Die Diplomarbeit eines Studenten wirbelt in Österreich jede Menge Staub auf: Schienenfahrzeuge sollen in weit höherem Ausmaß als bisher angenommen für Feinstaubbelastung verantwortlich sein. Bisher funktionierte die Logik in Bezug auf Feinstaub-Sünder ja recht einfach: Böse Autos, schlimmer Hausbrand, und, nicht zu vergessen, die verantwortungslose Industrie - alle drei wurden wechselweise und natürlich auch zu Recht gebrandmarkt. Je tiefer jedoch die Wissenschaft den Feinstaub erforscht, desto klarer wird der Blick aufs Thema. Denn bisher konnte man in Studien, die auch in Graz durchgeführt wurden, zwar die verschiedenen Feinstaubarten analysieren, aber jene Sünder, die etwa den Mineralstaub verursachen, nur bedingt festmachen.
Brisante Ergebnisse. Eine Diplomarbeit eines Wiener Studenten, die sich mit den Feinstaubausstößen der Österreichischen Bundesbahnen und des Wiener Nahverkehrnetzes beschäftigt (U-Bahn und Straßenbahn) kam nun zu brisanten Rückschlüssen: Jener Quarzsand, der von Schienenfahrzeugen nicht nur als Brems-, sondern auch als Traktionshilfe genutzt wird, verursacht einen Teil des Mineralstaubes, der Rest kommt von Baustellen und Straßenabrieb. Auch wenn die Arbeit, wie Kritiker anmerken, vom österreichischen Verein für Kraftfahrzeugtechnik initiiert wurde, zollen bekannte Wissenschafter auf diesem Gebiet, wie der Chemiker Hans Puxbaum von der TU Wien, Anerkennung: "Es ist alles andere als unbedeutend, was hier herausgekommen ist, das muss man weiter verfolgen."
Extrem gefährlicher Staub. Laut Puxbaum verursachen die Schienenfahrzeuge von den rund 23 Prozent Mineralfeinstaub am Gesamt-Feinstaub in Graz rund fünf Prozent. Aber Quarzstaub ist extrem schädlich, wie deutsche Untersuchungen ergaben: Stark vereinfacht erklärt ist Quarz-Feinstaub acht Mal so gefährlich wie Dieselruß-Feinstaub. In der Diplomarbeit wird anhand von Schweizer Untersuchungen davon ausgegangen, dass der Verschleiß-Feinstaub (Räder, Bremsbeläge, Bremsscheiben) von U-Bahnen und Straßenbahnen in Wien rund 64 Tonnen ausmacht, aber über 400 Tonnen Quarz-Feinstaub in die Luft kommen (bei 1800 Tonnen gesamt ausgestreuten Bremssand). Das würde auf die bisher noch nicht genau zuzuordnenden Werte passen - deshalb fordern Wissenschaftler jetzt genauere Untersuchungen.
Autos weniger gefährlich. Denn rechnet man dieses Modell mit der höheren Toxizität von Quarz-Feinstaub hoch, wäre die Gefahr durch den Schienenverkehr höher als jene durch Kraftfahrzeuge. Der Chef der Grazer Verkehrsbetriebe (GVB), Antony Scholz, will sich als Vertreter des öffentlichen Verkehrs aber nicht den schwarzen Peter zuschieben lassen und fordert vehement ein, im Vergleich Single-Fahrer im "Feinstaubverursacher" Auto gegenüber dem Massentransportmittel die Kirche im Dorf zu lassen (siehe Interview). Die GVB, die Jahr für Jahr 300 Tonnen Quarzsand für die Bremsmanöver ihrer Straßenbahnen einlagern, kennen das Problem, sehen sich beim effizienten Materialeinsatz als Vorreiter. "Und wir sind täglich mit einem Schienenpflegegerät unterwegs, um den Sand einzukehren und ihn ordnungsgemäß zu entsorgen", betont Scholz.
BERND HECKE, DIDI HUBMANN
GVB-Direkter weist Schuld von sich Herr Direktor, eine Diplomarbeit identifiziert die Wiener Linien als "Feinstaub-Sünder". Auch die Straßenbahnen der Grazer Verkehrsbetriebe bremsen mit Quarzsand. Ist der öffentliche Verkehr statt der Lösung ein Teil des Feinstaub-Problems? ANTONY SCHOLZ: Ich bin kein Arzt und kann über die gesundheitlichen Gefahren des Quarzsandes keine Aussage treffen. Aber Fakt ist, wir sind uns des Problems bewusst und haben schon längst gehandelt.
Und zwar wie? SCHOLZ: Wir haben bereits 1996 alle unsere Tram-Garnituren mit Sanddosier- und Einblasvorrichtungen ausgestattet, die den effizienten Einsatz garantieren.
Wie viel Reduktion bringt das? SCHOLZ: Wir haben den Verbrauch je nach Witterung um 30 bis 50 Prozent reduziert und haben 2003 dafür auch eine Ökoprofit-Auszeichnung erhalten.
Und wie hoch liegt der GVB-Jahresbedarf an Bremssand? SCHOLZ: Wir haben 300 Tonnen pro Jahr eingelagert. Aber im letzten milden Winter haben wir nur wenige Tonnen verbraucht.
Dennoch ist der Quarzsand ein Feinstaub-Problem. Warum setzen Sie nicht auf Alternativen? SCHOLZ: Weil uns das Eisenbahngesetz die Verwendung von Bremssand vorschreibt. Das ist eine Frage der Sicherheit. Der Quarzsand ist derzeit das einzige einsetzbare Material.
Haben Sie Sorge, dass die Straßenbahn nun in Verruf gerät? SCHOLZ: Also man muss die Kirche schon im Dorf lassen. Wir haben 60 Garnituren, die jeweils bis zu 200 Leute transportieren, und gleichzeitig fahren täglich mehr als 150.000 Autos durch Graz, die durch Verbrennung und Abrieb jede Menge Feinstaubpartikel verursachen. Da steht der öffentliche Verkehr vergleichsweise sicher immer noch gut da.
BERND HECKE, DIDI HUBMANN
Quelle:
www.kleine.atUnd so will man jetzt die Bim als Verursacher ansehen
Hauptverursacher ist und bleibt der Hausbrand, Industrie und KFZ-Verkehr