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Foto&Video => Historisches & Zeitgeschichte => Eisenbahn => Thema gestartet von: Ch. Wagner am Mai 03, 2014, 20:07:42

Titel: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 03, 2014, 20:07:42
Der Beginn des 1. Weltkriegs löste größtenteils großen Jubel aus: hier in Schladming
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Bahnhof-Halbenrain am Mai 04, 2014, 11:12:17
Radkersburg war seit jeher schon Garnisonsstadt (bis vor kurzem) und beherbergte in den vier Kasernen um 1914 über 3000 Soldaten. Anbei eine alte Postkarte
dieser Zeit aus Bad Radein (Radenci) während der Mobilmachung:

(http://neue.radkersburger-bahn.at/images/photogallery/img292.jpg)
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 04, 2014, 11:14:41
Ebenso groß war der Jubel in Leoben
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 05, 2014, 18:10:49
Auch noch ein aktueller Buchtitel:
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 05, 2014, 21:06:37
Themenverwandt, wenn auch nicht 1. WK, aber weil gut zu obigem Buchtitel passend:

Interessant ist, dass zur Kaiserzeit die Deutsch(sprachig)en Österreichs ihre Kulturzugehörigkeit meistens mit der schwarz-rot-goldenen Fahne bezeigten, kaum mit Rot-weiß-rot. So wie gut erkennbar auf diesem obigen Buchtitel. Auf Farbdarstellungen sieht man demnach oft Schwarz-rot-gold (staatsübergreifendes Deutschtum, zuvor auch die Farben des Deutschen Bundes) neben Weiß-grün (Steiermark).
Bekanntlich war die Fahne des damaligen zweiten deutschen Reiches 1871-1918 dagegen ja schwarz-weiß-rot.

Als 1919 die "Republik Deutschösterreich" in Wien ausgerufen wurde und diese sich zum "Bestandteil der deutschen Republik" erklärte, bestimmte die ebenfalls gerade "geborene" erste deutsche Republik, um den beitrittswilligen Österreichern entgegen zu kommen, das damals in Österreich noch stark verbreitete Schwarz-rot-gold zu ihren Staatsfarben.

Paradoxerweise ist heute in Österreich nur wenigen bewusst, dass Schwarz-rot-gold eine sehr lange, auch in Österreich verwurzelte Tradition besitzt.

Aus: Landeschronik Steiermark, Wien 1988:
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 06, 2014, 08:38:43
Auf dem Buchtitel ist nichts erkennbar. Die "deutschen" Fahnen kamen nach 1848 nach Österreich und verbreiteten sich von Wien aus in die Länder zu den nationalen und völkischen Verbindungen. Bei der Ausrufung der Republik 1918 sollte die rot-weiß-rote Fahne gehißt werden, allerdings hatten die revolutionären Garden das weiße Mittelstück herausgetrennt, so daß kurzfristig die roten Fahnen wehten.
Die weitere Geschichte würde bei weitem den Rahmen sprengen.
LG! Christian
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Empedokles am Mai 06, 2014, 12:10:10
Zu diesem sehr interessanten Thema möchte auch ich einen Buchtipp beisteuern:

Christopher Clark "Die Schlafwandler", erschienen im Jahre 2013.

In diesem über 800 Seiten starken Wälzer schildert der australische Historiker sehr detailliert die politischen Zusammenhänge, die zum Ausbruch des 1. Weltkrieges führten. Er versucht in seinem Werk die These der Hauptverantwortung der Deutschen diesen Krieg entfacht zu haben, zu relativieren. Warum sich gerade ein australischer Historiker für den 1. WK interessiert, dürfte wohl in der Tatsache zu finden sein, daß auch australisch/neuseeländische Truppen in Europa im Einsatz waren (was manchen Interessierten vielleicht entgangen ist).

Dazu ein LINK:
http://de.wikipedia.org/wiki/Landung_am_Kap_Helles
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 06, 2014, 17:24:10
Wobei der österreichische Teil der Verantwortung für den 1.WK, vor allem der damaligen Regierung in Wien, sicher nicht zu gering anzusehen ist.

Schließlich war es abzusehen, dass Russland einer (fragwürdigen) "Strafaktion gegen Serbien"  keinesfalls untätig zusehen würde. Mit Russland wiederum war Frankreich eng verbunden. Vor allem die Staatsmänner wussten das nur zu gut. Die Versicherung der unbedingten Bündnistreue des Deutschen Reiches zum Habsburger-Großreich dürfte den Kaiser Franz Josef allzu übermütig werden haben lassen. Schließlich ging es für ihn darum, die auseinanderstrebenden Bestandteile der Habsburgermonarchie zusammenzuhalten, auch um einen hohen Preis. Was hätte das Herrscherhaus sonst weiter regieren sollen?

Das einfache hurra-patriotische Volk "bejubelte" auch sicher nicht "den Beginn des 1. Weltkrieges", wie Ch.Wagner weiter oben komentiert hat, sondern die Menschen glaubten weitgehend ahnungslos für ihr Kaiserhaus dem "Schurkenstaat" Serbien eine Lektion zu erteilen. Zauderer waren da leider suspekt.

Heute wissen wir es besser.

Und wer die in Österreich weit verbreitete, ziemlich eindeutig zu erkennende schwarz-rot-goldene Fahne auf dem Buchtitel "Die Steiermark im Ersten Weltkrieg" nicht als solche identifizieren will, der muss es ja auch nicht.

Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 06, 2014, 19:20:39
Du wirst mir dann sicher erklären können, warum das k.u.k. Steirische Infanteriregiment Nr. 27 "Albert I. König der Belgier die "deutsche" Fahne voranträgt. Und wo die ach so weitverbreitete "deutsche" bei Großveranstaltungen zu sehen ist. Im Übrigen: welche Regierung? Welche Staatsmänner? Kaiser Franz Josef und übermütig? Du solltest doch einmal die Quellen deines "Wissens" offenbaren.
Natürlich bejubelte das Volk - und nicht nur das "einfache" - nicht den 1. Weltkrieg, denn sie wußten noch nichts davon. Sie dachten, das wäre eine rasche Fahrt nach Serbien, und das war's dann.
Und: nur weil du etwas unterstreichst, wird es nicht wahr.
Erstellt am: Mai 06, 2014, 18:41:05
Und noch ein Buchtip:
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 06, 2014, 20:45:48
"Du wirst mir sicher...!"  "Und wo die ach so..." [Ch. Wagner]

Nein! Werde ich nicht. Woher wieder dieser Aggressionsschub? Deinen geworfenen Fehdehandschuh kannst du behalten.

Trotzdem möchte ich versuchen, historische Tatsachen, von denen ich bisher annahm, dass diese unter geschichtlich Gebildeten außer Streit stehen, etwas mehr zu veranschaulichen.
Ja, es fällt mir nicht leicht, auf Anhieb Beweisstücke zu finden, wie stark Schwarz-rot-gold im alten Österreich öffentlich gegenwärtig war. Noch einmal: Schwarz-rot-gold war nicht  die Fahne des zweiten Deutschen Reiches, denn diese war damals schwarz-weiß-rot.
Ich versuche, die Entstehung meiner Eindrücke über die steirische Geschichte einfach zu illustrieren mit einer Postkarte von der Grazer Herbstmesse sowie mit einer Werbe-Postkarte zum  Sängerbundesfest Graz 1902.

Wenn dazu jetzt einer sagt, nein, das kann alles nicht sein, das akzeptiere ich nicht, weil mir das nicht in den Kram passt oder mir gegen den Strich geht oder er unbedingt recht behalten will: Bitte schön. Dann glaubt er es eben nicht. Na und? Bekanntlich herrscht relative Meinungsfreiheit.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 06, 2014, 23:14:59
Vielen Dank für die Belehrung!  ;)

Ich mache mir keine Sorgen darüber, dass jeder hier sich selbst ein Bild sich machen kann und dies auch tut. Gott sei Dank gibt es ja keine verordnete Einheitsmeinung, auch wenn Immerdieselben hier gerne ein Monopol auf Geschichtsdeutung hätten, weil sie mit Meinungspluralismus und Deutungsvielfalt nicht umgehen können. Durch Quantität ihrer Beiträge versuchen sie dann den vermeintlichen "Feind", den sie im Fadenkreuz haben, zu überrollen und plattzumachen.

