Murkraftwerke bedrohen FischbestandGeplante Staukette an der Mur nimmt vier von sechs Fisch-Leitarten die Lebensgrundlage: Das sagt ein Einreichgutachten des Verbundkonzerns.
Das geplante Kraftwerk in Gössendorf
Der Streit zwischen Naturschützern und Energiekonzernen schwelt seit Jahren: Wie stark werden die geplanten Murkraftwerke im Raum Graz dem Fluss zusetzen, wie sehr werden Fischbestand und andere Lebewesen unter den neuen Staustufen leiden? Während die Projektgegner eine Katastrophe heraufdämmern sehen, malen die Kraftwerksbauer Bilder von idyllischen Badelandschaften und sagen gar eine ökologische Verbesserung der Mur voraus.
Jetzt bekommen die Naturschützer argumentative Schützenhilfe. Ein Gutachten des oberösterreichischen Gewässerökologen Clemens Gumpinger erteilt der Umweltverträglichkeit der nördlich von Graz geplanten Staustufe Gratkorn eine Absage. Das Pikante daran: Gumpinger wurde nicht etwa von WWF oder Naturschutzbund beauftragt, sondern vom Projektwerber, dem Verbundkonzern. Das Gutachten ist Teil der offiziellen Einreichunterlagen zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) für das Kraftwerk. Ein in Österreich bislang einzigartiges Kuriosum.
In seiner Studie, die der Kleinen Zeitung vorliegt, stellt Gumpinger fest, dass nach dem Bau des Kraftwerks Gratkorn im betroffenen Abschnitt nur noch mit "zwei von sechs Fisch-Leitarten und zwei von 17 typischen Begleitarten" zu rechnen sei (Faksimile unten). Am schlimmsten dürfte es die Arten Äsche, Huchen und Strömer treffen. Daran könne auch die vorgesehene Fischaufstiegshilfe an der Kraftwerksmauer nichts ändern. Das Problem, so der Gutachter, sei weniger das einzelne Kraftwerk als die fast geschlossene Staukette mehrerer geplanter Anlagen.
Tatsächlich planen und bauen Verbund und Energie Steiermark derzeit gemeinsam an fünf Murkraftwerken im Raum Graz. Dazu kommen die bestehenden Wehranlagen in Weinzödl und bei der Firma Sappi. Dazwischen würde das Kraftwerk Gratkorn, das ab 2011 gebaut werden soll, die Mur aufstauen. Die Fische könnten die Migrationshilfen an der Kraftwerksmauer zwar überwinden, hätten davon aber wenig Vorteil, stellt Gumpinger fest. Denn sie würden von einem Staugebiet ins nächste wandern. Viele Fischarten der Mur seien aber auf Fließwasser angewiesen, um sich zu vermehren. Ihre natürliche Population werde deshalb zurückgehen oder ganz verschwinden, was das ökologische Potenzial des Flusses verschlechtern würde, so die Folgerung im Gutachten.
Wenige Kilometer bleibenÄhnliches befürchten Naturschützer auch bei den restlichen geplanten Kraftwerken. Längere Fließstrecken gibt es nach Vollendung der Wehranlagen nur noch auf den fünfeinhalb Kilometern zwischen Grazer Hauptbrücke und Kraftwerk Weinzödl und auf den zwei Kilometern zwischen den Kraftwerken Gössendorf und Kalsdorf. Zu wenig für die Fische, sagen Ökologen.
Die Chancen, dass das Kraftwerk Gratkorn trotz des abschlägigen Gutachtens gebaut wird, stehen dennoch gut. Stellt die Behörde nämlich ein "übergeordnetes öffentliches Interesse" an der CO2-freien Stromerzeugung fest, gibt es für das Projekt grünes Licht. Dieser Paragraf des Wasserrechtsgesetzes kam bereits bei den zwei strittigen Kraftwerken südlich von Graz zur Anwendung. Bekanntlich arbeiten dort inzwischen die Bagger.
Quelle:
www.kleine.at