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Thema: [CH, IT] ETR 470: Eine Ära mit Höhen und Tiefen neigt sich dem Ende zu(?) (2635-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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[CH, IT] ETR 470: Eine Ära mit Höhen und Tiefen neigt sich dem Ende zu(?)
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ETR 470: Eine Ära mit Höhen und Tiefen neigt sich dem Ende zu

Seit 1996 stehen sie im Einsatz und haben wohl den SBB und der Trenitalia schon manch graues Haar beschert: Die ETR 470, im Volksmund bekannt als Cisalpino oder Cisalpino Pendolino. Störungen, Brände, Ausfälle und Verspätungen zogen sich durch ihre Lebensgeschichte wie ein roter Faden, so dass die SBB ihre Teilflotte bis Ende 2015 und die Trenitalia die ihrige bis Ende 2016 ausrangieren wollen. Heute, am 15. April, wird mit dem ETR 470 005 der erste der SBB-Züge aus dem Verkehr gezogen. Anlass genug, um auf eine ereignisreiche Ära zurückzublicken.

Trinationaler Verkehr ohne Lokwechsel als Ziel

Am 15. April wurde der SBB ETR 470 005 als erstes Fahrzeug der Flotte ausgemustert (Brunnen, 14. April 2014)
Die SBB, die BLS und die Ferrovie dello Stato (FS), Muttergesellschaft der Trenitalia, gründeten 1993 das Gemeinschaftsunternehmen Cisalpino AG mit Sitz in Muri bei Bern. Solche Joint-Ventures mit ausländischen Staatsbahnen haben die SBB mehrere gegründet, wie zum Beispiel die Lyria SA mit der SNCF. Doch keines sorgte für so viel Unmut unter den Reisenden wie die Cisalpino AG, welche mit notorischen Problemen zu kämpfen hatten. Die zwischen 1993 und 1996 von Fiat Ferroviaria im piemontesischen Savigliano gefertigten Triebzüge des Typs ETR 470 wurden nahezu ohne Testfahrten dem fahrplanmässigen Betrieb übergeben, so dass die bei solchen Einrichtungen üblichen Kinderkrankheiten Auswirkungen auf den Verkehr haben. Die ETR 470 waren für die Schweiz (15 kV 16.67 Hz Wechselstrom mit 1450mm breiter Stromabnehmerwippe), Italien (3000 Volt Gleichstrom) und Deutschland (15 kV 16.67 Hz Wechselstrom mit 1900mm breiter Stromabnehmerwippe) zugelassen. Ziel war es, insbesondere im Verkehr Schweiz-Italien durch den wegfallenden Lokwechsel an den Systemtrennstellen Domodossola/ITA und Chiasso/TI die Reisezeit zu reduzieren. In Chiasso wurde während der ganzen Existenzzeit der Cisalpino AG sogar auf den fahrplanmässigen Halt verzichtet, die Fernverkehrsanbindung wurde durch die lokbespannten InterCity-Züge und bis 2004 auch durch die heute nach Locarno verkehrenden B-Schnellzüge (seit 2004 InterRegio) sichergestellt. Erst seit der Umstellung auf EuroCity Ende 2009 halten die Triebzüge in Chiasso, der Halt wurde nur aufgrund von Beschwerden und einer Sitzblockade eingerichtet. Ab 2019 steht er wieder in den Sternen.
2004 gab die BLS im Tausch für den Betrieb einiger normalspuriger Linien der S-Bahn Bern ihre Fernverkehrslizenz ab, somit gingen auch ihre Cisalpino-Anteile von 5.8 Prozent (BLS-Geschäftsbericht 2001) an die SBB.
Der Nord-Süd-Verkehr ist nicht nur für den bereits liberalisierten Güterverkehr profitabel, so wollte die deutsche Georg Verkehrsorganisation GmbH (GVG) eigenwirtschaftlichen Fernverkehr auf der Lötschbergachse anbieten, was die Ferrovie dello Stato verhindern wollte. Die Europäische Union untersagte der FS jedoch ihr marktbeherrschendes Verhalten, in der Schweiz jedoch ist privater Personenfernverkehr mit akzeptablen Trassen nicht möglich.
Jedoch hat in den letzte Jahrzehnten ein markanter Rückgang auf der Nord-Süd-Achse eingesetzt: Am Gotthard gingen die Reisendenzahlen von einst 20'000 pro Tag auf nunmehr 8000 stark zurück, neben dem 1981 eröffneten Gotthard-Strassentunnel hatte auch die Qualitätsabnahme gewisse Auswirkungen. Mit der Eröffnung der Basistunnels am Gotthard (GBT, GBG) und am Ceneri (CBT/GBC) sollen ab 2019 wieder 16'000 Personen pro Tag via Gotthardachse in den Süden reisen. Auf der Simplonachse ist insbesondere aus dem Raum Bern ein Fahrgastzuwachs zu erkennen, der vorwiegend dem 2007 eröffneten Lötschberg-Basistunnel (LBT) zu verdanken ist, aber auch dem Umstand, das zwischen Kandersteg/BE und Goppenstein/VS keine Strassenverbindung existiert und man als Autofahrer auf den BLS-Autoverlad angewiesen ist.

