Bahnindustrie China vs Europa

Begonnen von s_gelb, 24 10, 2025, 17:24

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 6 Gäste betrachten dieses Thema.

FlipsP

Zitat von: scottie am Gestern um 18:39Bitte keine Schwarz-Weiß-Betrachtung: Beide Seiten tragen aus meiner Sicht einen wesentlichen Anteil. Der Haus-Vergleich greift zu kurz – ein Haus ist kein hochkomplexes Projekt, bei dem jedes Zimmer zugelassen werden muss und unterschiedliche Raumkonfigurationen technisch miteinander kompatibel sein müssen. Bei einem Zug geht es genau darum: Zulassungen in mehreren Ländern, umfangreiche Software-Tests und Sicherheitsfreigaben.

Richtig, nur ist - wie schon geschrieben - SIEMENS Mobility keine Hinterhofschmiede, sondern ein Weltkonzern, der das regelmäßig macht.
Wenn die ÖBB hier das große Problem wäre, wieso bekam der ComfortJet der CD so lange keine Zulassung? Wieso hat dessen Steuerwagen immer noch keine Zulassung, ob der wirklich so gut wie nicht vom Vectron abweicht (im Gegensatz zum DANI Steuerwagen, der wirklich etwas komplizierter von der PV gewünscht wurde).

Noch einmal: SIEMENS musste nicht ,,Ja und Amen" zu den DANI sagen. Man muss Aufträge nicht annehmen..

Zitat von: scottie am Gestern um 18:39Die ÖBB haben anscheinend die Komplexität ihrer Anforderungen unterschätzt, und Siemens hat diese anscheinend zu schnell akzeptiert – vermutlich auch deshalb, weil im Hintergrund bereits der nächste Milliardenauftrag für die Mireo-Triebzüge gewinkt hat. Eigentlich geht es aber um etwas anderes: Hätten die ÖBB etwas Standardisiertes bestellt, gäbe es diese Diskussion gar nicht.

Was wäre denn Standardisiert gewesen? Siehe CD die haben den Steuerwagen wirklich als fast Standard Vectron Kopf bestellt. Zulassung? Nicht vorhanden.

Wäre der ICE 4 Standard gewesen? Nein..

Standard wären vielleicht noch die Einzelwagen wie Modular oder Eurofima gewesen. Die hätten aber wenig gebracht.

Ich will die PV hier nicht pauschal verteidigen, mit den RJ2 bin ich nicht wirklich zufrieden. Aber zu sagen, dass die ÖBB eine große Schuld an der Misere hat, ist falsch.

Zitat von: scottie am Gestern um 18:39vermutlich auch deshalb, weil im Hintergrund bereits der nächste Milliardenauftrag für die Mireo-Triebzüge gewinkt hat..

Bleiben wir bei den Fakten: Die DANI wurden 2018 vergeben. Also irgendwo 2016-2018 ausgeschrieben und verhandelt.
Die Mireo wurden erst Ende August 2023 vergeben.

Als die DANI verhandelt wurden, dachten alle noch, dass der 300 Fahrzeuge Rahmenvertrag für die TALENT 3 funktionieren würde. Die wurden erst 2021 zurückgegeben.

scottie

Zitat von: FlipsP am Heute um 07:16Richtig, nur ist - wie schon geschrieben - SIEMENS Mobility keine Hinterhofschmiede, sondern ein Weltkonzern, der das regelmäßig macht.
Wenn die ÖBB hier das große Problem wäre, wieso bekam der ComfortJet der CD so lange keine Zulassung? Wieso hat dessen Steuerwagen immer noch keine Zulassung, ob der wirklich so gut wie nicht vom Vectron abweicht (im Gegensatz zum DANI Steuerwagen, der wirklich etwas komplizierter von der PV gewünscht wurde).

Danke für das Beispiel mit der ČD – es zeigt das Problem sehr deutlich. Zwei Betreiber (ÖBB und ČD) bestellen unabhängig voneinander Push-Pull-Züge, und in beiden Fällen hat Siemens mit der komplexen Zulassung sichtbar Schwierigkeiten, was zu erheblichen Verzögerungen führt. Ob man Siemens Mobility unter diesen Umständen als ,,Weltkonzern" bezeichnen will, sei dahingestellt.

Fakt ist:
  • Der Railjet 2 der ÖBB funktioniert als Wendezug ausschließlich mit Taurus-Loks.
  • Der ComfortJet der ČD funktioniert als Wendezug ausschließlich mit Vectron-Loks.