Aus Gesprächen weiß ich, dass diese Platzhirschmentalität viele Besonnene leider überhaupt davon abschreckt, öfter zu posten. Auf Dauer kann ich natürlich auch nicht mithalten und muss irgendwann einfach vor der Übermacht "kapitulieren": Ich stehe im vollen Berufs- und Familienleben und will mich in der wenigen verbliebenen Freizeit nicht auch noch mit Unduldsamkeit konfrontiert sehen, die einem auf den Magen schlägt.

Aber ich gebe die Hoffnung noch immer nicht ganz auf, dass wir hier alle vielleicht noch einmal eine echte Diskussionskultur mit Respekt für andere Meinungen zusammenbringen. Von Selbstreflexion möchte ich mich selbst auch nicht ausnehmen.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 07, 2014, 09:12:12
Auch in blauer Schrift wird es nicht wahr: wenn du behauptest, die Fahne auf dem sw-Bild ist schwarz-rot-Gold, dann wirst du sicher einen Beweis dafür haben. Nein? Und was daran ist aggressiv, wenn ich um eine Erklärung frage. Du antwortest mir mit bekannten kolorierten Ansichtskarten von 1902, die wohl mit dem 1. Weltkrieg nichts zu tun haben. Ebenso hättest du mir die Farben der schlagenden Verbindungen von Graz zeigen können. Also, was soll das.
Ich habe nie behauptet, geschweige denn geschrieben, daß schwarz -rot-Gold die Farben des deutschen Reichs waren, möglicherweise hast du die Anführungszeichen übersehen.
Ich deutle nicht an der Geschichte herum. Es gibt einfach Fakten, die man eben kennt oder nicht kennt. Du hast deine Meinung, die allerdings beruht auf Halbwissen.
Du weißt aus Gesprächen, daß Viele aus Angst vor mir (und wahrscheinlich auch Dietmar) hier nicht mitzuschreiben wagen. Und das wir für deine zukünftigen Magengeschwüre verantwortlich sind. Ein interessanter Ansatz von Gesprächskultur, die du einforderst.

Eine simple Antwort hätte genügt: die Fahne auf dem Buchumschlag ist die schwarz-rot-goldene, weil: ? Und das ist der Fehdehandschuh? Eine simple Frage? In einer Diskussion mit dir sind Fragen unzulässig?
Aber eben: Glauben heiß nichts wissen. So einfach ist das halt.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 07, 2014, 10:38:15
Erst vor einer Woche hast du den Neu-User "Trolly" gleich einmal verbal unter der Gürtellinie attackiert, weil er sich partout nicht "Trolley" nennen wollte. Aber bitte, ist ja mittlerweile alles Gott sei Dank gelöscht.
Das sollen wohl alle schnell vergessen.

Jedenfalls habe ich kein Problem, deine Meinung zu akzeptieren, auch wenn sie noch so an den Haaren herbeigezogen erscheint, wie, dass etwa die Farben einer schlagenden Verbindung über der Grazer Herbstmesse thronen sollten?!?

Ich habe es begrüßt, dass du die Diskussion über den 1. Weltkrieg begonnen hast, wenngleich ich mich im selben Atemzug darüber geärgert habe, dass du mit deiner Formulierung den damaligen Menschen unterstellst, den "Beginn des 1. Weltkriegs größtenteils mit großem Jubel" begangen zu haben. Denn das einfache Volk begrüßte KEINESFALLS einen Weltkrieg, viele wollten eben (fatalerweise) gerne im Rahmen einer vermeintlich zweiwöchigen, begrenzten "Strafaktion" gegenüber Serbien für das attackierte Kaiserhaus ihre Tapferkeit und Schneidigkeit unter Beweis stellen.

Meine Erkenntnisse habe ich geschrieben, dem ist nichts hinzuzufügen. Ich habe auf einen an und für sich bekannten und weitgehend unbestrittenen Umstand hingewiesen. Wer diesen nicht akzeptieren will, dem sei das unbenommen.

Ende des mir aufgezwungenen Hickhacks und einen schönen Tag!
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 07, 2014, 15:40:52

Erst vor einer Woche hast du den Neu-User "Trolly" gleich einmal verbal unter der Gürtellinie attackiert, weil er sich partout nicht "Trolley" nennen wollte.


Ich habe @trolly darauf hingewiesen, was sein Name auf Deutsch bedeutet, aber nur nebenbei. Und wie sich Jemand nennt, ist mir so was von egal.
Du hast allerdings behauptet, daß das Regiment eine schwarz-rot-goldenen Fahne trägt. Und ich wollte von dir wissen, wieso du das meinst. Und da verweigerst du die Antwort. So einfach ist das.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 07, 2014, 16:43:16

..., daß das Regiment eine schwarz-rot-goldene Fahne trägt. Und ich wollte von dir wissen, wieso du das meinst.


Auf diese Art kommt man doch viel schneller zum Wesentlichen!

Ich vermute das einfach, weil

1. die Farbkombination auf dieser sehr scharfen Schwarzweißaufnahme ziemlich gut zu erahnen ist, weil meines Wissens nach wiederum
2. Schwarz-rot-gold in öffentlichen Räumen/ Plätzen der deutsch(sprachigen) Teile Österreichs* sehr häufig anzutreffen war, noch weit häufiger als die damaligen "Bismarck-Straßen" und "-Plätze".

Dass das alles noch kein Beweis ist und ich im speziellen Falle dieser Fotografie rein theoretisch auch falsch liegen könnte, ist mir bewusst. Ich erbitte nur ein klein wenig freie Meinungsäußerung, auch auf die Gefahr hin, mich einmal zu irren.

MfG

*In etwa die heutigen Bundesländer ohne das damals unter Magyarisierungsdruck stehende Deutsch-Westungarn, dafür plus Nordböhmen, Nordmähren und Österreichisch-Schlesien. Aufzählung unvollständig.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 07, 2014, 17:04:23

Schwarz-rot-gold in öffentlichen Räumen/ Plätzen der deutsch(sprachigen) Teile Österreichs* sehr häufig anzutreffen war, noch weit häufiger als die damaligen "Bismarck-Straßen" und "-Plätze".


Bismarck hatte allerdings nichts mit dem 1. Weltkrieg zu tun, er trat schließlich schon (~)1880 zurück. Die nach ihm benannten Straßen und Plätze rühren von den sehr milden Friedensbedingungen nach dem verlorenen Krieg gegen Preussen, die Bismarck durchsetzen konnte.

Das von die angesprochene Fest des Sängerbundes war ein Treffen aller national-deutschen Vereine, kein Wunder, daß da auch die "deutsche" Flagge gezeigt wurde. Aber nicht in dem Ausmaß, wie du es vermutest. Zudem hatte Graz schon seit lange einen Hang zum Deutschnationalem.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 07, 2014, 20:20:32
Ich sage noch immer: Schwarz-rot-gold war damals "Mainstream" des Bürgertums wie auch sogar der sogenannten Arbeiterklasse und nichts Sektiererisches.

Zwar wurde Bismarck von Wilhelm II. nicht (~)1880, sondern genau im Jahr 1890 aus dem Amt des Ministerpräsidenten gedrängt, aber das ist auch schon egal.

Die nach Bismarck benannten Straßen und Plätze rühren von den sehr milden Friedensbedingungen nach dem verlorenen Krieg gegen Preussen, die Bismarck durchsetzen konnte.


So ist es.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Manfred am Mai 08, 2014, 22:54:45
Nicht nur Graz hatte einen Hang zum deutschnationalen, sondern alle deutschen in der Monarchie fühlten sich eben als Deutsche, zum Unterschied zu den anderen Österreichern wie Slowenen, Tschechen usw. Immerhin hieß es in der Nationalhymne der ersten Republik
Deutsche Arbeit, ernst und ehrlich,
Deutsche Liebe, zart und weich -
Vaterland, wie bist du herrlich,
Gott mit dir, mein Österreich!
Und das zu Haydns Melodie des Kaiserliedes, der Melodie der heutigen deutschen Nationalhymne.

