Ketten ReaktionNach Greißler- und Fleischersterben kämpfen die Supermarktketten um die Innenstadt und auch in Graz mit immer mehr Filialen um die Marktführerschaft.
142 Supermarktfilialen gibt es in Graz - mit Spezialgeschäften kommt man auf rund 240
Ein Flohmarkt und tschüss - das Café Erzherzog Johann ist endgültig Geschichte und wird künftig zur Billa-Filiale. Zeitgleich gehen nur wenige Meter weiter nördlich, unterm Kastner & Öhler, die Arbeiten am Supermarkt im Souterrain ins Finale. "Wir haben rund 2,7 Millionen Euro investiert", erzählt der steirische Spar-Geschäftsführer Erwin Schmuck stolz. Der Eurospar-Markt, der am 20. Oktober zeitgleich mit dem spektakulär umgebauten Kastner-Komplex eröffnet wird, dient fortan als Flagship-Store im Herzen der Stadt. Und wiederum nur Meter südlich bereitet Rewe auch schon den Umbau seiner Billa-Filiale auf dem Hauptplatz vor.
Die Innenstadt ist längst Aufmarschgebiet der Giganten. Gab es im Grazer Zentrum abseits der Standln nach Greißler- und Fleischersterben vor wenigen Jahren kaum noch wo die Chance, ein Wurstsemmerl zu erstehen, fädeln sich zwischen Haupt- und Jakominiplatz Supermärkte auf wie eine Perlenkette. Drei Billa-, zwei Spar- und eine Zielpunkt-Filiale sind es in Kürze. Und Spar will sein Tannen-Logo auch auf dem Jakominiplatz in Stellung bringen, wo Rewe erst kürzlich den Billa im Steirerhof auf Gourmet-Niveau gehoben hat.
ParkplatzfrageDie beiden Konzerne kämpfen Filiale um Filiale um Marktanteile. Nach dem Tankstellen-Prinzip sperrt auch in der City neben Spar ein Billa auf. Die Diskonter Hofer, Lidl und Penny tragen das Match derweil an Ausfahrtsstraßen aus. Hofer hat seine Zentrums-Filialen in der Reitschulgasse und Annenstraße schon vor Jahren gesperrt, auch weil es dort keine Parkplätze gab.
Eine Grundvoraussetzung, auf die Spar und Billa verzichten, staunt der Grazer Lebensmittelhändler und Handelsobmann in der Wirtschaftskammer Wolfgang Sauer: "Die hätten früher nie ohne Parkplatz aufgesperrt." Insgesamt sei die Filialdichte schon ungesund: "Da geht es nur noch um Verdrängung. Ich bin mir sicher, dass sich da längst nicht mehr alle Filialen rechnen."
Die Kettenreaktion zieht sich quer durch die Stadt. Beispiel Riesplatz/Ragnitz: Vom LKH bis zum Berliner Ring buhlen auf knapp zwei Kilometern Wegstrecke drei Billa-, eine Penny-, eine Hofer- und eine Sparfiliale um Kundschaft. Bei der Wirtschaftskammer sind für Graz 142 Supermarkt-Standorte registriert. Spar ist mit 44 Filialen (plus zwei Express-Filialen in Tankstellen) Marktführer vor Billa. Allein die Verkaufsfläche im Zeichen der Tanne entspricht in etwa jener von sechs Fußballfeldern. Nimmt man aber alle Ketten der Rewe-Gruppe (Billa, Merkur, Penny, Adeg) zusammen, hat der deutsche Riese die Nase vorne.
Doch Spar-Chef Schmuck will von ungesunder Dichte nichts hören. Man müsse den Großraum sehen, in dem rund 400.000 Menschen leben. Keine der Grazer Filialen fahre ein Minus ein. Und: "Es gibt immer noch weiße Flecken in der Stadt. Und wer Graz in der Hand hat, hat die ganze Steiermark", tönt Schmuck. Der Kampf um die besten Standorte wird noch härter werden.
Kunden-NachfrageAuch für den Konkurrenten Rewe ist der Ausbau des Filialnetzes längst noch nicht zu Ende. Corinna Tinkler, Leiterin der Unternehmenskommunikation, bekräftigt sogar, dass man mit der Eröffnung neuer Filialen schließlich nur auf die Nachfrage der Verbraucher reagiere. "Vor allem in Stadtzentren sind wir stets bestrebt, möglichst optimale Lösungen im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch unserer Kunden nach einem Nahversorger einerseits und einer hohen Supermarktdichte andererseits zu finden." Gerade in der Innenstadt setzen die Ketten nun auf die Laufkundschaft und forcieren die Frischebereiche. Ein bisschen geht man weg vom Supermarkt hin zur Feinkost-, Schmankerl- und Jausenstation.
"Frischwaren machen schon gut die Hälfte unserer Umsätze aus", betont Spar-Chef Erwin Schmuck: "Und der Trend geht zu einem Mix aus Gastronomie- und Lebensmittelhandel." Die Kundschaft will immer öfter Gekauftes auf der Stelle verzehren oder Fertiges für die schnelle Zubereitung zu Hause kaufen.
Ein Trend, der den letzten kleinen Kaufleuten, die auch von Lauf- und Jausenkundschaft leben, das Leben noch schwerer macht, ist Sauer überzeugt. Genau 16 kettenfreie Grazer Kaufleute führt die WK auf ihrer Liste (siehe rechts). Aber es sind die letzten ihrer Art, fürchtet Sauer: "Nur wer sich in gut frequentierten Lagen in einem kleinen Laden extrem spezialisiert oder als Ein-Mann-Betrieb arbeitet, hat in Zukunft noch eine Chance."
Quelle:
www.kleine.at G7