Wäre es nicht sinnvoller, hier auf eine einheitliche Plattform im Sinne der Standardisierung zu setzen? Wenn Siemens tatsächlich stärker auftreten würde, hätten sie genau das eingefordert – haben sie aber nicht. Die offensichtliche Gestaltungsmacht liegt bei den Bestellern. Und mit ,,Macht" meine ich ausdrücklich etwas Positives, keine Schuldzuweisung. Die Betreiber wären ja blöd, wenn sie die Situation nicht ausnützen würden.

Im größeren europäischen Kontext wäre es sogar klüger, eine standardisierte Lokomotive zu entwickeln, die für alle Wendezüge funktioniert. Davon könnten auch die ÖBB profitieren – etwa wenn sie Railjets mit einer Alstom-Lok fahren könnten. Doch von dieser europäischen Schlagkraft sind wir leider noch weit entfernt.

FlipsP

Zitat von: scottie am Heute um 08:37Fakt ist:
  • Der Railjet 2 der ÖBB funktioniert als Wendezug ausschließlich mit Taurus-Loks.
  • Der ComfortJet der ČD funktioniert als Wendezug ausschließlich mit Vectron-Loks.

Hast du zu diesen Fakten eine Quelle?
Denn zwischen Vectron und Taurus sollte es diesbezüglich keine Unterschiede geben.

Beide sollten sowohl von ComJet, als auch von DANI gesteuert werden können.

Zitat von: scottie am Heute um 08:37Wäre es nicht sinnvoller, hier auf eine einheitliche Plattform im Sinne der Standardisierung zu setzen? Wenn Siemens tatsächlich stärker auftreten würde, hätten sie genau das eingefordert – haben sie aber nicht. Die offensichtliche Gestaltungsmacht liegt bei den Bestellern. Und mit ,,Macht" meine ich ausdrücklich etwas Positives, keine Schuldzuweisung. Die Betreiber wären ja blöd, wenn sie die Situation nicht ausnützen würden.

Lustig, denn genau diese Fahrzeuge kommen von einer Plattform.

Auch innerhalb einer Plattform gibt es Unterschiede.

Im Autobereich sind oft 20-30 Modelle auf der selben Plattform (VW treibt das zB gerne auf die Spitze).

Zitat von: scottie am Heute um 08:37Im größeren europäischen Kontext wäre es sogar klüger, eine standardisierte Lokomotive zu entwickeln, die für alle Wendezüge funktioniert. Davon könnten auch die ÖBB profitieren – etwa wenn sie Railjets mit einer Alstom-Lok fahren könnten. Doch von dieser europäischen Schlagkraft sind wir leider noch weit entfernt.

Sowohl Vectron, als auch Traxx sind in fast ganz Europa Standardlokomotiven.


Übrigens hat SIEMENS mit dem mehr oder weniger offenen Standard ,,Vectrain" genau das vor.


Zu viel auf Standard sollte man jedoch auch nicht setzen, denn sonst wird aus dem eh schon konzertierten Oligopol recht schnell ein Monopol im Eisenbahnsektor in Europa.

scottie

Zitat von: FlipsP am Heute um 08:50Hast du zu diesen Fakten eine Quelle?
Denn zwischen Vectron und Taurus sollte es diesbezüglich keine Unterschiede geben.
Ich kann auf die Schnelle nur mit Wikipedia dienen. In der Seite zum Railjet 2 sind nur die Loks 1116 (Taurus II) und 1216 (Taurus III) bezeichnet. Das heißt, der Steuerwagen ist technisch und zulassungstechnisch auf Taurus abgestimmt. Wohlgemerkt nur für den Wendebetrieb – im reinen Zugbetrieb kann man den Railjet auch mit Vectron bespannen.
Beim ComfortJet steht in Wikipedia: ,,Im März 2022 bestellte ČD 50 Siemens Vectron-Mehrsystemloks, die mit den ComfortJet-Zügen eingesetzt werden sollen." Das ist die entscheidende Passage: Sie belegt, dass der Wendezugbetrieb des ComfortJet auf die Vectron-Loks zugeschnitten ist.
Eine explizite Referenz, die sagt, dass der Railjet 2 nicht mit Vectron oder der ComfortJet nicht mit Taurus im Wendezugbetrieb funktioniert, wirst du nirgends finden – die Quellen nennen immer nur die vorgesehenen Loktypen, und daraus ergibt sich die Einschränkung.

Zitat von: FlipsP am Heute um 08:50Sowohl Vectron, als auch Traxx sind in fast ganz Europa Standardlokomotiven.
Lokomotiven sind aber nicht frei austauschbar – von einem echten Schnittstellen Standard kann keine Rede sein. Genau dieser Mangel blockiert Wettbewerb: Erst wenn ein Betreiber eine Siemens Lok ohne Hürden gegen eine Alstom  oder Stadler Lok tauschen könnte, gäbe es echten Konkurrenzdruck und mehr Dynamik im Markt.

