Re: Grazer Sonnenfelsplatz wird zum Shared-Space-Platz umgestaltet
Antwort #234 –
Eine Verkehrsdrehscheibe ohne Regeln
Neues Planungsmodell: In fünf Tagen war der "Shared Space" in Graz fix und fertig - ganz ohne Proteststürme
Graz - Kein Aufstand der Anrainer, keine Bürgerinitiative, nichts. Dabei hätte gerade dieses innerstädtische Verkehrsprojekt Proteststürme erwarten lassen. Mitten im Grazer Uni-Viertel, am Sonnenfelsplatz, wurden in den letzten Wochen dutzende Verkehrsschilder abmontiert, der Platz wurde komplett umgegraben, neu asphaltiert und mit breiten färbigen Schrägstrichen, die in die Mitte führen, optisch in Unordnung gebracht.
Ab Dienstag, werden sich Fußgänger, Autos, Busse, Lkws und Radfahrer den Platz, den "Shared Space", teilen müssen - ohne ein hilfreiches Verkehrsschild. Es gibt in Hinkunft nur noch eine einzige verkehrspolitische Direktive: Entschleunigung.
Alle Betroffenen wirkten mit
Architekt und Projektleiter Andreas Kleboth im Gespräch mit dem Standard: "Man fährt nicht mehr nach Schildern, sondern nach dem Sozialverhalten." Autofahrer geraten durch die schräg-bunte Bodenmarkierung in "Unsicherheit" und drosseln das Tempo. Dass Verkehrsplaner, Politiker und Architekten nicht gleich als verkehrspolitische Träumer verjagt worden sind, liegt wohl an einem bisher vorwiegend im angloamerikanischen Raum praktizierten, völlig offenen Kommunikations- und Planungmodell ("Charette"), mit dem dieses sensible Verkehrsprojekt innerhalb von nur fünf Tagen mit direkter Einbindung aller Betroffenen konzipiert und fixiert wurde. Kleboth: "Wir gingen in die Bürgersitzungen ohne konkret ausgearbeiteten Entwurf. Wir haben das Projekt direkt vor Ort, in einem angemieteten leerstehenden Kaffeehaus ausgearbeitet und fixiert. Durch den straffen Zeitplan standen alle unter Entscheidungsdruck."
Anrainer, Vertreter von Blindenvereinen, Kaffeehausbesitzer, die Uni, Behördenvertreter, alle, die der Platz tangiert, wirkten an seiner Gestaltung mit. Kleboth: "Man nimmt mit dieser Methode die Planung vom Sockel herunter und plant nicht mehr im stillen Kämmerlein. Wir, von den Verkehrsplanern über die Soziologen bis zu den Lichtplanern waren täglich von sieben Uhr in der Früh bis ein Uhr nachts erreichbar. Alles war offen." Die nächsten Wochen werden zeigen, ob auch die praktische Umsetzung ohne Schrammen verlaufen wird. Kleboth: "Wir werden den weiteren Verlauf genau dokumentieren." (Walter Müller, DER STANDARD-Printausgabe, 11.10.2011)