Zweifelhafter Artikel in der Woche

Begonnen von Deadlocked, 04 09, 2024, 21:14

« vorheriges - nächstes »

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Deadlocked

ZitatDas sind die neuen Schleichwege der Grazer Autofahrer

Noch nie war die Dimension der sommerlichen Baustellen so groß wie heuer. Die Grazerinnen und Grazer haben sich daran gewöhnt und weichen aus – meistens mitten durch dicht besiedelte Wohngebiete.

GRAZ. Es ist ein viel und oft gebrauchtes Argument in der städtischen Verkehrsplanung: Die Menschen würden sich an Baustellen schon gewöhnen, nach wenigen Tagen würde sich die Aufregung legen, die Staus zurückgehen. Rund um Elisabethstraße und Peter-Tunner-Gasse stimmt das heuer zwar nicht, dennoch scheint die Annahme nicht falsch zu sein.

Ausweichen durch Wohnviertel
Deshalb hat sich MeinBezirk die Situation in Graz genauer angesehen. Und ist dabei vor allem zu einem Schluss gekommen: Die Autofahrer werden nicht weniger, sie zeigen sich nur höchst kreativ und finden ihre Ausweichrouten – allerdings zum Leidwesen von Menschen in Wohngebieten.

Ein Paradebeispiel dafür findet sich etwa im Osten von Graz: Pendlerinnen und Pendler, die aus Graz-Umgebung und Weiz kommen, weichen der Elisabeth- und der Leonhardstraße großräumig aus. Sie fahren über die Ragnitz in die Argenotstraße und über den Moelkweg in die Waltendorfer Hauptstraße. Ergebnis, festgestellt beim mehrmaligen Lokalaugenschein: Sowohl in der Früh als auch gegen 17 Uhr zieht endloser Kolonnenverkehr durch das dicht besiedelte Wohngebiet.
Jene, die in den Westen von Graz müssen, weichen aktuell über Leech- oder Schubertstraße aus und stoßen über die Attemsgasse zum Glacis.

Ähnlich fatal ist die Lage rund um die Großbaustelle Peter-Tunner-Gasse in Eggenberg. Dort verlagert sich – vor allem zu den Stoßzeiten – der Verkehr in die Eckert-, Heinrich-Heine- und Gaswerkstraße. Wird letztere wirklich wie geplant zur Fahrradstraße, wird das Nadelöhr im Westen nochmals kleiner. Beschwerden über starken Ausweichverkehr gibt es außerdem aus dem gesamten Herz-Jesu-Viertel (Baustelle Leonhardstraße) sowie aus dem Griesviertel rund um die Belgiergasse und aus Puntigam (Adlergasse, Mitterstraße, hin zum Spitzäckerweg).

,,Verkehr findet seinen Weg"
Für den Grazer Verkehrsplaner Kurt Fallast ist das keine Überraschung: ,,Verkehr ist wie eine Flüssigkeit – er sucht sich seinen Weg und findet ihn auch." Das Verhalten der Menschen könne man nur über jahrelange Bewusstseinsbildung verändern, nicht darüber, dass man es den Autofahrern so schwierig wie möglich mache. Den Fehler sieht der Experte in der Perspektive, die die Grazer Verkehrsplanung einnimmt: ,,Man denkt alle Lösungen aus der städtischen Sicht und vergisst dabei jene, die aus den umliegenden Bezirken nach Graz kommen." Das sind im Schnitt weit über 80.000 Personen.

"Es fährt ohnehin niemand mehr freiwillig mit dem Auto nach Graz."
Verekhrsplaner Kurt Fallast


,,Verkehr gestalten, nicht radikal verändern"
Für ein sinnvolles Gesamtkonzept müsse man die Sichtweise der Pendlerinnen und Pendler, etwa aus Graz-Umgebung, Voitsberg, Weiz, Hartberg und der Südoststeiermark berücksichtigen. Fallast bringt es am Beispiel auf den Punkt: ,,Wenn es in der Elisabethstraße eine Busspur gibt, ist der Bus um drei Minuten schneller. Das spielt in der Gesamtdauer, die ein Weizer zu seinem Arbeitsort in Graz zurücklegt, keine Rolle, deswegen steigt er nicht um."
Ebenfalls eine harte Botschaft des Verkehrsexperten: ,,Es fährt ohnehin jetzt schon niemand mehr freiwillig mit dem Auto nach Graz. All jene, die noch hereinkommen, haben keine andere Wahl." Was könnte die Lösung sein? ,,Die bittere Erkenntnis ist, dass unser Spielraum geringer ist, als wir glauben. Man muss den Verkehr, auch die Parkraumbewirtschaftung, gestalten und nicht radikal verändern. Das braucht Zeit, dafür muss man die Menschen mit auf die Reise nehmen."
https://www.meinbezirk.at/graz/c-lokales/das-sind-die-neuen-schleichwege-der-grazer-autofahrer_a6862885?ref=curate

Falls die Aussagen so stimmen ist so stimmen finde ich das schon sehr bedenklich für einen Verkehrsexperten...