Zitat von: FlipsP am Heute um 08:50Übrigens hat SIEMENS mit dem mehr oder weniger offenen Standard ,,Vectrain" genau das vor.
Das ist grundsätzlich sinnvoll, denn Siemens hat dafür die passende ,,Plattform" entwickelt. Allerdings zeigt sich, dass sich Siemens mit seinen Plattformkonzepten bei den großen Betreibern schwer tut. Mit dem Mireo hat man extra eine neue Plattform geschaffen, die sich vor allem in Deutschland erfolgreich verkauft. Die ÖBB wollten jedoch auch hier erneut eine Sonderlösung und verwässern damit das Plattformprinzip: Statt des vorgesehenen Gliederzugs mit Jakobs-Drehgestellen fordern sie abweichend davon klassische Wagenzüge für ihre Mireos. Und Siemens hat sich abermals darauf eingelassen, diesen Sonderwunsch zu erfüllen.


FlipsP

Zitat von: scottie am Heute um 09:39Ich kann auf die Schnelle nur mit Wikipedia dienen. In der Seite zum Railjet 2 sind nur die Loks 1116 (Taurus II) und 1216 (Taurus III) bezeichnet. Das heißt, der Steuerwagen ist technisch und zulassungstechnisch auf Taurus abgestimmt. Wohlgemerkt nur für den Wendebetrieb – im reinen Zugbetrieb kann man den Railjet auch mit Vectron bespannen.
Beim ComfortJet steht in Wikipedia: ,,Im März 2022 bestellte ČD 50 Siemens Vectron-Mehrsystemloks, die mit den ComfortJet-Zügen eingesetzt werden sollen." Das ist die entscheidende Passage: Sie belegt, dass der Wendezugbetrieb des ComfortJet auf die Vectron-Loks zugeschnitten ist.
Eine explizite Referenz, die sagt, dass der Railjet 2 nicht mit Vectron oder der ComfortJet nicht mit Taurus im Wendezugbetrieb funktioniert, wirst du nirgends finden – die Quellen nennen immer nur die vorgesehenen Loktypen, und daraus ergibt sich die Einschränkung.

Tut mir leid. Wenn du daraus einen Fakt ableitest, dann ist das sehr naiv.

Wikipedia (wo schon mal jeder schreibe kann, was er will) beschreibt nur den aktuell geplanten ,,Standardfall"

Die DANI können auf jeden Fall auch Vectron steuern, in dieser Hinsicht gibt es zwischen 1x16 und Vectron so gut wie keine Unterschiede. Vectron und RJ2 gab es schon in Tests und ist halt aktuell noch nicht im Betrieb geplant.

Und die ComJet müssten umgekehrt auch 1x16 steuern können. Ist - soweit ich es im Kopf habe - sogar geplant sobald die ComJet Steuerwagen die Zulassung  hat, du neue Vectron aber nicht.

Das ist jetzt aus dem
Gedächtnis. Die Unterlagen habe ich dafür nicht durchforstet.


Zitat von: scottie am Heute um 09:39Lokomotiven sind aber nicht frei austauschbar – von einem echten Schnittstellen Standard kann keine Rede sein. Genau dieser Mangel blockiert Wettbewerb: Erst wenn ein Betreiber eine Siemens Lok ohne Hürden gegen eine Alstom  oder Stadler Lok tauschen könnte, gäbe es echten Konkurrenzdruck und mehr Dynamik im Markt.
Das ist grundsätzlich sinnvoll, denn Siemens hat dafür die passende ,,Plattform" entwickelt. Allerdings zeigt sich, dass sich Siemens mit seinen Plattformkonzepten bei den großen Betreibern schwer tut. Mit dem Mireo hat man extra eine neue Plattform geschaffen, die sich vor allem in Deutschland erfolgreich verkauft. Die ÖBB wollten jedoch auch hier erneut eine Sonderlösung und verwässern damit das Plattformprinzip: Statt des vorgesehenen Gliederzugs mit Jakobs-Drehgestellen fordern sie abweichend davon klassische Wagenzüge für ihre Mireos. Und Siemens hat sich abermals darauf eingelassen, diesen Sonderwunsch zu erfüllen.

Ich hab das Gefühl die stellst Dir das alles zu einfach vor.

scottie

Zitat von: FlipsP am Heute um 10:16Die DANI können auf jeden Fall auch Vectron steuern, in dieser Hinsicht gibt es zwischen 1x16 und Vectron so gut wie keine Unterschiede. Vectron und RJ2 gab es schon in Tests und ist halt aktuell noch nicht im Betrieb geplant.