Streckennetz von Stuttgart bis Florenz und von Genf bis Triest

Die Cisalpino verfügte über ein ansehnliches Streckennetz, ihre ETR 470 verkehrten in diversen Relationen:
Genève-Lausanne-Brig-Milano Centrale-Venezia Santa Lucia
Basel SBB-Bern-Brig-Milano Centrale
Stuttgart Hbf-Schaffhausen-Zürich HB-Bellinzona-Milano Centrale
Zürich HB-Bellinzona-Milano Centrale-Firenze Santa Maria Novella
Zürich HB-Bellinzona-Milano Centrale-Venezia Mestre-Trieste Centrale

Insgesamt wurden neun ETR 470 an die Cisalpino AG ausgeliefert. Ende 2005 übernahm sie von ihren Besitzerinnen den gesamten internationalen Verkehr Schweiz-Italien und setzte so auch lokbespannte Züge ein. Gleichzeitig stellte sie aber den Betrieb des InterCity Basel SBB-Luzern-Milano Centrale-Nice Ville ein. Das Streckennetz erweiterte sich so auf weitere Destinationen:
Basel SBB-Luzern-Bellinzona-Milano Centrale (-Venezia Santa Lucia)
Schaffhausen-Zürich HB-Bellinzona-Milano Centrale-Pisa Centrale-Livorno
Zürich HB-Bellinzona-Milano Centrale-Venezia Santa Lucia

Da viele dieser lokbespannten InterCity, welche von nun an ausschliesslich als EuroCity verkehrten, in Randstunden oder sogar im Taktverkehr auch kleinere Bahnhöfe bedienten, umfasste das Cisalpino-Streckennetz nun auch Halte wie Flüelen/UR, Göschenen/UR, Faido/TI, Zofingen/AG oder Sursee/LU.
Mit dem Ziel, per Ende 2008 den gesamten internationalen Verkehr auf Neigezüge umzustellen, bestellte die Cisalpino AG 2007 14 Neigezüge des Typs ETR 610, welche nicht nur in den bereits vom ETR 470 befahrbaren System verkehren kann, sondern auch auf dem italienischen Hochgeschwindigkeitsnetz, welches mit 25 kV 50 Hz Wechselstrom elektrifiziert ist. Jedoch ist die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h zu tief für einen fahrplanmässigen Betrieb - die Trenitalia-ETR 500 und NTV-.italo verkehren mit über 300 km/h.
Im Dezember 2009 stellte die Cisalpino AG als Konsequenz der betrieblichen Misere ihre operative Tätigkeit ein, die Verkehrsträgeraufgabe und der Besitz des Rollmaterials wurde zwischen der SBB und der Trenitalia aufgeteilt.

Der ETR 470 mit dem Image des Pannenzuges schlechthin

Keine Seltenheit: Ein ETR 470 muss abgeschleppt werden (SBB ETR 470 003 und SBB Re 4/4 II 11151 in Ingenbohl, 26. Dezember 2011)
Aufgrund dessen, dass er kurz nach Auslieferung aus dem Werk bereits dem Verkehr übergeben wurde, ohne in ausgiebigen Testfahrten auf Herz und Nieren geprüft zu werden, war dem ETR 470 bereits von Beginn an eine hohe Pannenanfälligkeit beschieden. Die Website cessoalpino.com sammelte gar alle Verspätungen und Ausfälle, um sie in einer Datenbank anzusammeln. Brände wie im Zimmerberg-Basistunnel oder bei Ambrì/TI waren ebenso anzutreffen wie technische Störungen am Fahrzeug, welche ein Weiterfahren verunmöglichten. Beinahe schon komischer Höhepunkt war das Ausser-Komtrolle-geraten der Neigetechnik während des Haltes in Luzern, welche einen Wagen kurzerhand in einen Schüttelbecher verwandelte. Auch der 2005 auf allen internationalen Zügen eingeführte Globalpreispflicht wurde von den Fahrgästen nicht nur Freude entgegengebracht. Nachdem die stets in Italien vorgenommene Wartung der ETR 470 immer mehr vernachlässigt wurden, lösten SBB und Trenitalia die Cisalpino AG auf. Vier der ETR 470 gelangten in Besitz der SBB, die restlichen fünf in denjenigen der Trenitalia. Die nur teilweise ausgelieferten vierzehn ETR 610 wurden hälftig aufgeteilt. Da die Trenitalia ihre ETR 610 seit Dezember 2011 nur noch im Inlandverkehr einsetzt, waren die SBB zu einer Flottenseparation gezwungen: Die ETR 610 verkehren ausschliesslich auf der Simplonachse, die ETR 470 am Gotthard. Vor allem bei den vier SBB ETR 470 verbesserte sich die betriebliche Zuverlässigkeit nach der Auflösung der Cisalpino AG frappant, von den fünf italienischen war zeitweise jedoch gerade mal ein Triebzug einsetzbar. Nachdem bereits 2006 die Cisalpino-Züge zwischen Stuttgart und Zürich durch ICE-T ersetzt wurden, wurde das Streckennetz mit der Auflösung ebenfalls reduziert. Seit Ende 2011 enden alle Züge mit Ausnahme eines Zugspaars Genève-Venezia Santa Lucia in Mailand.