FlipsP

Es ist der Fallast. Da erwarte ich nix anderes.

LS64

"Es fährt ohnehin niemand mehr freiwillig mit dem Auto nach Graz." <<< Ich kenne zwei Leute, die genau das (obwohl direkte Busanbindung ohne Umsteigen existiert) machen. These widerlegt, case closed.

(Er mag ja durchaus Recht haben mit seinen Annahmen, das kann ich wenig beurteilen. Aber diese Pauschalisierungen ("jeder", "niemand", "immer", "niemals", Verwendung von Superlativen) gehen mir auf den Senkel. Diese sind einfach zu widerlegen und beschädigen die eigentlichen Inhalte.)

Serjoscha

Es fahren viel zu viele, sieht man ja an den Kennzeichen. Vorallem aus Regionen die super S-Bahnanbindungen haben. Warum?
Aus Bequemlichkeit und wohl auch Masochismus.....
jegliche Form von Extremismus ist abzulehnen.

whz

Ich beobachte genügend Autos aus GU, WZ, DL die durch mein Wohngebiet mit hohem Tempo unterwegs sind. Die Ursachen sind sicher mannigfaltig, und nicht einem einzigen Umstand zuzuschreiben. In dieser Tendenz ist dem Artikel grundsätzlich zuzustimmen. Die pauschalisierenden Aussagen richten sich beim kritischen Leser eh von selbst.

Ob man durch Umbau von Straßen zu Fahrradstraßen die Lösung findet weiß ich nicht. Das klingt für mich eher nach grüner Klientelpolitik, als nach lösungsorientierter Realpolitik.

Und ja: auch ich fahre in Graz nur mehr dann mit dem Auto, wenn es gar nicht anders geht, sonst mit Fahrrad und/oder Bim, Bus und Bahn.

FlipsP

Zitat von: whz am  05 09, 2024, 10:48Ob man durch Umbau von Straßen zu Fahrradstraßen die Lösung findet weiß ich nicht. Das klingt für mich eher nach grüner Klientelpolitik, als nach lösungsorientierter Realpolitik.

Was wäre denn für dich ,,lösungsorientierte Realpolitik"?

Es wird den Grünen immer vorgeworfen Klientelpolitik zu betrieben. Die ÖVP verwendet auch gerne das Wort Ideologie.
Eigentlich betreiben aber alle Parteien ,,Klientelpolitik"


Abseits der Politik: Fahrradverkehr stärken und Autoverkehr in Städten reduzieren wird seit locker 20 Jahren an den Universitäten gelehrt. Leider haben dort aber nur die wenigstens Politiker jemals teilgenommen.

danihak

Die einzie Lösung kann nur eine mehrspurige  Autostraße quer durch die Innenstadt sein. Die Pläne dazu liegen sicher noch im Stadtarchiv.

riggnix

Die Frage bei solchen Dingen ist halt immer, wie man es umsetzt. Ich bin ja prinzipiell dafür, dass man Straßenraum weg von Autos hin zu anderen Verkehrsmitteln umverteilt. Man muss aber auch Alternativen bieten. Es gibt leider aus vielen Gegenden und in viele Stadtteile einfach keine guten Öffi-Verbindungen. Damit bleibt ab einer Gewissen Distanz einfach nur das Auto übrig.

Fahrradverkehr in Graz zu fördern, ist mMn eine gute Idee, das verändert aber großteils den innerstädtischen Verkehr. Einpendler brauchen einfach endlich eine S-Bahn, die den Namen verdient hat, und abseits der Bahnstrecken bessere Busverbindungen (mehr und schneller). Bei den Bussen tut sich ja in letzter Zeit eh etwas, aber da braucht es noch viel mehr.


FlipsP

Es wird zwar gerne gejammert, dass man ,,aber auch Alternativen schaffen muss".

Nein muss man nicht. So lange alle Autos noch fahren könnten, muss man keine Alternativen schaffen.

Erst wenn man zB eine Straße komplett sperrt und somit Zufahrten zu Häusern unterbricht, dann braucht es Alternativen. So lange die Straßen bestehen bleiben (aber halt ohne Parkplätze und ein wenig unbequemer), gibt es keinen Grund Alternativen zu schaffen.

Die Alternativen nennen sich Rad, zu Fuß gehen oder Öffis.

Ausbau der Öffis ist natürlich immer wichtig.

s_gelb

Zitat von: riggnix am  05 09, 2024, 11:13Einpendler brauchen einfach endlich eine S-Bahn, die den Namen verdient hat, und abseits der Bahnstrecken bessere Busverbindungen (mehr und schneller). Bei den Bussen tut sich ja in letzter Zeit eh etwas, aber da braucht es noch viel mehr.



