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Thema: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938 (8716-mal gelesen) Vorheriges Thema - Nächstes Thema

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  • Michael
  • Styria Mobile Team
Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938

Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938

Unglaublich, aber bis ins 20. Jahrhundert gab es in Graz eine völlig überalterte Binnenmaut. Wollte jemand Lebensmittel in die Stadt bringen, wurde er von den "Spinatwachtern" zur Kasse gebeten.

Bis zum Jahr 1938 bestand Graz nur aus sechs Bezirken - Innere Stadt, St. Leonhard, Geidorf, Jakomini, Gries und Lend. An den Ausfallstraßen befanden sich Mauthäuser, in denen Beamte eine Maut einhoben. Sie trugen den stolzen Titel der "provisorischen, städtischen Finanzwach-Aushilfe-Aufseher".

Für die Benützung der Straße mussten die Lenker von Fahrzeugen Straßenmaut zahlen. Wollten Bauern aus dem Umland Lebensmittel wie frisches Gemüse und Obst, Geselchtes oder Eier nach Graz "importieren", wurde eine Verbrauchssteuer eingehoben. Auch Grazer, die einen Ausflug gemacht hatten und vollbepackt mit Lebensmitteln zurückkamen, wurden zur Kasse gebeten.


24 Mautstellen

Jedermann, der die Grazer Grenze überschritt - egal, ob zu Fuß, mit der Straßenbahn, dem Fuhrwerk, Auto oder Fahrrad -, wurde einer Kontrolle durch die "Spinatwachter", wie die Beamten wegen ihrer grünen Uniformen volkstümlich bezeichnet wurden, unterzogen. 24 Mautstellen oder Linienämter gab es damals an der Grenze der Landeshauptstadt. Bezeichnungen wie "Puntigamer Maut" oder "Leonhard-Maut" haben im allgemeinen Sprachgebrauch lange Zeit überlebt, heute erinnert nur noch die Mautgasse (Grabenstraße/Lindengasse) offiziell an die alte Andritzer Zollstelle.


Ungeliebte Spinatwachter

Die "Spinatwachter" oder "B'stellten" waren als Kontrollore bei der Bevölkerung äußerst unbeliebt. Denn kein Hendl oder Schweinsbraten entging ihrem scharfen Blick. Alle Taschen und Rucksäcke mussten geöffnet werden, ja sogar Heuwagen wurden mit spitzen Mistgabeln durchsucht, damit ja keine Schmuggelware nach Graz gelangen konnte. Und die Liste der Waren, die unter die Verzehrsteuer fielen, war sehr lang. Nicht nur die täglichen Lebensmittel standen darauf, sondern auch Dörrobst, Seife, Brennholz, Met und Essig. Nicht einmal Haarpuder und Hundekuchen durften unversteuert in die Stadt. Dazu kam die "Pflastermaut", die eingehoben wurde. Nur Fußgänger waren davon befreit, alle anderen wurden zur Kasse gebeten.

Für einen Einspännerwagen zahlte man 10 Groschen Maut, für einen Zweispänner 20 Groschen. Fuhrleute kamen günstiger davon, wenn ihre Wagen breite Räder hatten - weil sie das Pflaster schonten. Motorradfahrer wurden um 10 Groschen erleichtert, und Autofahrer nach der Zahl der Sitze im Wagen besteuert.

Was aber erhielten die Finanz-Aushilfe-Aufseher selbst bezahlt? Sie bekamen ein monatliches Salär von 162 Schilling - immerhin 30 mehr als ein Feuerwehrmann. Damit aber auch die Bahnreisenden der kommunalen Abgabe nicht entgingen, waren beim Südbahnhof (heute Hauptbahnhof) und im Ostbahnhof Linienämter eingerichtet. Weil beim Hilmteich die "rote Tram" die Steuer- und Finanzgrenze der Stadt zur Gemeinde Fölling überrollte, gab es auch hier ein Linienamt.


Kein Einschleichen möglich

Und wer glaubte, sich schwer bepackt über Seitenstraßen oder Feldwege in die Stadt einschleichen zu können, konnte sehr leicht einer "ambulanten Mautkommission" in die Arme laufen. Der Anachronismus eines derartigen Binnenzollsystems hatte aber eine sehr lange Tradition. Bereits 1265 wird die Grazer Maut im Urbar König Ottokars von Böhmen erwähnt, der damals über die Steiermark herrschte.

1361 erhielt Graz von Rudolf IV. von Habsburg einen ausgedehnten Stadtgerichtsbezirk verliehen. Der war Goldes wert, denn er schloss die Verkehrswege am Ost- und Westrand des Grazer Beckens ein und machte damit ein Umgehen der Stadt äußerst schwierig. Nun konnte Graz auch für die Benützung der alten Römerstraße, im Mittelalter Hoch- oder Mitterstraße genannt (heute Alte Poststraße), kassieren. Auch eine Brückenmaut war üblich. Und die Wassermautstelle bei der Schießstätte im Griesviertel kontrollierte die Schiffe, Flöße und Platten auf der Mur.

Mit jeder Stadterweiterung wurden die Mautstellen weiter nach außen verschoben. Befanden sie sich im Mittelalter noch beim Eisernen Tor und den anderen Stadttoren, waren sie im 18. Jahrhundert bereits auf dem Leonhardplatz, in der Heinrichstraße, bei der Weinzettelbrücke und der Papiermühle. Erst durch die Errichtung von "Groß-Graz" im Zuge des "Anschlusses" an das Deutsche Reich 1938 kam es zum lang ersehnten Ende der lästigen und ineffizienten Binnenmaut.