Und die ComJet müssten umgekehrt auch 1x16 steuern können. Ist - soweit ich es im Kopf habe - sogar geplant sobald die ComJet Steuerwagen die Zulassung  hat, du neue Vectron aber nicht.

Damit lieferst du ja selbst die Bestätigung: Die Aussagen "aktuell nicht für den Betrieb geplant" (ÖBB) und der Konjunktiv "müssten auch 1x16 steuern können" (ČD) zeigen klar, dass es im Hintergrund doch Gründe gibt, warum es derzeit nicht funktioniert bzw. nicht die erste Wahl ist. Für die Zukunft bleibt das durchaus denkbar.
Darum nennen die Quellen nur die vorgesehenen Loktypen – nicht weil andere ausgeschlossen wären, sondern weil sie noch nicht freigegeben sind.


Zitat von: FlipsP am Heute um 10:16Ich hab das Gefühl die stellst Dir das alles zu einfach vor.

Natürlich ist das komplex – gerade deshalb braucht es Standards. Auch die IT-Welt begann mit einem Wirrwarr aus Steckern und Protokollen. Mit USB gelang es dennoch, eine einheitliche Schnittstelle zu schaffen, die heute jeder Hersteller bedienen muss. Und USB ist alles andere als simpel: die Spezifikation umfasst hunderte Seiten (USB 2.0 rund 650, USB4 über 700). Trotz dieser Komplexität funktioniert der Standard und sorgt für Wettbewerb und Vielfalt. Warum sollte das im Bahnsektor unmöglich sein?
Zumal wir in Europa bei Software- und IT-Themen höllisch aufpassen müssen, nicht gegenüber den USA (Microsoft, Apple, Amazon, Google) und China (Tencent, Huawei, Alibaba, Xiaomi) ins Hintertreffen zu geraten – diese Konzerne dringen längst auch in andere Industrien vor.

FlipsP

Zitat von: scottie am Heute um 11:26Damit lieferst du ja selbst die Bestätigung: Die Aussagen "aktuell nicht für den Betrieb geplant" (ÖBB) und der Konjunktiv "müssten auch 1x16 steuern können" (ČD) zeigen klar, dass es im Hintergrund doch Gründe gibt, warum es derzeit nicht funktioniert bzw. nicht die erste Wahl ist. Für die Zukunft bleibt das durchaus denkbar.
Darum nennen die Quellen nur die vorgesehenen Loktypen – nicht weil andere ausgeschlossen wären, sondern weil sie noch nicht freigegeben sind.

Nein!

A
,,Nicht für den Betrieb geplant" heißt nicht automatisch, dass es technisch nicht möglich ist! Man setzt nur eben aktuell keine Vectron bei RJ ein (unter anderem, weil die ÖBB aktuell keine 230 km/h Vectron haben).

B
CD Konjunktiv ,,müsste können" kommt daher, dass ich es gerade nicht 100% weiß und aktuell einfach nicht in den Unterlagen nachschauen will.

Aus beiden Aussagen kannst du nicht die Schlüsse ziehen, die du unbedingt ziehen willst.

Ad Quellen: Noch einmal: Wikipedia ist keine gute Quelle. Dort steht drinnen, was zB in Presseaussendungen veröffentlicht wird. Wenn dort steht ,,der RJ2 wird von 1116 und 1216 betrieben", dann tragt das einer so ein. Nirgends steht jedoch, dass deswegen eine Vectron nicht auch von DANI Steuerwagen gesteuert werden kann.

Du machst es dir zu einfach!

Zitat von: scottie am Heute um 11:26Natürlich ist das komplex – gerade deshalb braucht es Standards. Auch die IT-Welt begann mit einem Wirrwarr aus Steckern und Protokollen. Mit USB gelang es dennoch, eine einheitliche Schnittstelle zu schaffen, die heute jeder Hersteller bedienen muss. Und USB ist alles andere als simpel: die Spezifikation umfasst hunderte Seiten (USB 2.0 rund 650, USB4 über 700). Trotz dieser Komplexität funktioniert der Standard und sorgt für Wettbewerb und Vielfalt. Warum sollte das im Bahnsektor unmöglich sein?
Zumal wir in Europa bei Software- und IT-Themen höllisch aufpassen müssen, nicht gegenüber den USA (Microsoft, Apple, Amazon, Google) und China (Tencent, Huawei, Alibaba, Xiaomi) ins Hintertreffen zu geraten – diese Konzerne dringen längst auch in andere Industrien vor.

Nicht vergleichbar.