Re: Düsseldorf
Antwort #6 –
Ich kenne mich dort nicht wirklich aus und habe jetzt auch keine Zeit, altes und neues Netz intensiver zu studieren, aber du als Kenner der Region scheinst jetzt mal nicht so begeistert zu sein, oder täuscht mein Eindruck? Oder überwiegen im wesentlichen die Vorteile schon und ees gibt halt ein paar kleinere Nachteile wie bei jeder grossen Umstellung?
Ohne jetzt ins Detail zu gehen, gibt es ja beim Tunnelbetrieb den Nachteil, dass durch die unterirdischen Haltestellen die Fußwege länger werden und die direkten Verbindungen (die vorher durch die Straßenbahn gegeben waren) durch Umsteigeverbindungen ersetzt werden (müssen). Das ist auch in Düsseldorf nicht anders. Problem ist auch, dass durch den neuen Tunnel die möglichen Problempunkte mit dem MIV nicht gänzlich ausgeräumt sind (d. h. man kommt zwar im Tunnel gut voran, steht dann aber oberirdisch doch wo im Stau etc.).
Die Straßenbahn tangiert in Zukunft nur mehr das Zentrum (heute kann man direkt oberirdisch in der Altstadt aussteigen).
NEU:
http://www.rheinbahn.de/netzmethaezz/Liniensteckbriefe/Liniennetzplan%20schematisch_10_11_2015.pdfALT:
http://www.rheinbahn.de/fahrplan/Liniennetzplne/D%C3%BCsseldorf.pdfAußerdem entfallen durch die Umstellung viele Gleisverbindungen, die im Rest-Straßenbahnnetz zu einigen betrieblichen Einschränkungen im Störungsfall führen werden.
Zusätzlich kommt es jetzt beim Stadtbahnbetrieb zu der Besonderheit, dass man eigentlich zwei unterschiedliche Systeme fährt - im alten Tunnel (Ost - West über Hbf.) fahren ausschließlich Stadtbahnwagen "B" mit Hochflurbahnsteigen, im neuen Tunnel (Nord - Süd) fahren niederflurige Fahrzeuge ("Hamsterbacken"). Es gibt dazu noch "Überschneidungen" mit den normalen Straßenbahnnetz in den Außenbezirken, auch immer noch hochflurige Stadtbahn und niederflurige Straßenbahn in Eller (das ist nach wie vor nicht gelöst).
Das ist eine ähnliche Situation wie in Dortmund, wo man im neuen Ost-West-Tunnel auch niederflurig (und größtenteils außerhalb der Innenstadt straßenbahnmäßig) fährt und im anderen Stadtbahnnetz hochflurig und faktisch stadtbahnmäßig.
So weit ich das mitbekommen habe, hat sich die in den 70/80er Jahren in etlichen Städten Deutschlands umgesetzte Idee Strassenbahnen in hinsichtlich Errichtung und Instandhaltung teure Tunnelstrecken zu verbannen nicht immer als voller Erfolg herausgestellt u.a. angesichts der nicht vernachlässigbaren Kosten im laufenden Betrieb (Instandhaltungskosten, etc).
Wiederholt man in Düsseldorf diesen Fehler oder ist der Fall dort anders gelagert? In bestimmten Anwendungsfällen mögen Ustrab-Lösungen ja ihre Berechtigung haben, aber tendenziell bin ich da eher skeptisch.
Klar, gibt es das Problem der Erhaltung und Modernisierung (Lifte, Brandschutz) der Anlagen. Aber Düsseldorf kann da aus dem vollen Schöpfen (= Landeshauptstadt), insofern stehen solche Fragen erst einmal hintan. Der neue Tunnel hat letztlich auch zu einer neuen Bebauung des Jan-Wellem-Platzes geführt (und durchaus zu einer städtebaulichen Aufwertung dieses Bereichs). Man wird abwarten müssen, wie sich die Situation entwickelt. Im Ruhrgebiet etwa wird es in absehbarer Zeit jedenfalls keine weiteren Stadtbahn-Tunnel geben, in Köln baut man ja fleißig (bzw. man versucht es zumindest).
Es herrscht halt immer noch die Meinung vor, dass man den MIV oberirdisch nicht beschneiden darf und stattdessen den ÖV lieber unterirdisch zu führen hat.
W.
"Es gehört nicht zum Begriff der Demokratie, dass sie selbst die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Man muss auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen"
(Carlo Schmid, SPD, 1948)