Erst nach dem zweiten Weltkrieg wollten wir mit den deutschem Naziland nichts mehr zu tun haben, und taten so als ob in Berlin und nicht in Wien die Juden die Gehsteige mit dem Zahnbürsterl putzen mussten. Und Eichmann war natürlich ein Deutscher, und Hitler wurde sein Judenhass wahrscheinlich auch erst in Berlin eingebläut. Es gab dann auch keinen Unterrichtsgegenstand Deutsch mehr, da stand in meinem Zeugnis Unterrichtssprache.
Und nachdem wir alle nun Österreicher und keine Deutschen mehr waren, hatten wir auch mit dem Naziterror nicht mehr das Geringste zu tun, sondern waren das erste Opfer geworden.
So großartig ist die Nationswerdung Österreichs. Wir waren plötzlich die unschuldigen besseren (Deutschen).
Deshalb bin ich glühender mehrsprachiger Europäer, nachdem Deutsch meine Muttersprache ist, auch Deutscher und ich fühle mich trotzdem wohl mit meinem österreichischem Pass.
Mag für manchen Österreichpatrioten schrecklich klingen, aber ich meine wir sollten unseren Kirchturmpatriotismus doch überdenken.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 09, 2014, 13:49:59
Aha, also ein Tomaten und Tschüssi Sager.
Da brauchst du gar nicht die Ex-Bunde4shymne zitieren, da reicht die steirische: "Wo noch deutsches Wort und Handschlag gilt", "Für den Kaiser gern jeder sich rafft, und dann eisern steht in Schlachtenreih'". Und bis ins Wendenland im Savetal und Rebenland im Drautal geht's wohl auch nimmer ganz. Aber niemand ruft nach einer Groß-Steiermark. Und die Geschichte Österreichs mit der Deutschlands gleichzusetzen, ist hanebüchener Unsinn.
Aber hier geht's ja um den 1. Weltkrieg, und da haben insbesondere die Militärs doch ganz gewaltige Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen gemacht. Da solltest du einmal nachlesen, was C.v.Hötzendorf von Hindenburg gehalten hat (und umgekehrt ebenso).
Und doch noch einmal zu Hitler: nachdem er im 1.WK Gefreiter bei einem bayerischen Regiment war, besaß er keine österreichische Staatsbürgerschaft mehr, hatte aber auch keine deutsche. Um also Reichskanzler zu werden, mußte er erst um die österreichische ansuchen, damit er die zurücklegen und dann die deutsche annehmen konnte. A bissi kompliziert, aber so war es halt.
Antisemitismus mußten die Österreicher natürlich nicht von den Deutschen lernen, da reichten schon Schönerer, Lueger, die katholische Kirche und noch andere.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 09, 2014, 21:19:34

Aha, also ein Tomaten  und Tschüssi  Sager.


Bitte, wenn schon, dann Tomaten- und Tschüssi-Sager, mit  den orthografisch nötigen Bindestrichen.

Aber warum schreibst du das? Du möchtest damit doch hoffentlich keine Ressentiments schüren, oder? Abstempeln Andersdenkender war Gestern. Kennst du Manfred denn so gut? Vielleicht sagt er ja privat auch "Grüaß di!" und "Pfiat di!" bzw. "Grüaß enck!" und "Pfiat enck!", oder er präferiert das lateinische "Servus" in abgeschliffener Form wie "Seass!"? Oder er bedient sich des "neudeutschen" "Hi!"... Woher nimmst du die Sicherheit?

Ich hoffe jedenfalls, dass du dich auch über "Ticket"-Automatenaufschriften mindestens so viel beschwerst als wie über "Tomaten-Sager". Nachdem wir das französische Billet  überwunden hatten, war doch Fahrschein  stets eine treffende und populäre Bezeichnung! Ach ja, verstehe, die unbezähmbaren Massen englischsprachiger Touristen in Graz, die unsere Öffis verstopfen und sich die Klinke in die Hand geben, und die ja keine Piktogramme verstehen. Die schätzen wir großspurig als zu dumm ein, ein paar wenige deutsche Ausdrücke zu lernen.

Es ist dagegen sehr lobenswert, dass du die steirische Landeshymne wieder ins Gedächtnis rufst, die das vielhundertjährige Herzogtum Steiermark vor dem Ersten Weltkrieg besingt. In der slowenischen Steiermark, der Štajerska, im "Wendenland am Bett der Sav'", fühlen sich viele Bewohner heute noch als Steirer (Štajerci/ Štajerke), das beweisen viele privat(wirtschaftlich)e Aufschriften wie Štajerski Autodom, Štajersko Vino, štajersko bučno olje uvm. Oft habe ich in Slowenien gehört: "Ah, ihr kommt aus Obersteiermark (=nördlich von Spielfeld). Hier ist Untersteiermark!" Ich finde ein Bewusstsein des gemeinsamen steirischen Erbes diesseits und jenseits der Staatsgrenze sehr förderlich für beide Teile.



Aber niemand ruft nach einer Groß-Steiermark.


Was zum Henker soll denn das wieder sein?!?
Was auch immer du damit meinst, ich hätte hier bei niemandem gelesen, dass er die Staatsgrenzen, die in der Folge des 1.WKs gezogen wurden, infrage stellen würde...



Und die Geschichte Österreichs mit der Deutschlands gleichzusetzen, ist hanebüchener Unsinn.


Wer  hat das wo  getan?
"Hanebüchen" meinst du? Bist du etwa ein "Tschüssi-Sager"?


Aber hier geht's ja um den 1. Weltkrieg, und da haben insbesondere die Militärs doch ganz gewaltige Unterschiede zwischen Österreichern und Deutschen gemacht. Da solltest du einmal nachlesen, was C.v.Hötzendorf von Hindenburg gehalten hat (und umgekehrt ebenso).


Und erst die Unterschiede zwischen dem tiefkatholischen Bayern, dem leichtlebigen Rheinland und dem spartanischen, pflichtbewussten Preußen. Na ja, die "vernachlässigbaren" Unterschiede zwischen Nord- und Süditalien sowie zwischen Nord- und Südfrankreich hast du sicher bedacht abgewogen...

Und überhaupt: Eggenberger sind keine Grazer, denn Eggenberg ist ja Eggenberg! Haben doch die "Nazifaschisten" 1938 die Arbeiterstadt Eggenberg einfach der Gauhauptstadt angeschlossen! Ohne lange zu fragen, eine Frechheit! Das gehört schnellstens rückgängig gemacht!

Aber ja, Kronzeuge C.v.Hötzendorf, der das Habsburger-Vielvölkerreich schon 1907 durch Präventivschläge gegen Italien und Serbien "retten" sowie Serbien und Albanien annektieren wollte. Wirklich reizend. Trotzdem Ehre seinen militärischen Verdiensten im 1.WK.


Antisemitismus mußten die Österreicher natürlich nicht von den Deutschen lernen, da reichten schon Schönerer, Lueger, die katholische Kirche und noch andere.



Haben wir's endlich geschafft: Einer wirft dem anderen vor, der noch größere  "Antisemit" zu sein... So isses brav und politisch korrekt!
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Manfred am Mai 10, 2014, 00:20:39
Die Nationswerdung Österreichs hat sehr wohl mit dem ersten Weltkrieg zu tun, denn nach dem Willen der Siegermächte durfte sich das überbleibende Österreich indem etwa die Hälfte der 12 Millionen deutschen Bewohner der Monarchie lebten trotz diesbezüglichem Nationalratsbeschluss nicht an Deutschland anschließen. Und selbstverständlich hat die österreichische Geschichte mit der deutschen nach Herrn Wagners Meinung überhaupt nichts zu tun, außer dass die Habsburger jahrhundertelang außer österreichischen Erzherzogen nebenbei noch deutsche Kaiser waren. Und für einen unbedeutenden Dichter namens Goethe war Wien gar die deutsche Hauptstadt. Es gibt im deutschen Sprachraum in verschiedenen Gegenden für gleiche Dinge nun einmal verschiedene Worte. Ich muss daher keineswegs Tschüss und Tomate verwenden und spreche trotzdem noch deutsch, finde hingegen Ticket anstatt Fahrkarte mehr als unnötig. Und andere Ansichten und Feindschaften dürfen auch Personen gleicher Nationalität haben. Schließlich war Conrad von Hötzendorf ein Versager, der schon bei seinem überaus verlustreichen Feldzug gegen das kleine Serbien deutsche Hilfe benötigte. Und wenn C. Wagner meint, ein besserer Mensch zu sein, weil er ausschließlich Österreicher und kein Deutscher ist, so lasse ich ihn gerne in seinem Glauben, wenn diese Festlegung sein Wohlbefinden steigert.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 10, 2014, 11:42:53
Auf Viators Beitrag einzugehen, lohnt sich nicht. Es mangelt ihm einfach an Faktenwissen.