Wie der Thread den Großraum Graz betreffend, an welche Busverbindungen würdest du hier konkret denken? Es hätte sich hier in den letzten Jahren  meiner Meinung nach bereits nämlich deutlich mehr als nur "etwas" getan.

Deadlocked

Ich kenne die Gleisdorfer Gegend genauer, dort ist das Busangebot wirklich schon sehr gut, was mittlerweile wieder knapp wird sind die P+R Parkplätze, auch wenn die schon vor wenigen Jahren massiv ausgebaut wurden. Die Parkplätze in kleinen Orten wie Nestelbach im Ilztal werden ebenfalls gut genutzt (dort ist as Angebot an Bussen auch perfekt mit X40, X41 und 470).

whz

Zitat von: FlipsP am  05 09, 2024, 11:56Es wird zwar gerne gejammert, dass man ,,aber auch Alternativen schaffen muss".

Nein muss man nicht. So lange alle Autos noch fahren könnten, muss man keine Alternativen schaffen.

Erst wenn man zB eine Straße komplett sperrt und somit Zufahrten zu Häusern unterbricht, dann braucht es Alternativen. So lange die Straßen bestehen bleiben (aber halt ohne Parkplätze und ein wenig unbequemer), gibt es keinen Grund Alternativen zu schaffen.

Die Alternativen nennen sich Rad, zu Fuß gehen oder Öffis.

Ausbau der Öffis ist natürlich immer wichtig.

Guter Ansatz, aber hier sollte weiter gedacht werden. Wenn man Straßen sperrt, in denen Menschen wohnen, werden diese bald wegziehen. Dann kommen Investoren und machen Geschäftsräumlichkeiten etc. Ich finde halt, es sollte eine Stadt auch bewohnbar sein, damit sie lebt und nicht zum Eventort verkommt.

whz

Gestern Abend auf der Argenotstraße: starker Verkehr vom Moelkweg kommend in Richtung Ragnitz, Autokennzeichen allesamt NICHT aus Graz. Klassische Schleichroute durch Wohnbezirke. Warum? Weil die Hauptachsen entweder blockiert sind oder nicht vorhanden sind. Und Öffis gibt es in der Ragnitz selbst nur durch Busse. Die Verlängerung des 7ers zum Berlinerring hat man verschlafen. Man kann es drehen wie man will, eine Hauptachse ist die Elisabethstraße und das Glacis. Hier Verengungen zur Verkehrsvermeidung einzubauen hilft weder den Anrainern noch denjenigen, die da fahren (müssen). Und ich finde es ehrlich gesagt - ohne hier jemand anzugreifen! - etwas abgehoben, eigentlich richtig arrogant, wenn Leute die dort wohnen wo es wirklich gute Öffis gibt dann einen Rückbau von Straßen fordern. Ich selbst gehe zum 7er ca 10 Minuten, zum 1er 14 Minuten. Trotzdem fahre ich lieber mit der Tram, wenn ich beruflich durch die Stadt ans andere Ende muss.

FlipsP

Zitat von: whz am  06 09, 2024, 08:52Guter Ansatz, aber hier sollte weiter gedacht werden. Wenn man Straßen sperrt, in denen Menschen wohnen, werden diese bald wegziehen. Dann kommen Investoren und machen Geschäftsräumlichkeiten etc. Ich finde halt, es sollte eine Stadt auch bewohnbar sein, damit sie lebt und nicht zum Eventort verkommt.

Man sperrt ja keine eben keine Straßen komplett.

Zitat von: whz am  06 09, 2024, 08:57Klassische Schleichroute durch Wohnbezirke. Warum? Weil die Hauptachsen entweder blockiert sind oder nicht vorhanden sind.

Nicht vorhanden?  ;D  ;D  ;D  ;D
Die Hauptachsen sind natürlich vorhanden. Sie sind durch den Verkehr jedoch einfach zu wenigen Zeiten am Tag überfordert und die Strecke über den Ruckerlberg war und ist schon immer eine Ausweichstrecke bzw ein Schleichweg.

Das wollte man auch vor Jahren ändern, indem man am Ruckerlberg eine Durchfahrt unterbricht. Hätte den Anrainern gar nicht so geschadet, aber massiv weniger Verkehr gebracht. Wollte die Politik (in dem Fall glaube ich KPÖ) dann nicht.

Das wäre nämlich ein machbarer Grund, um den Schleichverkehr in dieser Gegend zu reduzieren, nicht die Hauptverkehrsstrecken noch einmal weiter für PKW auszubauen.



PS: Es hat eigentlich niemand davon geschrieben, dass Hauptverkehrsstrecken absichtlich gesperrt oder verkleinert werden sollen.

Ragnitztal

Den Schleichverkehr bei der Argenotstraße und dem Moelkweg gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Baustelle in der Elisabethstraße führte zu keiner merklichen Frequenzsteigerung. Ich habe allerdings natürlich keine exakte Verkehrszählung durchgeführt.