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Thema: Mit dem Kopf durch die Wand (2094-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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Mit dem Kopf durch die Wand

Mit dem Kopf durch die Wand

Wolfdieter Dreibholz, ASVK-Chef und Partner von Coop Himmelb(l)au in der freien Assoziation zu Wohnen und Bauen in Graz. DANIELA BACHAL

20Jahre lang war er im Land Steiermark tätig, zuletzt als Leiter der Hochbauplanung - bis er vor elf Jahren als Geschäftsführer und Partner des Architekturbüros Coop Himmelb(l)au sozusagen aufs internationale politische Parkett wechselte, als ,,Projektpolitiker" des Unternehmens Coop Himmelb(l)au. Als Chef der Altstadtsachverständigenkommission (ASVK) ist Dreibholz heuer nach Graz zurückgekehrt. Aber wirklich weg war er ohnehin nie, wie ein kleines Wort-Pingpong beweist.

Graz ganz himmelblau? Ich habe einmal versucht, Wolf Prix nach Graz zu bringen - zu dem Wettbewerb in der inneren Stadt, den schließlich Zaha Hadid gewann. Prix kam zwar zur Besprechung, klinkte sich dann aber gleich aus. Ich kann ihn auch verstehen: Wir gewinnen überall dort, wo in der Jury Architekten mit Weltformat sitzen. Die Grazer müssten sich überwinden und sagen: ,,Wir holen ein Kaliber wie beispielsweise Jean Nouvel in die Jury".

Grazer Bauland. Graz hat in puncto Architektur abgebaut. Es liegt an der Politik. Landeshauptmann Josef Krainer war noch ein Bauherr, der sich der Bedeutung von Architektur als Gestaltungsmöglichkeit bewusst war.

Lieblingsgebäude. Ein Gebäude, das mich anspricht, muss Abenteuer im Kopf widerspiegeln. Das gilt zum Beispiel für die Realisierung des Gewächshauses von Giencke im botanischen Garten oder für die Pflanzenphysiologie von Klaus Kada gleich daneben. Kada hat den Villencharakter der Gegend richtig verstanden: Er ließ den alten Block bestehen, stellte ein neues Volumen dazu, das in seinen Dimensionen passte, und verknüpfte beides mit einem Gang.

Hochhäuser. Je höher desto lieber. Das Grazer Posthochhaus ist aber ein städtebaulicher Fehler, weil es unmotiviert in die Höhe schießt. Wenn man Hochhäuser will, muss es dafür eine Konzeption in der Stadtplanung geben.

Reininghaus-Gründe. Ich war ein Befürworter für den Ankauf durch die Stadt. Das mit der Verschuldung ist ein blödsinniges Argument. Wer von den Investoren soll denn für die Infrastruktur sorgen? Ich sehe das Match allerdings nach wie vor nicht entschieden.

Vorteil Graz. 300.000 Einwohner, eine eigene Oper, ein Schauspielhaus und vier Unis. Es gibt Millionenstädte, die keine Oper haben. Oder fahren Sie nach Sydney: Da sehen Sie zwar eine schöne Oper, aber die wird nicht jeden Tag bespielt. In Graz fährt man außerdem nur ein paar Kilometer und ist mitten im Grünen. Dazu noch die Sicherheit und Ärzte, die weltweit einen guten Ruf haben. Was kann man sich noch mehr wünschen? Ärgerlich ist nur diese Scheißbequemlichkeit, dieses Nicht-nachdenken-Wollen, man muss doch Spaß daran haben, diesen Apparat in seinem Kopf, das Gehirn, zu benützen. Das war auch der Grund für meinen Einstieg bei Coop Himmelb(l)au: Ich weiß ja nie genau, was meinem Partner gerade einfällt.

Altstadtsachverständigenkommission. Es geht nicht um das Erhalten, sondern um das Weitertransformieren. Die Erhaltung als ausschließliche Zielsetzung ist zu wenig, weil es neue Forderungen, Nutzungen, Funktionen, Materialien, Straßenführungen, Pflasterungen etc. gibt. Die formale Qualität zu bändigen, ist unsere Aufgabe. Wir wollen dabei keine der Aktivitäten, die über die Wirtschaft kommen, oder kulturelle und organisatorische Anstrengungen verhindern.

Mut zu Neuem. Was ich momentan in Graz sehe, ist durchaus armselig. Wir haben zum Beispiel keine guten Geschäftsumbauten im kleinteiligen Bereich. Kastner & Öhler ist in Ordnung, ich denke an kleinere Projekte. Es geht um die Weiterentwicklung der Urbanität, nicht nur um ein Darüberstülpen. Außerdem gebe ich dem Bürgermeister recht, wenn er sagt, dass mit den Reklamegeschichten ziemlicher Unfug getrieben wird. Das ist ästhetische Umweltverschmutzung und einer City of Design unwürdig.

Wohntraum, ganz persönlich. In dem Bezug habe ich eine höchst aktive Gattin, die gerade mithilfe unseres Schwiegersohnes, der auch Architekt ist, ein Haus in Semriach baut. Unser Reihenhaus in Andritz werden wir behalten. Was der Zweitwohnsitz wird, wird sich wohl in Zukunft erst herausstellen.

Quelle: http://www.kleinezeitung.at/g7
LG Michael, vormals PM  |  Styria-Mobile