Schau, Manfred, ich finde die Verenglischung genauso deppat wie die einstige Eindeutschung. Das früher durchaus übliche Trottoir ist ebenso verschwunden wie das Perron. Hinübergerettet hat sich noch das Lawur und die Pompfineberer. Goethe hatte zweifelsohne in seiner Eigenschaft als Geheimrat von Weimar, quasi als Minister also, durchaus gute Beziehungen zu Wien, dat er doch den Adelstitel durch Metternich bekommen und konnte erst dami auch am gleichen Eßtisch mit dem Herzog sitzen.
Später hat er auch noch den Adelstitel für Schiller, der ja in Württemberg als Fahnenflüchtiger galt, über Metternich erreicht.
Der berühmte Weißwurstäquator ist durchaus auch als Sprachgrenze zu sehen, man könnte das "Österreichisch" durchaus als Abart des Ostbajuwarischen bezeichnen. Allerdings haben sich besonders im Wien der Monarchie sehr viele, insbesondere slawische Ausdrücke im Arbeitermilieu breitgemacht, ebenso wie im Bürger- und Großbürgertum die französischen. Und so hat sich eben eine österreichische Hochsprache entwickelt. Ein Vergleich mit der Schweiz bietet sich an: ich halte das Schweizerdeutsch für eine eigene Sprache, die Kantone haben ihre eigenen Dialekte.
Ich bin natürlich kein besserer Mensch, weil ich Österreicher bin. Obzwar ich bei meine vielen Reisen als Österreicher freundlicher behandelt wurde uns werde, als wäre ich ein Deutscher. Und eir gehen, die Deutschen laufen. Und wir gehen in die Schule und die Deutschen zur Schule - und das erklärt doch schon den Unterschied.
Aber mir geht es am Oasch vorbei, ob Österreich im Fußball gewinnt, ob Conchita Wurst gewinnt, oder sonst was in der Art.
Aber Österreicher zu sein trägt schon auch zu meinem Wohlbefinden bei.

LG! Christian
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Metro5 am Mai 11, 2014, 23:08:09
Ich fühle mich als Deutscher und Österreicher, da meine Mutter aus Deutschland kommt und mein Vater aus Österreich. Ich sehe diese zwei Entitäten als Unterschiedliches an. Das sprachliche Argument ist zwar zentral (ist ja auch der deutlichste Beweis für die Unterschiedlichkeit  :ätsch: ), aber nichts Allumfassendes. In diesem Sinne könnte man ja auch meinen, dass es keine Belgier, Kroaten, Serben, Bosnier, Mazedonier, Amerikaner usw. gibt, da die auch keine "eigenen" Sprachen haben.

Was das Deutschsein im Bezug auf die Rolle Österreichs in der Nazizeit angeht: Man muss nicht Deutscher sein, um Nazi zu sein!

Hinzuzufügen ist: Das heutige Österreich hat seine kulturellen (und damit zu einem gewissen Grad sprachlichen) Wurzeln ja auch in den nicht deutschsprechenden Völkern der ehemaligen Donaumonarchie, eine Tatsache, die gern geleugnet wird und deren Komplexität wir uns erst langsam bewusst werden. In diesem Sinne: Die Mišung mocht's!
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Manfred am Mai 13, 2014, 00:46:08
Jede Region in Deutschland hat seine eigene Sprache, die ich eher Dialekt nennen würde, seine speziellen Speisen usw. Daher brauchen wir uns nicht einzubilden etwas ganz besonderes zu sein. Und weil Vorarlberg sprachlich ganz anders ist als Ostösterreich, sollten wir das weder  ignorieren noch dieses Bundesland an Deutschland oder die Schweiz abtreten. Die dürfen hoffentlich auch ohne böhmische Küche und trotz dort unbekanntem Wort Paradeiser Österreicher bleiben.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 13, 2014, 08:20:18

Jede Region in Deutschland hat seine eigene Sprache, die ich eher Dialekt nennen würde, seine speziellen Speisen usw. Daher brauchen wir uns nicht einzubilden etwas ganz besonderes zu sein. Und weil Vorarlberg sprachlich ganz anders ist als Ostösterreich, sollten wir das weder  ignorieren noch dieses Bundesland an Deutschland oder die Schweiz abtreten. Die dürfen hoffentlich auch ohne böhmische Küche und trotz dort unbekanntem Wort Paradeiser Österreicher bleiben.



Die Vorarlberger wollten aber zur Schweiz!
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Metro5 am Mai 13, 2014, 16:53:52
Die Vorarlberger leben in Österreich, haben einen österreichischen Pass und sind daher Österreicher. Ob jemand nun Allemannisch, Bairisch, Slowenisch, Kroatisch, Ungarisch, Romani, Schönbrunner Deutsch oder Türkisch spricht, spielt nicht die geringste Rolle, wenn er oder sie österreichischer Staatsbürger ist. Wie ich zuvor bereits geschrieben habe: Das deutsche Element ist sicherlich ein sehr zentrales Element in dem, was heute Österreich ist, aber es ist eben nur eines von mehreren. Die Frage, ob das "etwas ganz Besonderes" ist, ist dabei im österreichischen Kontext völlig irrelevant.

Mir gehen diese "Aber in Deutschland..."-Vergleiche ehrlich gesagt schon ziemlich auf die Nerven. Fakt ist, dass Österreich ein eigenständiger Staat mit einer eigenen Bevölkerungsstruktur ist. Und darum müssen wir Österreicher uns kümmern, ob's uns passt oder nicht. Den Bewohnern der Bundesrepublik sind wir nämlich für gewöhnlich schnurz-piepen-wurscht.

Jeder Österreicher, der sich ethnisch als Deutscher fühlt, hat absolut das Recht, sich so zu fühlen. Aber genauso hat jeder Österreicher, der sich als ethnischer Österreicher fühlt, ebenso das Recht dazu. Ich sehe wirklich keinen Grund, dies irgendjemandem abzusprechen.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Sanfte Mobilität am Mai 13, 2014, 17:07:22
Das ist ein sehr heikles Thema:

1. Es gibt sehr wohl - aus diversen Gründen - große Unterschiede zwischen den Deutschen und den Österreichern, insofern sind es schlichtweg zwei "Nationen", auch wenn in einigen Bereich der gleiche Dialekt (bairisch) gesprochen wird

2. Die Frage nach der österreichischen Nation beginnt aber spätestens 1804 als es das "Kaiserthum Oesterreich" gab, aber eigentlich schon zu dem Zeitpunkt, wo irgendwo in Niederösterreich das entstand, was nach 996 "Land im Osten" heißt

3. Die Babenberger und die Habsburger, also jene Dynastien, die u. a. das Gebiet des heutigen Österreichs regierten, hatten nichts mit "Nationen" im herkömmlichen Sinne am Hut, weil sie als Erbmonarchien schlichtweg dynastisch dachten (man erinnere sich an Kaiser Franz Josephs "An meine Völker!") - das Denken in "Nationen" ist ein zutiefst französische bzw. v. a. deutsche Sache, und hat, wie wir wissen, ziemlich viel Unheil angerichtet

W.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 13, 2014, 17:11:51

Die Vorarlberger leben in Österreich, haben einen österreichischen Pass und sind daher Österreicher.


Ich redete von der Volksabstimmung vom 11. Mai 1919, bei der 80% der Vorarlberger für die Einleitung von Verhandlungen zur Aufnahme in die Schweiz stimmten.

Heute sind nur mehr 70% dafür.

LG! Christian
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Metro5 am Mai 13, 2014, 18:21:41
Zitat
3. Die Babenberger und die Habsburger, also jene Dynastien, die u. a. das Gebiet des heutigen Österreichs regierten, hatten nichts mit "Nationen" im herkömmlichen Sinne am Hut, weil sie als Erbmonarchien schlichtweg dynastisch dachten (man erinnere sich an Kaiser Franz Josephs "An meine Völker!") - das Denken in "Nationen" ist ein zutiefst französische bzw. v. a. deutsche Sache, und hat, wie wir wissen, ziemlich viel Unheil angerichtet


So ist es. Und zwar es vorrangig der deutsche, völkische Nationalismus, der dieses Unheil heraufbeschwört. Dies hat dazu geführt, dass die verschiedenen Volksgruppen des alten Österreich aufeinander losgegangen sind und einander schreckliche Dinge angetan haben.

