Wiener Bombardier-Werk in Auftragsnot
Belegschaftsvertreter schlagen Alarm: Sollte die Gemeinde Wien eine Option auf 20 U-Bahn-Züge nicht noch heuer ziehen, stehe das Werk vor dem Aus
Wien - Der kanadische Schienenverkehrskonzern Bombardier fährt in etlichen Werken mit verminderter Kraft - möglicherweise bald auch in Wien. Grund ist eine Auftragslücke, die sich 2012 auftut und bis 2013 hineinreicht. Letzte Hoffnung sei die Gemeinde Wien. "Wenn nicht noch heuer die Option auf 20 Fahrzeuge für die U6 gezogen wird, steht das Werk vor dem Aus" , sagte der Vorsitzende des Angestelltenbetriebsrats, Michael Richter, dem Standard.
Betroffen seien rund 600 Arbeitsplätze in Wien-Donaustadt, wohin Bombardier 2007 nach Aufgabe des alten Standorts in Wien-Floridsdorf übersiedelt ist. Dort hat sich Bombardier auf zunächst 20 Jahre eingemietet.
Signale aus Kanada deuteten darauf hin, dass die Fertigung in Wien ohne Überbrückungsauftrag schon Mitte 2012 zugedreht wird. Das bedeutete in einem ersten Schritt den Verlust von 400 der 600 Jobs. Richter: "Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis auch die restlichen Arbeitsplätze verschwinden" .
Dabei gehe es um verschiedene Headquarter-Funktionen (Wien ist für Bombardier weltweites Kompetenzzentrum für leichte Schienenfahrzeuge) sowie um Jobs in Forschung und Entwicklung. "Unser Schwesterwerk im ostdeutschen Bautzen übernimmt das mit Handkuss" , sagte Richter, der selbst mehrere Krisen miterlebt hat. Am Werk in der Donaustadt hingen noch 140 Zulieferer - davon 70 aus Wien.
Auftragsvolumen von 66 Millionen
Bei dem Auftrag über 20 U-Bahn-Fahrzeuge, die fünf kompletten Zügen entsprechen, geht es um ein Auftragsvolumen von 66 Millionen Euro. Obwohl die Wiener Linien darauf drängten, sei die Bestellung immer wieder verschoben worden. Dabei platze die U6, mit 17,5 km die längste U-Bahn-Linie der Stadt, bereits jetzt aus allen Nähten. Richter: "Für Wartung und Reparatur gibt es kaum einen Puffer mehr" .
Bei der Gemeinde Wien bringt man den Nichtabschluss des Geschäfts in Zusammenhang mit der Tarifreform für die Öffis, die gerade in einer Arbeitsgruppe verhandelt wird. "Eine Entscheidung durch die Wiener Linien kann erst dann definitiv getroffen werden, wenn durch die Reform eine entsprechende Absicherung der Investitionsvorhaben der nächsten Jahre gegeben ist" , heißt es im Büro von Finanz- und Wirtschaftsstadträtin Renate Brauner.
Bombardier hat bis jetzt insgesamt 124 Fahrzeuge für die U6 geliefert - eine Sonderkonstruktion, die speziell für den Betrieb auf der ehemaligen Stadtbahn ausgelegt ist. Derzeit wickelt Bombardier Aufträge für Linz, Valencia (Spanien) und Blackpool (Großbritannien) ab. Danach sehe es düster aus. Licht am Ende des Tunnels sieht man im Wiener Werk erst in zwei Jahren. Laut derzeitiger Planung sollten dann eine Reihe internationaler Aufträge abgerufen werden. Richter: "Dann haben wir wieder mehr als genug zu tun." (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 9.9.2011)
Quelle: standard.at