Umweltzone: Auch für das Land ist wieder alles offenVon einem Ultimatum wollte man im Büro von Umweltlandesrat Wegscheider am Mittwoch nichts mehr wissen.
Eine Maximal- und eine Minimalvariante liegen auf dem Tisch, man wird sich in der Mitte treffen müssen
Die Berichterstattung der Kleinen Zeitung über das drohende Scheitern der Einführung einer Umweltzone in Graz schlug hohe Wellen. Im Büro von Umweltlandesrat Manfred Wegscheider beeilte man sich zu versichern, dass es weder ein Ultimatum gebe noch fixe Lösungsvorschläge. Es sei Wegscheider darum gegangen, Auskünfte über die politischen "No go's", also die nicht zu überspringenden Hürden, einzuholen. Eine Maximal- und eine Minimalvariante lägen auf dem Tisch, man werde sich in der Mitte treffen müssen. Büroleiter Jürgen Dumpelnik: "Es ist klar, dass es nicht ohne die Gebietskörperschaften als Partner geht, weil die müssen es ja umsetzen."
Wegscheider wünschte sich ein "Konklave" bis längstens 22. Dezember, bei dem eine Grundsatzentscheidung fallen solle. Dumpelnik begründet die Eile mit der drohenden EU-Strafe. Derzeit halte man bei zehn Überschreitungen, damit drohe eine Höchststrafe von vier Millionen Euro bereits im Herbst 2010. Je konkreter man die geplante Lösung umreißen könne, desto eher werde es gelingen, die Strafe noch einmal abzuwenden. Außerdem müsse man endlich das allgemeine Rätselraten beenden, das nur Verunsicherung erzeuge.
Die Stadt Graz, allen voran Chefverhandlerin Lisa Rücker, besteht auf rasche Übermittlung der Studie, die Wegscheiders Wunsch nach einer Mini-Zone unterstützt. Studienautor Stefan Hausberger kündigt den fertigen Bericht für die kommenden Tage an. Auf Wunsch des Landes wurden noch ergänzende Werte eingearbeitet. Haupteffekt einer Umweltzone wäre nicht, so Hausberger, dass die Leute weniger mit dem Auto fahren, sondern dass sie sich neuere Autos kaufen. Das hänge nicht so sehr davon ab, wie groß die Zone tatsächlich sei, daher wäre der Effekt bei einer großen Zone nicht wesentlich höher. Dass einige Leute die Zone umfahren würden, habe man eingerechnet.
"Keine Mini-Zone"
Der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl ließ sich mit seinem "No go" nicht lange bitten (siehe auch Interview, rechts): Die Minizone komme aus sozialen und wirtschaftlichen Erwägungen nicht infrage. Nagl will die Initiative jetzt aber an sich ziehen und sich als Moderator einer Großregionslösung einbringen. Die bisherige Chefverhandlerin Lisa Rücker (Grüne) ist wie Wegscheider der Meinung, dass die Grundsatzentscheidung, ob Klein- oder Großzone, bald fallen kann. Allerdings: Zuerst müsse die bestehende Expertengruppe die Hausberger-Studie auf dem Tisch haben. Dann müssten sich die Experten auf eine Empfehlung an die Politik einigen. Auf dieser Grundlage könne die Politik Verhandlungen aufnehmen.
CLAUDIA GIGLER, GÜNTER PILCH
Umweltzone: Nein zu UltimatumUmweltlandesrat Manfred Wegscheider verblüffte im Landtag: Entscheidung für Mini-Variante in Graz sei eine Powerpoint-Präsentation. Die Studie liege ihm selbst noch gar nicht vor.
Kommt die Umweltzone in Graz oder kommt sie nicht? Diese Frage beschäftigt seit einem Jahr Land Steiermark und Stadt Graz. Mit einem erstaunlichen Höhepunkt gestern im Landtag. Die Grünen wollten vom zuständigen SPÖ-Landesrat Manfred Wegscheider wissen, aufgrund welcher Details einer Studie der Technischen Universität er plötzlich für die Minimalvariante eintrete (Gries und umliegende Stadtbezirke) und warum er der Stadt Graz aus heiterem Himmel ein Ultimatum für die Entscheidung (22. Dezember) gesetzt habe. Die bemerkenswerte Antwort Wegscheiders: Die Studie kenne er selber nicht, nur eine Powerpoint-Präsentation. Die Wirkung einer größeren Zone wäre aber nicht viel höher als die einer kleineren. Und reden wolle er eh, aber seit dem 12. Dezember verweigerten die Grazer jeden Gesprächstermin.
Wegscheider beantwortete die Anfrage so spürbar distanziert, dass sich ÖVP-Klubchef Christopher Drexler später über diesen "Dienst nach Vorschrift" wunderte. Die Grüne Klubchefin Ingrid Lechner-Sonnek hatte zuvor emotional appelliert: "Feinstaub macht krank. Und die Belastung ist veränderbar, nicht durch das Individuum, sondern durch die Politik."
Ultimatum nicht anerkannt
Der Ärger der Grünen über die Kaltschnäuzigkeit Wegscheiders führte dazu, dass wenig später ein Brief zirkulierte, den die Grazer Vizebürgermeisterin Lisa Rücker dieser Tage an Wegscheider geschrieben hatte. Darin hält sie fest, dass Wegscheider vereinbarungswidrig noch vor Übermittlung der Studie der Presse eine Entscheidung angekündigt habe und sie selbst zur entscheidenden Sitzung der Arbeitsgruppe erst eineinhalb Stunden vorher eingeladen wurde. Die Arbeitsgruppe habe sich für eine Zone bis zur Autobahn ausgesprochen (in Anlehnung an die alte Smogzone, die allerdings auch Seiersberg inklusive Einkaufszentrum beinhalten würde), Wegscheider habe aber nach der Sitzung gegenüber der Presse behauptet, alle seien für die Mini-Variante. Das Ultimatum erkennen Grüne und ÖVP nicht an, zumal die gesetzliche Grundlage - das Immissionsschutzgesetz Luft (IGL) - noch in Begutachtung und starker Kritik ausgesetzt sei. Sobald die Studie und das Protokoll der Arbeitsgruppe vorlägen, ist Rücker für Graz zu weiteren Gesprächen bereit.
Lechner-Sonnek brachte es im Landtag noch einmal auf den Punkt: "Für eine schlechte Entscheidung ist jeder Zeitpunkt zu früh." Drexler ortete eine "entwaffnende Ehrlichkeit" in einem Nebensatz Wegscheiders, wonach es offenbar Ziel der SPÖ sei, nur mit Graz und nicht mit den Umlandgemeinden (etwa Seiersberg) verhandeln zu müssen.
CLAUDIA GIGLER
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