Wenn ich von Österreich als eigene "Nation" spreche, so tue ich das nicht in dieser völkischen Tradition. Auf linguistischer Ebene lässt sich z.B. durch die weitläufige Beibehaltung dialektaler Eigenheiten, aber vor allem durch das Entstehen einer österreichischen - natürlicherweise stark vom Wienerischen beeinflussten - Umgangssprache, so etwas wie ein eigenständiges österreichisches Bewusstsein feststellen. Dies ist in Anbetracht der Eigenstaatlichkeit auch nicht weiter verwunderlich. Ich sehe mich z.B. als Sprecher dieses "Österreichischen", das sich in meinem Fall als ostmittelbairisch-südbairischer Übergangsdialekt mit ostslowenischen Einflüssen (Stichwort Zwielaute, z.B. "Wou hostn dejs hĩtaun?") charakterisieren lässt. An diesem Beispiel lässt sich ersehen, dass Sprache hier nicht der Determinator meiner (österreichischen) Identität ist, sondern umgekehrt meine Identität (mit)ausdrückt. Das lässt sich mMn überdies nicht an einzelnen Wörtern machen, ich sage auch oft "Tomaten"...

Ich bitte, nicht falsch verstanden zu werden: Ich will die Österreicher keineswegs aus ihrer Pflicht nehmen, sich ihrer Verantwortung für die angerichteten Verbrechen in der Nazizeit zu erinnern. Ganz im Gegenteil!
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 13, 2014, 23:07:30


Und zwar es vorrangig der deutsche, völkische Nationalismus, der dieses Unheil heraufbeschwört. Dies hat dazu geführt, dass die verschiedenen Volksgruppen des alten Österreich aufeinander losgegangen sind und einander schreckliche Dinge angetan haben.



Gegen diese sehr einseitige "Schuld"-Zuweisung möchte ich feierlichen Protest einlegen:

Mit dem Mündigwerden des einfachen Volkes, der Entstehung eines Bürgertums, der zunehmenden Emanzipation der Gebildeten von dem Allwissenheitsanspruch der Kirche und dem zunehmenden Infragestellen der Leibeigenschaft bzw. von Untertanentum begann bereits zur Zeit SCHILLERS die Entstehung eines demokratischen deutschen Nationalbewusstseins. Über alle Grenzen der führenden deutschen Großmächte Österreich und Preußen sowie die übrigen ~40 Fürsten- und Königtümer mit ihren selbstherrlich und mehr oder wenig absolutistisch sich gebährdenden Herrschern hinweg. Ein sich bildendes Volksbewusstsein war die logische Folge der zumindest geistigen allmählichen Befreiung aus dumpfem Untertanentum und Bevormundung. Bis dahin war es den Herrschern völlig wurscht gewesen, über was für Nationalitäten sie walteten, Hauptsache, diese bekannten sich zur Religion des Herrschers, ließen sich in dynastische Kriege schicken und stellten weiter keine Fragen.

Dieser deutsche Nationalismus war, im Gegensatz zu anderen, von Anfang an ein minderheitenFREUNDLICHER! Führende deutsche Forscher und Denker begannen sich im Verlauf der "Romantik" sogar mehr und mehr für die Slawen zu erwärmen (Russen, Tschechen, Polen, Kaschuben, Sorben, Windische/Slowenen usw.), deren Geschichte zu erforschen und pathetisch für jene kulturelle Rechte einzufordern. Die Ideen der französischen Revolution von 1789 wurden von der geistigen Elite Deutschlands von Wien bis Berlin und Königsberg begrüßt und Napoléon als "Befreier" von selbstherrlicher Aristokratie und Rückschrittlichkeit zunächst mit offenen Armen empfangen. Erst die Intoleranz des französischen Nationalismus (der keinerlei Minderheiten auf französischem Staatsgebiet leiden konnte: Bretonen, Normannen, Flamen, Okzitanier, Basken, Provenzalen, Elsässer und Deutsch-Lothringer) und Despotie sowie Zentralismus des französischen Imperiums, das Europa unterworfen hatte, schreckte die Deutschen zunehmend ab. Im Rahmen der Befreiungskriege gegen Napoléon, der so viele Deutsche in einen Krieg gegen Russland gezerrt hatte, entstand in deutschen Landen der minderheitenRESPEKTIERENDE, abstammungssensible völkische deutsche Nationalismus, im Gegensatz zum französischen Staatsnationalismus, der kein anderes Volkstum als das französische auf dem damals noch sehr vielvölkisch geprägten französischen Staatsterritorium anerkennen wollte.

Im Zuge der 1848er-Revolution gipfelte dieser liberale, deutsche Nationalismus in der Frankfurter Paulskirchenversammlung, in welcher ein neuer, demokratischer "groß"-deutscher Staat (also das gesamte, geschlossene deutschsprachige Siedlungsgebiet, aber  ohne Anspruch auf Territorien anderer Völker) ausgerufen wurde.  Ja, sogar um deutsche Freiwillige für ein Freikorps zugunsten der "von den Russen unterdrückten" Polen(!) wurde 1848 geworben!
Schlimmerweise wurde aber diese neue, freiheitlich-demokratische deutsche Reichsgründung von den damals noch übermächtigen, autokratischen Fürsten unter Schmähungen abgelehnt und deren Verfechter mit Waffengewalt bekämpft.
Das Schicksal ging überhaupt ganz andere Wege: Parallel zur liberalen, minderheitenfreundlichen deutschen Freiheits-Bewegung in Frankfurt 1848 fand in Prag zur selben Zeit der Panslawistenkongress statt. Dort wurde die Forderung erhoben, "endlich" alle Deutschen östlich der Linie Stettin - Triest zu vertreiben(!) Niemand wollte damals glauben, dass es nicht einmal hundert Jahre (1945) danach möglich sein würde, Abermillionen Menschen von Haus und Hof zu verjagen, nur weil sie Deutsch sprachen, und damit ganze Ländereien, weit größer als das heutige Österreich, zu entvölkern und durch andere, genehmere Bewohner unter Verödung weiter Landstriche teilweise neu zu besetzen. Solche Vorankündigungen verschlechterten natürlich das Klima zusehends, sodass leider auch das deutsche Nationalbewusstsein zugegebenermaßen immer weniger duldsam wurde. In der Folge begannen die sich an die Wand gedrängt fühlenden deutschen Österreicher sich immer aktiver den Forderungen tschechischer Österreicher in Böhmen und Mähren bzw. slowenischer Österreicher in Krain und der Untersteiermark usw. entgegenzustemmen; die Nationalitätenkonflikte der Habsburgermonarchie nahmen ihren Lauf.




Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Metro5 am Mai 14, 2014, 13:23:33
Aha, dann sind also Slawen und Franzosen an dem schuld, was im Namen des "Deutschtums" im frühen zwanzigsten Jahrhundert passiert ist. Bist du dir da auch ganz sicher? Klingt ziemlich nach einseitiger Schuldzuweisung...

Im Übrigen sehe ich wirklich nicht, wo hier in meinem Zitat Einseitigkeit zu erlesen ist. Das Schlagwort "deutscher, völkischer Nationalismus" bezieht sich auf die Tatsache, dass diese Form der Identitätsstiftung aus einer in Deutschland und Österreich vorherrschenden Denktradition entstanden ist und nicht, dass nur die deutschsprachigen Österreicher Schlimmes getan hätten. Wenn du die Vertreibung der Deutschen aus Tschechien schon als Vergleich heranziehst, dann wäre es aber - im Sinne der Objektivität - schon auch nötig, die Situation Tschechiens in der Nazizeit zu erwähnen!

Dieses "Die armen Deutschen waren doch eh so nett" kann ja wohl nicht dein Ernst sein!
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Manfred am Mai 14, 2014, 16:33:01
Bereits nach dem ersten Weltkrieg forderte die Tschechoslowakei die Donau als Grenze. Immerhin erhielten sie gegen den Willen der dortigen Bevölkerung mit Pressburg wenigstens den Zugang zur Donau. Es gab da keine Slowaken, sondern nur Ungarn und Deutsche Bewohner. Aber schließlich mussten ,,Sieger" des Krieges belohnt werden.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden alle deutschsprachigen Beamten in der Tschechei entlassen und durch tschechischsprachige ersetzt. Daher war die Arbeitslosigkeit unter Deutschen 5 Mal so hoch wie unter Tschechen. Es wurden für tschechische Beamte in den deutschsprachigen Gebieten eigene Schulen gebaut. Dass das Naziregime ein Verbrecherregime war, hat sich bei uns schon längst herumgesprochen. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass beim Anschluss des Sudetenlandes an Deutschland diese tschechischen Beamten einfach enteignet und in die Resttschechei abgeschoben wurden. Und die Ermordung unschuldiger Bewohner des Dorfes Lidice ist bei uns auch den meisten bekannt. Weniger bewusst ist uns offensichtlich dass nach dem zweiten Weltkrieg die etwa 3,5 Millionen deutschen Bewohner Böhmens allesamt enteignet und vertrieben oder ermordet wurden. Sie waren nun wehrlos geworden und konnten, wie bereits 1918 von vielen Tschechen gefordert, endlich vertrieben werden. Die dabei erfolgte Ermordung von 241.000 deutschen Bewohnern wurde straffrei gestellt. Offensichtlich hatte den Tschechen der Naziterror so gefallen, dass sie so etwas unbedingt auch machen mussten. Das hinderte die Tschechen aber nicht daran, für Benes 60 Jahre später die Ehrenbürgerschaft zu fordern. Immerhin ist bei uns Hitler nicht mehr so hoch im Kurs.