Quelle: http://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/graz/2767801/mautstellen-schotteten-graz-ab-bis-1938.story


Das der Artikel gleich mit dem Wort unglaublich anfängt. Ich habe irgendwie schon an die Citymaut gedacht. ;D
LG Michael, vormals PM  |  Styria-Mobile

  • amadeus
  • Libertin & Hedonist
Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #1
Ergänzend dazu die "Spinatwachter" bei der Eggenberger Maut um 1930.
Gruß aus Graz-Eggenberg
Wolfgang
      Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, klar und falsch ist.
Im Übrigen bin ich der Meinung, daß das Fahrtziel eines Fahrzeuges mit dessen Fahrtzielanzeige übereinstimmen soll.


Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #2
Weiß jemand, wo diese 24 Mautstellen waren?
MfG  Gerold

  • Martin
  • Global Moderator
  • Styria Mobile Team
Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #3
Das wäre sehr interessant zu wissen.
Teilweise stehen sie ja im Artikel.

Wenn jemand den Standort einer solchen weiß, bitte hier einstellen.

Ich werde hier eine Liste beginnen:

Körösistraße / Grabenstraße
Wagner Jauregg Straße / Triesterstraße
Hilmteichstraße / Schubertstraße
St. Peter Hauptstraße / Petersbergenstraße ?
Liebe Grüße
Martin

Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #4

Das wäre sehr interessant zu wissen.
Teilweise stehen sie ja im Artikel.

Wenn jemand den Standort einer solchen weiß, bitte hier einstellen.

Ich werde hier eine Liste beginnen:

Körösistraße / Grabenstraße
Wagner Jauregg Straße / Triesterstraße
Hilmteichstraße / Schubertstraße
St. Peter Hauptstraße / Petersbergenstraße ?



St.-Peter-Hauptstraße würde ich auch sagen
Eggenberger Straße/Alte Poststraße
Am Ende der Conrad-von-Hötzendorf-Straße
Im Bereich Leonhardplatz müsste auch eine gewesen sein (ich bilde mir ein, mal davon gehört zu haben, dass die am Beginn der Riesstraße auf der linken Seite war und im Zuge des LKH-Baus abgerissen wurde, allerdings war das ja deutlich vor 1938, also sollte die an anderer Stelle wieder aufgebaut worden sein)

  • 200er
Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #5
In dem Buch "Historisches aus Graz" von Karl A. Kubinzky, Leykam 2010, gibt es ein ganzes Kapitel zu diesen Mautstellen samt Nennung weiterer Standorte. Leider steht mir das Buch momentan nicht zur Verfügung, sonst würde ich weitere Standorte hier hereinschreiben. Einer war jedenfalls an der Ecke Plüddemanngasse/Ruckerlberggasse.

lg 200er

  • Stipe
Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #6

Ergänzend dazu die "Spinatwachter" bei der Eggenberger Maut um 1930.


Kommt aus dieser Zeit etwa der schöne Ausdruck "Spinatwachtel"? Liegt nahe, oder?

Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #7

St.-Peter-Hauptstraße würde ich auch sagen


Und zwar genau dort, wo aus der Petersgasse die St.-Peter-Haupt-Straße wird - also kurz nach der Schleife Schulzentrum (auf der Höhe der ehemaligen Tankstelle).

W.
"Es gehört nicht zum Begriff der Demokratie, dass sie selbst die Voraussetzungen für ihre Beseitigung schafft. Man muss auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie gebrauchen wollen, um sie umzubringen"
(Carlo Schmid, SPD, 1948)

  • kroko
Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #8
Zur "Spinatwachtel":

Der Begriff ist seit etwa 1850 bezeugt. Der Wortteil ,,Spinat" stammt wahrscheinlich aus dem süddeutschen Dialekt und geht wohl auf die Redewendung ,,spinnete Wachtel" zurück. Das Wort spinnet kann sowohl ,,verrückt" als auch ,,(spindel-)dürr" bedeuten. Die Wachtel ist metaphorisch zu verstehen und spielt auf die Vogelart an.

Die Brüder Grimm weisen den Wortgebrauch mit der Bedeutung ,,altes, grimmig aussehendes Weib" aus dem Danziger Dialekt nach. (Wikipedia)



Eine Maut beim Leonhardplatz wird im Zeitungsartikel erwähnt (oder vielleicht nur bei den Bilder dazu in der Printausgabe): die war ehemals beim heutigen Schanzlwirt, und danach bei LKH beim Riesplatz (wo jetzt die goldenen Kugeln drin sind).

Re: Mautstellen schotteten Graz ab - bis 1938
Antwort #9
In der Hilmteichstraße steht das ehemalige Mauthaus an der Haltestelle Schönbrunngasse. Unter dem kleinen Balkon war die Eingangstür (heute ein Fenster).
Glaube mich zu erinnern, daß in St.Leonhard noch lange Zeit auf dem Haus "Linienamt" gestanden ist.
In der Kärntnerstraße dürfte das Mauthaus stadtauswärts rechts knapp vor der Unterfahrt gewesen sein. Dort steht noch heute ein einzelnes Haus. Ob es das war?
MfG  Gerold.