Wo die wilden Tiere wohnenGraz bietet für viele Tierarten den perfekten Lebensraum. Doch das tierische Idyll ist in Gefahr.
Kenner nennen ihn ,,Franzl", weil er im Burggarten in der Nähe des Landeshauptmanns lebt. Dass dort neuerdings ein Dachs zu sehen ist, überrascht die Wissenschaft längst nicht mehr. Immerhin marschieren Rehe mitunter bis zum Stadtpark, graben sich Hasen durch Puntigam, leben Gämsen am Buchkogel, ja sogar ein Goldschakal wurde in Eggenberg gesichtet. Wildtiere finden Graz offenbar schick und fühlen sich im satten Grün der Überflussgesellschaft wohl. Auch Johannes Gepp vom Institut für Naturschutz weiß das längst: ,,Die wilden Tiere erobern die Stadt, finden hier genügend Futter. Das ist gut so, denn es zeigt auch, dass unser Ökosystem intakt ist."
Zuweilen kommt es aber zu merkwürdigen Situationen. Etwa wenn Krähen über Straßen fliegen und so lange Nüsse fallen lassen, bis diese aufplatzen. Oder wenn ein Wanderfalke mit halsbrecherischen 300 km/h über die Dächer jagt.
Gefährlich wird die Stadt aber vor allem für Tiere, wenn sie soziale Züge aufweisen. ,,Tragisch ist es immer", weiß Gepp, ,,wenn Igel ihren toten Partner betrauern und dann selbst überfahren werden." Bis zu 14.000 Igel werden pro Jahr in Graz überfahren.
Dass die Fauna aber auch den menschlichen Stadtbewohnern zu schaffen macht, zeigen vor allem die Aaskrähen, die der Grazer Naturschutzbeauftragte Wolfgang Windisch bereits als ,,größere Plage als Tauben und Ratten" bezeichnet. Er berichtet davon, dass in Alt-Krottendorf Ballone als bunte Vogelscheuchen-Varianten dienen, ,,die Wirtschaftsbetriebe müssen außerdem neue Abfalleimer bestellen, die einen speziellen Schließmechanismus haben, weil Krähen immer den Müll herauszerren." Es ist so schlimm, dass die Krähen dieser Tage zum Abschuss freigegeben wurden.
Dem nicht genug: Nachtaktive Siebenschläfer sind die Poltergeister in Altbauten, Marder streunen auf der Suche nach Motorkabel durch die Nacht. Doch viele Phänomene sind nicht ganz so neu. Johannes Gepp: ,,Die Bärenroute verläuft etwa seit Jahrhunderten von Südkärnten über Peggau nach Mariazell. Vor 30 Jahren wurde dort ein Tier überfahren, deshalb gibt's im Norden von Graz jetzt Bärenbrücken."
Der Schutz der Tierwelt ist für Gepp heute mehr Thema denn je: ,,Wir brauchen ein Grün-Keil-Konzept. Vom Stadtpark müsste es sternförmig nach außen Grün-Verbindungen geben." Bäche eignen sich gut dafür, Hinterhöfe auch. ,,Viele Städte machen das, zum Beispiel hat Basel alle vergrabenen Bäche wieder an die Oberfläche gebracht. Auch Wien hat Kanäle, die jetzt zu grünen Linien umgebaut werden."
Wie notwendig solche Planungen sind, macht Windisch deutlich. ,,Wir könnten so tun, als kümmere es uns nicht, könnten innerstädtische Kraftwerke ohne Grünausgleich planen. Die Folgen wären aber fatal. Graz würde durch das Abschneiden der Murböschung zu sogenannter Inselökologie verdammt. Nattern könnten die Stadt meiden, die Ratten würden sich vermehren."
Gegenwärtig schaut es allerdings nicht so aus. Im Gegenteil: ,,Es scheint, als ob Graz unter Tieren beliebter ist denn je."
Quelle:
www.kleine.at