Wer von euch ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein...

Und hätte es nach dem ersten Weltkrieg einen gerechten Frieden gegeben, hätte es kaum einen Hitler und dessen Folgen geben können. Ohne Hitler hätte es aber auch keine Vertreibung von Deutschen geben können. Schauen wir daher, dass wir unseren Frieden bewahren, sehen wir uns als Europäer, und hören wir auf uns gegenseitige Schuld zuzuweisen. Vergangenes kann man nicht mehr ungeschehen machen. Und da offensichtlich alle Völker ihren Anteil an Schuld haben, sollten wir aufhören auf andere mit dem Finger zu zeigen. Viele Jahrhunderte lang haben verschiedene Völker in der Habsburgermonarchie friedlich zusammengelebt. Und so sollte unser Zukunftsmodell innerhalb der EU aussehen.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Sanfte Mobilität am Mai 14, 2014, 16:54:01
Aber wir fangen hier jetzt nicht an, irgendwelche Greueltaten o. ä. gegeneinander aufzurechnen?

Man kann gerne die Friedensordnung nach dem 1. Weltkrieg für die politischen Verwerfungen danach (mit-)verantwortlich machen, aber nicht die unbeschreiblichen Greueltaten, die damit im Zusammenhang stehen! Das war, ist und bleibt unmenschlich und ist durch nichts zu entschuldigen oder zu relativieren.

W.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 14, 2014, 18:43:01

Führende deutsche Forscher und Denker begannen sich im Verlauf der "Romantik"


Das ist so wie " es ist wissenschaftlich erwiesen", also Schall und Rauch.
Also nenne einfach einmal Namen und Veröffentlichungen.

@Dietmar: Weder seinerzeit St. Georg oder jetzt Viator wird das tun, er weiß doch schon alles.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 14, 2014, 21:06:44
@Ch.Wagner

Das wundert mich jetzt schon: Für einen, der sich so allwissend und den anderen in Bezug auf geschichtliche Detailkenntnisse so demonstrativ überlegen fühlt wie du, bist du bezogen auf das Zeitalter der Aufklärung seltsam unbeleckt:

Niemand geringerer als GOETHE, SCHILLER, WIELAND und noch mehr HERDER prägten maßgeblich einen idealistischen, humanistischen deutschen Nationalismus, der alle anderen Völker als gleichwertig betrachtete:

HERDER sammelte außerdem deutsches Liedgut, altnordische Texte und antwortete sehr bescheiden auf die Frage, was eine Nation sei:

   ,,Ein großer, ungejäteter Garten voll Kraut und Unkraut. Wer wollte sich dieses Sammelplatzes von Torheiten und Fehlern so wie von Vortrefflichkeiten und Tugenden ohne Unterscheidung annehmen und...gegen andre Nationen den Speer brechen?... Offenbar ist die Anlage der Natur, daß wie Ein Mensch, so auch Ein Geschlecht, also auch Ein Volk von und mit dem anderen lerne...bis alle endlich die schwere Lektion gefaßt haben: kein Volk ist ein von Gott einzig auserwähltes Volk der Erde; die Wahrheit müsse von allen gesucht, der Garten des gemeinen Besten von allen gebauet werden."

Beinahe gleichzeitig wurde im tschechischen Kernböhmen aufwendig eine "Königinhofer Handschrift" gefälscht, um einen deutschfeindlich gesinnten tschechischen Nationalismus anzufeuern und einen "Anspruch" auf das ganze Böhmen und Mähren, also samt die weiten deutschsprachigen Gebiete in diesen Kronländern, zu konstruieren. Doch erst im späten 19.Jahrhundert begann auch der deutsche Nationalismus weniger duldsam zu werden wie die anderen.



Aber wir fangen hier jetzt nicht an, irgendwelche Greueltaten o. ä. gegeneinander aufzurechnen?

Man kann gerne die Friedensordnung nach dem 1. Weltkrieg für die politischen Verwerfungen danach (mit-)verantwortlich machen, aber nicht die unbeschreiblichen Greueltaten, die damit im Zusammenhang stehen! Das war, ist und bleibt unmenschlich und ist durch nichts zu entschuldigen oder zu relativieren.

W.


Vor Aufrechnungen hätte ich keine Angst, solange sie sachlich bleiben und ohne feindseligen Unterton. Immerhin wurde mehr als alles von unserer Seite Begangene ausführlichst und penibelst untersucht und in alle Welt hinausposaunt, verurteilt und letztlich mit der Entvölkerung riesiger Landstriche zugunsten neuer Ansiedler "bestraft". Aber wie sieht es mit der Selbstkritik der vermeintlichen "Opferseite" aus?
Hast du gemeint, die Austreibung sämtlicher 3.500.000 altösterreichischer Sudetendeutscher aus Böhmen und Mähren mit einer Todesrate von 240.000, vom Baby bis zum Greis, Mann wie Frau, persönlich schuldig oder nicht, sei eine Art "gerechte Strafe" für "deutsche Untaten"? Falls ja, dann möchte ich fragen dürfen: Wo liegt für dich der Schwellenwert für einen solchen "Urteilsspruch"? 6 Jahre Besetzung und 3 x Lidice, oder hätten vielleicht schon 4 Jahre Besetzung und 1x Lidice genügt??? Oder vielleicht schon alleine die Entlassung der nach 1918 in den sudetendeutschen Gebieten neu angestellten tschechischen Beamten? Bitte um Aufklärung.

Trotz allem bin ich natürlich wie Manfred für gutes europäisches Einvernehmen und Zusammenarbeit. Die heutigen Tschechen können für die Geschichte nichts und sollen daher auch nicht von mir angegriffen erscheinen. Aber nach einer ordentlichen gegenseitigen Aufrechnung kann das gegenseitige Verhältnis nur besser werden. Ich freue mich auch über Zugverbindungen wie Graz - Prag.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Sanfte Mobilität am Mai 14, 2014, 22:07:15
@Viator

Ich habe hier nicht von irgendwelchen Strafen oder irgendwelcher Aufrechnung von Greueltaten gesprochen - ganz im Gegenteil!!! Man kann da nix aufrechnen, was aber hier gerade versucht wird! Die erwähnten Untaten sind passiert, keine Frage, das rechtfertigt aber keine Aufrechnung o. ä.

W.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 14, 2014, 22:17:16
Vielleicht meinen wir Unterschiedliches. Was verstehst du unter "Aufrechnung"?

Für mich wäre dies einfach eine unsentimentale, schonungslose Gegenüberstellung geschichtlicher Fakten, die zur Läuterung beiträgt, über der man sich zum Schluss die Hand reichen kann und soll. Vor diesem Aufrechnen wird immer zurückgeschreckt, obwohl gerade wir uns davor nicht mehr schrecken müssen. Was wurde uns denn nicht schon alles vorgeworfen? Auch in der Selbstkritik sind wir Weltmeister. Eine restlose Aufrechnung wäre für mich die beste Basis für Frieden und dauerhafte Aussöhnung. Diese wünsche ich mir auch und gerade mit den Tschechen. Aber Aussöhnung kann man nicht alleine betreiben, dazu gehören zwei und jeder muss bereit sein, etwas einzustecken. Es gibt keine Täter >>> Opfer - Einbahnstraße.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Sanfte Mobilität am Mai 15, 2014, 08:15:26
Mit Aufrechnung meine ich das gegeneinander aufrechnen von Greueltaten als Rechtfertigung selbst Greueltaten zu verüben - nichts anderes.

Hier wurde versucht die Vertreibung und den Mord an Österreichern mit den Taten der Nazis aufzurechnen - das kann man aber nicht machen!

