Re: E-Busse für Graz
Antwort #414 –
Ein befreundeter Mitarbeiter der Stadtwerke Bonn (dort verkehren E-Busse von Sileo zuverlässig) schrieb mir folgendes zum Geschehen in Graz:
Ich will nicht leugnen, dass es da wohl nicht unerhebliche Probleme gibt. Vermutlich ist man in China etwas grosszügiger - und hat sich gestattet, unsere europäischen Vorschriften nicht ganz so ernst zu nehmen.
Aber, und das ist wichtig, das lässt sich alles beheben. Und da sowohl CRRC als auch Higer auf unseren europäischen Markt wollen, werden sie das beheben. Negativ-Werbung ist das letzte, was die brauchen können. Also werden sie es sehr schnell machen.
Der "worst case" für beide Hersteller wäre es wohl, wenn man die Busse zum Nachbessern nach China zurückholen müsste. Stichworte: Kosten, Zeit (für den Schiffstransport). Also wird man Spezialisten nach Graz schicken, die die Autos vor Ort "in Ordnung" bringen.
Im Zusammenhang mit den "Pannen" bei den chinesischen Elektrobussen in Graz fällt mir ein "Lehrsatz" des Chefs unserer Bonner "SWB Verkehrs GmbH" ein. Er äusserte sich mir gegenüber mal so:
"Bei den Chinesen ist das so: wenn sie zum ersten mal ein Auto bauen, dann wird das nichts Vernünftiges.
Beim zweiten Versuch ist das Auto schon deutlich besser, aber immer noch nicht gut.
Beim dritten Anlauf ist das Auto dann richtig klasse."
Dazu passt folgendes:
Wir hatten hier in Bonn im Sommer 2013 einen Elektrobus-Testwagen des chinesischen Herstellers BYD. Er hat auch brav seine Runden hier in unserer Stadt gedreht, hatte aber drei entscheidende Fehler:
- sein Gesamtgewicht (voll beladener Bus) betrug 23 Tonnen. Fünf Tonnen zu viel, denn eigentlich sind (jedenfalls hier in Deutschland) maximal 18 Tonnen (für einen Solowagen) zulässig. Der BYD brauchte also eine (grosszügige) Ausnahmegenehmigung.
- er konnte nur 60 Fahrgäste mitnehmen, der restliche Innenraum des Busses wurde für die Batterien benötigt
- für einen Elektrobus war er erstaunlich laut.
Im Sommer 2015 fand bei den Stadtwerken in Münster eine Elektrobus-Konferenz statt. Einer der vorgeführten Wagen war ein BYD. Er hatte deutliche Fortschritte gemacht:
- zulässiges Gesamtgewicht: 18 Tonnen - also alles "okay", keine Ausnahmegenehmigung mehr
- Fahrgastkapazität: 80 Fahrgäste, es war gelungen, die Batterien wesentlich kleiner zu machen
- Lautstärke: immer noch laut, aber schon deutlich besser als der zwei Jahre ältere Wagen.
Und heute? BYD liefert in grossen Stückzahlen Elektrobusse nach London (51 Doppeldecker mit Aufbauten von Dennis-Alexander), Ende des vergangenen Jahres sind auch erste Solowagen nach London gegangen, gerade gestern bekam ich eine Pressemeldung von BYD über einen Grossauftrag aus Südamerika (mehr als 200 Wagen) ... Wie war das: "beim dritten Anlauf ..."
Deshalb: Wir werden erleben, dass die beiden Higer und die beiden CRRC schon in Kürze frohen Mutes durch Graz touren werden ... Kein Anlass, zu meinen, der Elektrobus sei "gescheitert".