die Haustür liefern. Im Gegenzug kassiert die Royal Mail eine vom Regulierer festgelegte Zustellgebühr.
NiederlandeHolländer schnallen den Gürtel enger
Sie sind seit Beginn der Liberalisierung einer der Platzhirsche nicht nur in Europa, sondern auch auf den internationalen Märkten. Aber die Finanzkrise macht auch vor den niederländischen Postdienstleistern von TNT nicht Halt:
Im dritten Quartal 2008 brach der Gewinn um 19 Prozent auf 209 Millionen Euro ein. Besonders stark litt das Geschäft mit internationalen Geschäftssendungen. Mit einer Rosskur und radikalen Einsparungen möchte der an der Amsterdamer Börse notierte Konzern die Verluste jetzt wieder wettmachen.
Gegründet wurde TNT im Jahr 1946 in Australien, und zwar vom umtriebigen Transportunternehmer Ken Thomas. Er bot zunächst Fahrten zwischen Sydney und Melbourne an, konnte während des Booms des australischen Transportgewerbes in den Fünfzigerjahren aber rasch weltweit expandieren.
1996 übernahm dann die acht Jahre zuvor privatisierte Königliche Niederländische Post KPN (Koninklijke Post Nederland) den australischen Postkonzern und machte ihn im Zuge der Öffnung der nationalen Briefmärkte in Europa zu einem der führenden Postdienstleister im Geschäftskunden-Bereich.
SpanienEiner der letzten Monopolisten
Von einer so starken Stellung können andere Postanbieter in Europa nur träumen: Trotz Liberalisierung kontrolliert der frühere spanische staatliche Monopolist ,,Sociedad Estatal de Correos y Telégrafos", kurz Correos, noch immer rund 90 Prozent des Marktes. Einziger namhafter Rivale ist der private Briefzusteller Unipost, ein Unternehmen von mehreren lokalen Dienstleistern, an dem unter anderem auch die Deutsche Post beteiligt ist.
Rund acht Prozent Marktanteil hat die auf Geschäftskunden spezialisierte Unipost mit ihren etwa 4000 Angestellten. Zum Vergleich: Die staatliche Post Correos bringt es auf 63.000 Mitarbeiter und unterhält rund 10.000 Postämter in ganz Spanien.
Dem Fall des Brief-Monopols ab 2011 sieht die spanische Post, deren Geschichte mit der Herrschaft der Habsburger begann, relativ gelassen entgegen. Nicht ohne Stolz verweist man auf die Kundenfreundlichkeit sowie auf Qualität und Leistungen, die man in den letzten Jahren deutlich verbessert habe. So sind viele spanische Postämter bis 20 Uhr geöffnet. Auch wird die Post in Madrid und anderen größeren Städten bis zu zwei Mal am Tag zugestellt.
FrankreichUmstrittene Reform wurde abgeblasen
Rekordverdächtige zwei Wochen benötigte im Frühjahr 2006 ein Brief von einem Pariser Stadtteil in den anderen - Wasser auf den Mühlen konservativer Politiker. Seit Mitte der 70er-Jahre träumen sie davon, die im Staatsbesitz befindliche Post zu privatisieren. Bislang haben sie stets auf Granit gebissen: Auch unter dem neuen Präsidenten Nicolas Sarkozy wird nichts aus der geplanten Teilprivatisierung des Unternehmens, das mit seinen landesweit 300.000 Mitarbeitern der zweitgrößte Arbeitgeber Frankreichs ist.
Unter dem Eindruck der Turbulenzen auf den globalen Finanzmärkten hat Staatspräsident Nicolas Sarkozy die Privatisierung auf Eis gelegt.
Um La Poste rechtzeitig vor dem Fall des Briefmonopols 2011 für den Konkurrenzkampf fit zu machen und ihr weiteres Wachstum zu sichern, würde die Post 2,5 bis 3,5 Milliarden Euro benötigen. Geplant war, das Kapital wie schon bei France Télécom und Gaz de France durch einen Börsegang zu beschaffen. Dagegen hatten die Gewerkschaften protestiert und mehr als 300.000 Unterschriften gesammelt. Viele Franzosen befürchten, dass die Privatisierung das Aus für viele der 12.000 Postämter im ganzen Land bedeuten würde.
Splitter:Job-AngeboteEin Angebot der besonderen Art machte die Wiener Städtische Versicherung (Vienna Insurance Group) gestern den Post- und Telekom-Mitarbeitern, von denen Tausende von einem Job-Abbau bedroht sind. Die Vienna Insurance Gruppe sei ständig auf der Suche nach Versicherungsberatern, versicherte Generaldirektor Günter Geyer in einem Pressegespräch: ,,Wir nehmen daher gerne Leute auf von der Post oder der Telekom Austria oder von wo immer."
Rauchen statt rollenÖVP-Obmann Josef Pröll kritisiert den Vorstand der Post wegen dessen kolportierten Plänen, 1000 der 1300 Postämter zu schließen. Gleichzeitig sprach er sich aber gegen personelle Konsequenzen für das Management aus. ,,Ich bin dagegen, die Köpfe rollen zu lassen, die Köpfe sollen rauchen", so Pröll. Post-Chef Anton Wais und Kollegen müssten sich ,,mit der Frage beschäftigen, wettbewerbsfähig zu bleiben beziehungsweise
zu werden".
Die Post macht mobilDie Postgewerkschaft startet die ersten Protestmaßnahmen gegen den kolportierten Abbau von 9000 Postlern. Heute um 9.00 Uhr wird sie vor der Aufsichtsratssitzung der Post mit Transparenten und ,,Pappkameraden" ihrem Unmut Luft machen. Den Konflikt verschärft haben gestern Aussagen von ÖIAG-Chef Peter Michaelis, der ,,mit allem Nachdruck um Kommunikationsdisziplin" gebeten hatte.
,,Es ist grandios, dass sich Michaelis nach dem Desaster noch traut, den Oberlehrer zu spielen."
Gerhard Fritz,
Chef der Postgewerkschaft
Quelle:
www.kleine.at