Re: "Umweltzone" - Graz
Antwort #320 –
genannter Artikel:
Ist die Grüne Welle ein Mythos?
Diese Frage untersuchten Fachleute - jetzt liegt das Ergebnis vor.
Die Grüne Welle als derzeit vielgepriesenes Allheilmittel gegen Stau und Feinstaub in Graz bleibt ein Mythos: Dieses Resultat brachte eine heute präsentierte Untersuchung durch Fachleute. Zum Einen sind auf 24 Grazer Hauptrouten die Ampelschaltungen bereits weitgehend optimiert, zum Anderen kennt eine weitere Bevorzugung gewisser Straßenzüge weit mehr VerlierInnen als SiegerInnen.
Eine Grüne Welle muss her, dann lösen sich Stau- und Feinstaubprobleme in Graz weitgehend in (saubere) Luft auf. Diese zuletzt oft verbreitete Meinung wurde heute in einer Pressekonferenz, zu der BürgermeisterStellvertreterin Lisa Rücker als Verkehrs- und Umweltreferentin in die Verkehrsleitzentrale der Grazer Polizei in der Paulustorgasse geladen hatte, gründlich widerlegt. Fachleute der Polizei, der Stadtverwaltung und aus der Verkehrsplanung belegten, dass die Verkehrsströme entlang der Hauptverkehrsrouten bereits weitgehend optimiert sind - und, dass eine Grüne Welle für alle VerkehrsteilnehmerInnen ungefähr gleich realistisch ist wie die berühmte eierlegende Wollmilchsau. Denn: Fahrzeit, die gewissen Straßen zusätzlich eingeräumt wird, muss anderen Routen abgezwickt werden, weil eine Minute auch im Straßenverkehr nicht mehr als 60 Sekunden hat. Gewinne in bevorzugten Gebieten werden durch Stau- und Feinstaubbelastungen an anderer Stelle mehr als aufgewogen.
24 Routen mit Grünen Wellen schon vorhanden
Wie der Grazer Straßenamtsvorstand DI Harald Hrubisek ausführte, gibt es in Graz derzeit
291 Ampeln, von denen 113 mit Vorrang für den Öffentlichen Verkehr programmiert sind.
24 Hauptverkehrsrouten, die einen überwiegenden Teil des täglichen Verkehrs aufnehmen, sind bereits mit Grünen Wellen versehen. Der Referatsleiter für Verkehrssignalanlagen, DI Bernd Cagran, zeigte die Schwierigkeiten auf, eine Grüne Welle zu ermöglichen: Da diese vom Kreuzungsabstand ebenso abhängig ist wie von der Geschwindigkeit der Fahrzeuge und von der Umlaufzeit zwischen den einzelnen Grünphasen, könne man sie - noch dazu abhängig von der Tageszeit und dem damit verbundenen Verkehrsaufkommen - immer nur in eine Richtung und nur auf Hauptrouten, aber nie für alle VerkehrsteilnehmerInnen installieren.
Simulation für Glacis zeigt: Wenige gewinnen, viele verlieren
Der international renommierte Verkehrsexperte DI Dr. Kurt Fallast demonstrierte anhand einer Simulation für das Glacis, das täglich rund 20.000 Fahrzeuge aufnehmen muss, die weitreichenden Folgen einer Veränderung der Ampelschaltungen auf. Unter der Annahme, in der Verkehrsbelastung der Abendspitzenstunde dem Glacis von der Luthergasse stadtauswärts bis zur Bergmanngasse eine Grüne Welle zu verpassen, gewährte er dem Verkehr am Glacis eine um zehn Sekunden pro Ampelphase verlängerte Grünzeit, während für die Nebenstraßen die Grünphasen geringfügig verkürzt werden mussten. Zudem wurde der Vorrang für den Öffentlichen Verkehr zurückgenommen, FußgängerInnen und RadfahrerInnen wurden ebenfalls mit geringer zusätzlicher Grünzeit abgespeist, um abbiegende Kraftfahrzeuge zu beschleunigen, und FußgängerInnen am Kaiser-Josef-Platz bekamen eine Ampelregelung verpasst. Das Ergebnis dieser Simulation: Die Fahrzeit am Glacis konnte zwar halbiert werden, in zu Nebenstraßen erklärten Bereichen wie der viel befahrenen Elisabethstraße beispielsweise baute sich hingegen binnen kürzester Zeit ein umfangreicher Stau auf. Die AutofahrerInnen dort, die Fahrgäste in Straßenbahnen und Bussen sowie FußgängerInnen und RadfahrerInnen verloren ein Vielfaches jener Zeit, die den privilegierten Kfz-LenkerInnen am Glacis geschenkt worden war. Die Umweltbilanz der Maßnahme sah entsprechend aus.
,,Maximal drei Prozent Verbesserungspotenzial für Grüne Welle"
Fallast sieht in den bestehenden Grünen Wellen für die 24 betroffenen Hauptverkehrsrouten bereits weitgehende Bestlösungen verwirklicht: ,,Das Verbesserungspotenzial beträgt maximal drei Prozent, und dafür müssten Millionen investiert werden!" Zudem gehe eine Grüne Welle immer von einem störungsfreien Verkehrsablauf aus, wie die Polizei bestätigte: Nicht nur jeder Unfall, sondern auch jede Baustelle oder einfach Ein- und AusparkerInnen würden diesen Optimalfall sofort zerstören. Bürgermeister-Stellvertreterin Lisa Rücker zog daraus ihre Schlüsse: ,,Die These, dass alle Grazer Verkehrs- und Umweltprobleme mit einer Grünen Welle schlagartig zu lösen seien, ist einfach falsch. Wir versuchen, die zur Verfügung stehende Zeit bestmöglich und gerecht auf die unterschiedlichen Verkehrsarten zu verteilen!" Als Verkehrsreferentin habe sie überhaupt kein Interesse an jeglichem Stau, allerdings habe sie an stark frequentierten Kreuzungen für FußgängerInnen und RadfahrerInnen Verbesserungen durchgesetzt - und dabei versucht, möglichst geringe Nachteile für die Autos in Kauf zu nehmen. Da auf den Straßen bei allen Verkehrsarten auch viele beruflich bedingte Wege zurückgelegt werden, sei ein bestmöglicher Ablauf des Grazer Verkehrsgeschehens mit rund 500.000 Kfz-Fahrten täglich auch eine volkswirtschaftliche Notwendigkeit.