W.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 15, 2014, 09:05:29
Viator, du meinst eh den Herrn Goethe, der Todesurteile unterschrieben oder Sträflinge nach England verkauft hat. Und von dem auch (sehr wahrscheinlich) die Weisheit stammt: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"

Aber bleiben wir doch beim Thema: schauen wir uns einmal an, wie das österreichische Militär mit den Zivilisten umgegangen ist, und daran durchaus auch Freude zeigte
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 15, 2014, 22:25:21

Viator, du meinst eh den Herrn Goethe, der Todesurteile unterschrieben oder Sträflinge nach England verkauft hat. Und von dem auch (sehr wahrscheinlich) die Weisheit stammt: "Wes Brot ich ess, des Lied ich sing"

Aber bleiben wir doch beim Thema: schauen wir uns einmal an, wie das österreichische Militär mit den Zivilisten umgegangen ist, und daran durchaus auch Freude zeigte


Nein, ich spreche von J. W. von Goethe,  dem Geheimrat. In der Tat hast du denjenigen herausgepickt, der von den Genannten der noch am meisten an die Landesfürsten Angepasste war, der somit auch "Politiker" war. Dass es damals noch allüberall Todesurteile gab, ist unbestreitbare traurige Tatsache. Goethes moderat-freiheitliche Gesinnung sowie sein teilweise angepasstes politisches Mitwirken trug ihm auch Unverständnis seitens der humanistisch-idealistisch-deutschnational gesinnten Vorkämpfer wie SCHILLER oder SCHUBART usw. ein.
Immerhin schaffte die andere deutsche Großmacht, Preußen, als erstes Land die Folter ab und führte die Schulpflicht ein.

Doch nun zu den grauenhaften Bildern der Gehenkten aus dem 1.WK. Es bestreitet hier niemand, das leider auch die k.u.k. Armee mit Standrecht schnell bei der Hand war. Das ist gottlob alles recht bekannt und gut aufgearbeitet. Niemand ist auf diese Vorgänge stolz.

Vielleicht zur Erweiterung des Blicks auf die Welt und Abrundung des Themas einmal ein paar Beispiele zum 1.WK aus den USA genehm?

[...] In der amerikanischen Bevölkerung, die Parolen wie Halt the Hun!  ( ,,Haltet den Hunnen auf!")[71] ausgesetzt war, entstand eine anti-deutsche Hysterie, in deren Verlauf Deutsche - auch Personen, die irrtümlich für Deutsche gehalten wurden - beschimpft, bespitzelt, denunziert, vereinzelt auch angegriffen und gelyncht wurden.[72] Deutschamerikaner standen unter erheblichem Druck, ihren Patriotismus unter Beweis zu stellen, indem sie Kriegsanleihen erwarben.[73] Auch zu Bücherverbrennungen, bei denen private deutschsprachige Bibliotheksbestände vernichtet wurden, kam es wiederholt.[74] Ermutigt waren solche Mob-Ausschreitungen durch die Politik der 26 Bundesstaaten, die Gesetze gegen den Gebrauch der deutschen Sprache verabschiedeten.[43] Noch im Jahre 1923 waren in 34 Bundesstaaten Gesetze in Kraft, die es verboten, an öffentlichen oder privaten Grundschulen eine andere Unterrichtssprache als Englisch zu verwenden.[75] Diese Praxis wurde erst durch eine Entscheidung des US-Supreme Court (Meyer v. Nebraska, 1923) beendet. Am weitesten war Iowa gegangen, dessen Gouverneur, William L. Harding, 1918 die so genannte Babel Proclamation  initiiert hatte, ein Gesetz, das den öffentlichen Gebrauch fremder Sprachen verbot; dies betraf sogar Telefongespräche.[76] Viele Deutschamerikaner anglisierten unter diesem Druck ihre Namen und gaben ihre Zeitungsabonnements auf, was dazu führte, dass die deutschsprachige Presse in den USA fast vollständig unterging.[77] Unter dem Alien Enemies Acts  wurden Deutsche, die in den USA lebten, teilweise auch verhaftet und interniert, wie z. B. der Dirigent Karl Muck, der es angeblich abgelehnt hatte, in einem Konzert die amerikanische Nationalhymne spielen zu lassen, darum bis zum Kriegsende in einem Lager in Fort Oglethorpe, Georgia festgehalten und am 21. August 1919 ausgewiesen wurde.[78] Weitere Lager bestanden in Fort McPherson, Georgia, in Fort Douglas, Utah und in Hot Springs, North Carolina.[79] [...]


71Halt the Hun!
72Hysteria Part 8. Yankee Doodle do or die...; Lynching of Robert Prager (Lynchmord an Robert Prager, 5. April 1918); A World War I lynching (Angriff auf die Krueger-Familie, 14. September 1918)
73Coming of the Night, S. 12. (pdf; 2,8 MB)
74Anti-German sentiments ran high in 1918
75Colin Baker: Foundations of bilingual education and bilingualism. 2006, S. 191 (Google Bücher)
76Divided by a Common Language: The Babel Proclamation and its Influence in Iowa History
77Rodney P. Carlisle: Manifest destiny and the expansion of America. 2007, S. 28 (Google Bücher); Born German, Made American
78Dr. Muck bitter at sailing
89Michele Wucker: Lockout: why America keeps getting immigration wrong when our prosperity depends on getting it right. 2000, S. 42 (Google Bücher)

Wie man liest, waren sogar öffentliche Bücherverbrennungen sowie Schilder wie "Juden Deutsche im Park unerwünscht" bereits erfunden. Bildquelle: http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Children_standing_in_front_of_an_anti-German_sign.jpg
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 16, 2014, 09:19:54

Nein, ich spreche von J. W. von Goethe,  dem Geheimrat. In der Tat hast du denjenigen herausgepickt, der von den Genannten der noch am meisten an die Landesfürsten Angepasste war, der somit auch "Politiker" war.


Ich picke niemanden heraus. Goethe ist das schöne Beispiel des angepaßten Bildungsbürgers, der sich durch seine Freundschaft mit dem Weimarer Hof ein geruhsames Leben leisten kann. Seine Werke - besonders Werther - waren im höchsten Maße zeitaffin. Hättest du wenigstens Wikipedia aufmerksam gelesen, wüßtest du, daß Goethe erst nach 6 Jahren Politkarriere in Weimar geadelt wurde. Hättest du allerdings auch die Standardbiografie von Nicholas Boyle gelesen, wüßtest du auch, daß er von Metternich geadelt wurde (das habe ich zwar schon einmal geschrieben, anscheinend hast du das überlesen). Goethe hat sich übrigens mit Napoleon gut verstanden, was seinen Chef nicht direkt freute.
Warum du Schiller als Vorkämpfer des deutsch-nationalen bezeichnen kannst, ist schier hanebüchen. Schiller wurde als Fahnenflüchtiger von Württemberg verfolgt und als er schließlich noch Ehrenbürger von Paris wurde, war er fast in allen deutschen Staaten geächtet. Seine Aufnahme in Weimar verdankt er Goethe (aus welchen Gründen auch immer), und so konnte er zum ersten Berufsschriftsteller werden. Das Verhältnis zu Goethe war ein wohl recht eigenwilliges, an Schillers Begräbnis jedenfalls nahm Goethe nicht teil.
Warum du zum Thema 1. Weltkrieg plötzlich nach Amerika hüpfst, ist mir nicht ganz klar. Dieses bigotte Gesindel hat die Indianer ausgerottet, die Neger versklavt und führen sich immer noch als Hort der Freiheit auf. Es reichen die Massaker der K.u.K. Armee an der Zivilbevölkerung. Da reicht es schon, daß das Herzogtum Steiermark von einem Statthalter unter Aufsicht des Militärs regiert wurde. Wie die Slowenen, immerhin ein Drittel der Bevölkerung des Herzogtums, schikaniert wurden. Daß manche Bauern Kriegsgewinnler waren, während das Volk hungerte. Daß viele es "sich richten" konnten, und vom Cafe aus den Krieg verfolgten. Daß es den Flüchtlingen in den Lagern weit besser ging als der Bevölkerung.
Und weil darüber nichts in Wikipedia steht, weißt du auch nichts davon. Abgesehen davon, daß Wikipedia eine sehr subjektive Sicht der Dinge darstellt.

Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Viator am Mai 16, 2014, 15:58:45

Und? Was willst Du uns eigentlich mit den Wikipedia-Auszügen mitteilen?
Zitat
Wie man liest, waren sogar  sowie Schilder wie "Juden Deutsche im Park unerwünscht" bereits erfunden


Wie armselig homophob muss man sein, wenn man dergestalt gar versucht,  aus der Judenverfolgung eine Deutschenverfolgung zu machen,


So sinnfrei von der Wortwahl wie von der chronologischen Abfolge dein Satz ist, muss ich den nicht einmal kommentieren. Und wer meinen dezenten Hinweis nicht nachvollziehen kann, der muss es auch nicht.



zum Plakat:
2. geht es nicht um die Deutschen, sondern um "Pro-Germans", also um Amerikaner, die Anhänger der Deutschen sind ...


