Erbitterter Kampf um die letzten GrünräumeEin neues Gesetz soll Wohnhäuser auch im Freiland ermöglichen. Unklar ist, wie man die totale Zersiedelung verhindern will.
Die seit Monaten laufenden Verhandlungen über das neue steirische Raumordnungsgesetz kommen in die heiße Phase. Landesrat Manfred Wegscheider rechnet noch vor dem Sommer mit einem Beschluss. Doch es könnte anders kommen. Denn das neue Gesetz sieht eine weitgehende Liberalisierung des Bauens im Freiland vor - und dagegen formiert sich starker Widerstand.
Die Architektenkammer hat eine negative Stellungnahme abgegeben, der Grazer Gemeinderat sieht die letzten Reste des Grazer Grüngürtels in Gefahr und ist daher ebenfalls gegen das Gesetz. Im Landtag befürworten hingegen sowohl SPÖ als auch ÖVP die Novelle - getrieben von starkem Druck aus ost- und südsteirischen Orten, wo die Bürgermeister gegen die Abwanderung kämpfen. KPÖ und Grüne warnen jedoch vor dem ,,Ende der Raumordnung" und sehen alle Dämme brechen.
Ursache ist eine gelockerte Bestimmung über ,,Auffüllungen" im Freiland. Demnach sind künftig Wohnhäuser im Freiland erlaubt, wenn an einem Ort schon jetzt drei Häuser stehen, die Baulücke maximal 3000 Quadratmeter groß ist und das Gebiet eine ,,weilerartige oder zeilenförmige Bebauungsstruktur" aufweist.
Anders als bisher müssen solche Auffüllungen nicht mehr im Flächenwidmungsplan festgelegt werden - die Entscheidung, ob gebaut werden darf, liegt allein in der Hand des Bürgermeisters. Raumplaner Günter Reissner: ,,Der Druck auf die Bürgermeister wird steigen. Wenn das kommt, kann man in vielen oststeirischen Orten jede Art von Zentrumsbildung vergessen."
Auch der grüne Mandatar Lambert Schönleitner warnt: Unter dem Deckmantel des Freilandes werde jede Menge neues Bauland geschaffen. ,,Die Raumordnung wird ausgehebelt. Die Rechnung der Bürgermeister ist trügerisch, weil in der Infrastruktur hohe Folgekosten kommen."
Im Grazer Grüngürtel wird massiv gebaut (im Bild: Rotmoosweg in Graz-Andritz). Künftig werden derartige Bauten noch erleichtert.Zimmer mit Aussicht: Der Run auf die besten Bauflächen ist trotz Krise ungebrochen.Gewaltige Bauland-MengenGegenargument von SPÖ und ÖVP: In vielen Freilandzonen seien Kanal und Wasser längst vorhanden. VP-Abgeordneter Erwin Dirnberger: ,,Kein Mensch versteht, warum er dort nicht bauen darf. Neue Häuser würden sogar eine Verdichtung bringen und die Kosten senken." Auch SP-Mandatar Franz Schleich versichert: ,,Wir füllen nur auf, da kann nichts passieren."
Fest steht allerdings, dass die neue Regel Unmengen von neuen Bauplätzen produziert. Ein vertrauliches Papier der Landes-Raumordnungsabteilung lässt daran keine Zweifel. So würden in Orten wie Mitterdorf an der Raab oder St. Andrä im Sausal jeweils mehr als 200.000 Quadratmeter ,,Verdachtsflächen" für das Bauen im Freiland entstehen. Fatal wären wohl die Auswirkungen für das Grazer Umland, wo der Siedlungsdruck am größten ist. Allein im Grazer Grüngürtel entstehen 80 potenzielle Bauflächen für bis zu 400 neue Häuser.
Ob sich umgekehrt die Hoffnung erfüllt, durch mehr Bauland die Abwanderung zu stoppen, wird bezweifelt. Zitat aus der Studie des Landes: ,,Für kleine Abwanderungsgemeinden kann kein Zusammenhang zwischen Bevölkerungsentwicklung und Baulandangebot festgestellt werden." Experten wie Nikolaus Lallitsch, Geschäftsführer von Raiffeisen Immobilien, hätten ohnedies bessere Ideen: ,,Die Wohnbauförderung sollte an die Raumordnung gekoppelt werden. Man sollte nur noch dort fördern, wo Abwanderung droht."
DREI FRAGEN AN . . . . . . Naturschutz-Landesrat Manfred Wegscheider (SPÖ) SCHERIAU
1.Die Neuregelung der ,,Auffüllung" wird vielfach als Ende der Raumordnung gesehen.MANFRED WEGSCHEIDER: Wir wollen hier eine Lockerung, aber keine Zersiedelung. Die Bausünden sind ja schon in der Vergangenheit passiert. In vielen Gebieten gibt es jetzt den Kanal, dort kann man auch bauen.
2.Wieso weist man solche Zonen dann nicht gleich als Bauland aus?WEGSCHEIDER: Eben deshalb, weil wir nicht noch weitere Begehrlichkeiten wecken wollen. Es sind ganz bestimmte, strenge Voraussetzungen vorgesehen, um im Freiland zu bauen.
3.Dass der Bürgermeister über die Freiland-Verbauung allein entscheiden soll, weckt das nicht starke Befürchtungen?WEGSCHEIDER: In meiner Zeit als Bürgermeister habe ich mich nicht gescheut, auch Nein zu sagen. Eher habe ich manchmal die Möglichkeit vermisst, selbst die Entscheidung zu treffen. Aber in diesem Punkt ist in den Gesprächen vielleicht noch eine Kompromissformel drin.
Quelle:
www.kleine.atDiese Lockerung kann aber auch eine Sünde sein. Ich finde, man sollte das ganze überdenken.