Um 350 Millionen Euro will die Energie Steiermark in Graz ein Fernheizkraftwerk bauen. Kritiker wittern in dem Projekt eine energiepolitische Fehlentscheidung.
Es ist ein energiepolitisches Großprojekt, das die Energie Steiermark (Estag) auf Grazer Stadtgebiet verwirklichen will. In Nachbarschaft zum Fernheizkraftwerk Graz-Puchstraße wird ein neues Gas-Kombikraftwerk entstehen, um die Stadt mit zusätzlicher Fernwärme und Strom zu versorgen. Der 400 Megawatt starke Block soll bis 2012 in Betrieb gehen und kann dann bis zu 100.000 Haushalten Wärme liefern.
Leitungsnetz. Hintergrund des Projektes ist der steigende Fernwärme-Bedarf in Graz. Jedes Jahr werden mehrere hundert zusätzliche Haushalte ans Leitungsnetz angeschlossen, während die Transportleitungen von den Verbund-Kraftwerken im Süden von Graz (Mellach) ihre Kapazitätsgrenzen erreicht haben. Dazu kommt, dass das derzeitige Estag-Fernheizwerk in der Puchstraße mehr als 40 Jahre alt und hochgradig unwirtschaftlich ist. Geht es nach den Plänen der Energie Steiermark, soll die alte Anlage, die heute nur noch Verbrauchsspitzen abdeckt, vom neuen Kraftwerk abgelöst werden.
Kampfansage. So weit die Fakten. Gleich an mehreren Fronten regt sich aber bereits Kritik. Mit dem ambitionierten Projekt will die Estag nicht zuletzt dem Verbund-Konzern das Wasser abgraben. Die Verbund-Tochter ATP hat erst im Oktober mit dem Bau eines Gaskraftwerks südlich von Graz begonnen. Diese Anlage könnte ohne zusätzlichen Aufwand bis zu 400 Megawatt Fernwärme ins Grazer Netz einspeisen. Voraussetzung dafür: Die 18 Kilometer lange Transportleitung müsste ausgebaut werden. Diesem Ausbau erteilt die Energie Steiermark jedoch zugunsten ihres eigenen Grazer Projekts eine klare Absage. So wird die Wärme in Mellach künftig ungenutzt in die Mur entsorgt, während in Graz für die Wärmeerzeugung ein eigenes Kraftwerk entsteht.
60 Millionen Euro. Kosten würde der Leitungsausbau rund 60 Millionen Euro. Immerhin nur rund ein Sechstel der Kosten für das geplante Gas-Kraftwerk in Graz, das sich mit rund 350 Millionen zu Buche schlagen wird. Dennoch sieht man bei der Energie Steiermark gute Gründe, die Leitung nicht auszubauen. "Auf Dauer würden die Kosten für die Leitung am Wärmekunden hängen bleiben", argumentiert Christian Mayer, Projektleiter für das neue Estag-Gaskraftwerk. Im Gegensatz dazu würde man beim eigenen Projekt in der Puchstraße die Investitionskosten über den Stromverkauf wieder hereinholen. "Außerdem ist es nicht tragbar, dass die ganze Grazer Fernwärmeversorgung am Süden hängt", so Mayer. Die Wärme brauche über die Leitung rund zwei Stunden bis nach Graz. Schnelles Reagieren auf Kälteeinbrüche sei so nicht möglich.
Abwärme nutzen. Im Grazer Rathaus hat man mit der Entscheidung der Energie Steiermark trotzdem wenig Freude. "Mitten in der Stadt ein Kraftwerk zu errichten ist wenig sinnvoll. In Mellach könnte man die Abwärme nutzen, die sowieso da ist", heißt es im Büro von Bürgermeister Siegfried Nagl.
Gratis-Zertifikate. Auch Umweltschützer zweifeln an der Sinnhaftigkeit des Estag-Projekts. Immerhin wird das Gas-Kraftwerk zusätzliche 700.000 Tonnen CO2 pro Jahr produzieren. Gratis-Zertifikate wird man dafür nicht bekommen, jede Tonne Kohlendioxid muss am europäischen Markt gekauft werden. Bei der Estag rechnet man mit einem Preis von rund 25 Euro je Tonne. Für die gesamte Anlage ergeben sich damit Zusatzkosten von rund 17,5 Millionen Euro pro Jahr.
Landesenergieversorger. Derzeit bereitet der Landesenergieversorger die Umweltverträglichkeitserklärung für das Großprojekt vor. Außer dem zusätzlichen CO2 würden in Graz keine nennenswerten Emissionen entstehen, versichert man.
GÜNTER PILCH
Quelle:
www.kleine.at