Das Ende naht

Weil bei den vier ETR 470 aufgrund ihrer zurückgelegten Kilometer eine R4-Revision ansteht und die SBB diese aus wirtschaftlichen Gründen nicht durchführen will, geht die Lebenszeit der Triebzüge dem Ende entgegen. Bis nach Ende der Weltausstellung 2015 im Mailänder Vorort Rho werden alle SBB-ETR 470 ausgemustert, diejenigen der Trenitalia folgen mit der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Dezember 2016. Bereits Anfangs 2012 hatten die SBB angekündigt, bei der neuen Fahrzeuggeneration auf Neigetechnik zu verzichten. Im April 2014 wurde die Submissionsphase für die im Projektstadium als BeNe bezeichneten Züge lanciert, eine Entscheidung bezüglich Anbieter soll nach einen Verzögerungen im Auswahlverfahren im Mai 2014 fallen. Da die BeNe-Züge frühestens nach der aktuell geplanten Eröffnung des Ceneri-Basistunnels Ende 2019 zur Verfügung stehen, haben die SBB im August 2012 als Übergangslösung acht weitere ETR 610 bestellt, die nun ab Dezember 2014 schrittweise am Gotthard zum Einsatz kommen werden. Nach Ende der Auslieferung werden alle ETR 470 der SBB ausrangiert werden. Die Trenitalia setzt bei den Umläufen, für die sie sich verantwortlich zeigt, ihre ETR 470 noch bis Ende 2016 ein, danach werden auf diesen Leistungen nach vertraglicher Vereinbarung ebenfalls ETR 610 eingesetzt.
Als erstes erreichte der ETR 470 005 im April 2014 die Schwelle von 4.2 Millionen Laufkilometern, welche eine R4 notwendig macht; er wurde am 15. April 2014 aus dem Verkehr gezogen und figuriert nun als Ersatzteilspender für die verbliebenen drei ETR 470 der SBB.

Ursprünglich suchte man noch nach einem Käufer für die vier Kompositionen, doch nun scheint eine Ausmusterung die realistische Option.

Wehmut oder Freude bei den Reisenden?

Zu Lebzeiten sorgte der ETR 470 bei den meisten Reisenden für Ärger. Trotzdem können beispielsweise die ETR 610 nicht mit dem Sitzkomfort mithalten, auch lange Tische zum Arbeiten sucht man in den anderen Zügen der SBB-Flotte zumindest in der zweiten Wagenklasse vergebens. Manch Adoleszenter oder junger Erwachsener verbindet mit dem Zug Kindheitserinnerungen, so dass sicherlich bei dem einen oder anderen ein bisschen Wehmut aufkommen wird. Je nach dem, welcher Anbieter dann den Zuschlag für die BeNe-Züge erhält, wird sich noch mancher an den ETR 470 zurücksehnen. Die ETR 610 sind zwar dank den ausgiebigen Tests weitaus zuverlässiger, doch die teilweise aus Plastik bestehende Inneneinrichtung sorgt durchaus auch für gewisse Kritik.


Im Originaltext hier nachzulesen...

Nun, was mit den 9 Garnituren (4 SBB, 5 trenitalia) tatsächlich geschieht, bleibt abzuwarten.
trenitalia und die SBB haben ja noch einiges investiert, damit die Störanfälligkeit sinkt - was sie ja auch spürbar tat.
Die trenitalia investiert(e) ja nochmals mehr als die SBB in ihre 5 Garnituren. Möglicherweise setzen sie diese nach 2016 im Inlandsverkehr ein.
Vielleicht findet sich auch ein Käufer - so abwegig ist das gar nicht.
Ich vermute mal, daß die SBB ihre 4 Garnituren der trenitalia "überlassen" werden - was ja auch Sinn macht. Denn dort verkehren ja die zahlreichen Verwandten: ETR460/480/485...  ;)
Se srdečným pozdravem, SC Pendolino