Noch scheinheiliger geht's ja wohl nicht, oder?! Der Pöbel wird, bevor die Fäuste sprechen oder Steine fliegen, sich natürlich bei jedem Deutschsprechenden genau erkundigen, ob er Deutsch-Österreicher oder Reichsdeutscher ist, und ob die nicht verstandenen Gesprächsinhalte deutschamerikanischer Passanten trotz vielleicht deutschsprachiger Zeitung/ Literatur in der Hand und gewisser ungewollter deutscher Verhaltens- oder Bekleidungs-Eigenheiten ja nicht über eine unbedingte loyal-amerikanische und stramm anti-deutsche Haltung hinwegtäuschen. Aus purer Neuerungssucht haben also damals ja die ca. 35 Millionen Deutsch-Amerikaner (bis auf ganz wenige) zum größten Teil ihre deutsche Alltagssprache für immer aufgegeben...



Nein, ich spreche von J. W. von Goethe,  dem Geheimrat. In der Tat hast du denjenigen herausgepickt, der von den Genannten der noch am meisten an die Landesfürsten Angepasste war, der somit auch "Politiker" war.


Ich picke niemanden heraus. Goethe ist das schöne Beispiel des angepaßten Bildungsbürgers, der sich durch seine Freundschaft mit dem Weimarer Hof ein geruhsames Leben leisten kann. Seine Werke - besonders Werther - waren im höchsten Maße zeitaffin. Hättest du wenigstens Wikipedia aufmerksam gelesen, wüßtest du, daß Goethe erst nach 6 Jahren Politkarriere in Weimar geadelt wurde. Hättest du allerdings auch die Standardbiografie von Nicholas Boyle gelesen, wüßtest du auch, daß er von Metternich geadelt wurde (das habe ich zwar schon einmal geschrieben, anscheinend hast du das überlesen). Goethe hat sich übrigens mit Napoleon gut verstanden, was seinen Chef nicht direkt freute.


Du bildest dir sogar ein, zu wissen, was ich weiß. Potztausend!
Und weil mir deine dankenswerten, löblichen Detailschilderungen wohlbekannt sind, habe ich schon zuvor mit anderen Worten gesagt: Alle Dichter und Denker bemühten sich damals um einen neuen, einheitlichen deutschen Rechtsstaat ohne Fürstenwillkür, Leibeigenschaft und mehr als 40 Grenzen querdurch, ohne verschiedene Zeitzonen, Währungen. Goethe meinte, diesem Ziel als relativ angepasster Politiker näher zu kommen.
Dass Napoléon anfangs begrüßt wurde, als einer, der diese alten Strukturen aufbricht und vermeintlich die Völker "befreit", habe ich bereits vor dir geschrieben.



Warum du Schiller als Vorkämpfer des deutsch-nationalen bezeichnen kannst, ist schier hanebüchen. Schiller wurde als Fahnenflüchtiger von Württemberg verfolgt und als er schließlich noch Ehrenbürger von Paris wurde, war er fast in allen deutschen Staaten geächtet. Seine Aufnahme in Weimar verdankt er Goethe (aus welchen Gründen auch immer), und so konnte er zum ersten Berufsschriftsteller werden. Das Verhältnis zu Goethe war ein wohl recht eigenwilliges, an Schillers Begräbnis jedenfalls nahm Goethe nicht teil.


Weil du den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen imstande bist, merkst du wohl nicht, dass du mit obigen Ausführungen selber genau belegst, dass SCHILLER oder SCHUBART deutsch-revolutionäre Freiheitskämpfer waren, gerade weil sie sich idealistisch-humanistisch deutsch-national engagiert haben, und eben keine ergebenen württembergischen Lokalpatrioten ihres despotisch, willkürlich herrschenden Fürsten waren. Genau deshalb wurden diese deutsch-nationalen Freiheitskämpfer von den selbstherrlichen, despotischen Fürsten, die in ihrem kleinen Bereich weiter nach Gutdünken schalten und walten wollten, verfolgt und bisweilen in den Kerker geworfen.
Du scheinst dein partielles Faktenwissen einfach nicht ordnen zu können, deshalb muss ich dir das Wort "hanebüchen" zurückgeben. Hanebüchen erscheint mir eher das Sich-gebährden als größter "Geschichts-Zampano".


Daß manche Bauern Kriegsgewinnler waren, während das Volk hungerte. Daß viele es "sich richten" konnten, und vom Cafe aus den Krieg verfolgten. Daß es den Flüchtlingen in den Lagern weit besser ging als der Bevölkerung.
Und weil darüber nichts in Wikipedia steht, weißt du auch nichts davon.


Und wenn ich nun sage, dass ich das bereits wusste, tut das auch nichts zur Sache. Hauptsache, der Herr behält recht...
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Manfred am Mai 16, 2014, 16:05:13
Mein lieber Ch. Wagner!
Wenn man Geschichte verstehen will, dann muss man die Vorgänge immer im Zusammenhang mit dem Zeitgeist sehen. Auch wenn Goethe mit dem Weimarer Hof gut konnte, so ist das noch lange kein Verbrechen. Klar lehnen wir heute die Todessstrafe (ich hoffe mehrheitlich) ab. Aber auch heute noch sind die Amis, die sich als Nabel der Welt sehen, glühende Anhänger der Todesstrafe. Und auch wenn heute von Gutmenschen bewiesen wird, dass auch die Wehrmacht Kriegsverbrechen beging, unsere gesamten Vorfahren somit Verbrecher waren und Ch. Wagner meint, dass die Haupttätigkeit der österreichischen Armee im 1. Weltkrieg das Umbringen von Zivilisten war, so gibt es doch keine Armee der Welt, die im Krieg keine Kriegsverbrechen begangen hätte. Schau dir die letzten Kriege an. Vietnam, Irak, Tschetschenien, Jugoslawien, Syrien usw. Im Krieg, einer Zeit in der tausende dran glauben müssen, ist nun einmal das Leben (vermeintlicher) Feinde nichts Wert. Ich würde da nicht nur Wikipedia eine sehr subjektive Sicht der Dinge unterstellen, sondern viel mehr auch Ch. Wagner.
Ich bin sogar der Meinung, dass jene die den Zeitgeist so inhalieren, dass Sie andere Zeiten nach dem Zeitgeist beurteilen, diejenigen sind, die auch in früheren Zeiten jeden Ungeist des Zeitgeistes mitgemacht hätten. Die haben nur die Gnade der späten Geburt.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Ch. Wagner am Mai 16, 2014, 16:27:01
Servus Manfred,
Natürlich entsprach das alles dem Zeitgeist. Auch "Die Räuber", wofür eben Schiller die Ehrenbürgerschaft bekommen hat. Und natürlich werden heute die Hinrichtungswaffen verfeinert. Wobei ich die Guillotine noch "humaner" finde, als die Giftspritze. Die grausliche neue Qualität der Hinrichtung der Zivilbevölkerung sind allerdings die Drohnen, aber das nur nebenbei.
Jede Meinung ist subjektiv, das steht doch außer Zweifel. Ich bemühe mich allerdings, mir meine Meinung an Hand möglichst vieler Fakten zu bilden. Und darum lese ich viele Bücher. Und darum lese ich auch Al Jazeera und andere Nachrichtendienste im Internet. Dazu kommen Diskussionen mit den Bewohnern der verschiedenen Länder anläßlich meiner Reisen.
Die "Gnade der späten Geburt" hat vor nunmehr 30 Jahren Helmut Kohl für sich und die Deutschen in Anspruch genommen. Das allerdings darf nie eine Ausrede für Nichtwissen der Zusammenhänge und der Gräueltaten der beiden Weltkriege oder der vielen Kleinkriege der heutigen Zeit sein. Jedwedes Massaker ist eines zuviel.
Und deswegen bemühe ich mich, die vielfältigen Hintergründe zu erkunden und auch weiter zu verbreiten. Damit eben nichts in Vergessenheit gerät.
LG! Christian

PS.: zu Viator fällt mir nichts mehr ein.
Titel: Re: 100 Jahre 1. Weltkrieg
Beitrag von: Sgg 71 am August 07, 2014, 12:32:57
(Privat-) Fotosammlung auf profil.at: http://www.profil.at/erster-weltkrieg/ (http://www.profil.at/erster-weltkrieg/)