Langsam sickern Fakten der neuen Trasse für den Semmering-Bahntunnel durch. Nicht alle sind ermutigend, besonders, was die Kosten betrifft
Verkehrsminister Werner Faymann (SPÖ) und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) lassen sich für die neue Semmering-Variante ausgiebig feiern. Der Preis für den neu erkundeten Verlauf der Röhre durch den Berg und für die Zustimmung der Anti-Tunnel-Lobby in Niederösterreich ist allerdings extrem hoch. Die neue "Pfaffensattel-Trasse" wird schlicht doppelt so teuer, wie Regierung und ÖBB die Semmering-Durchquerung bisher kalkuliert hatten: 2,6 statt 1,25 Milliarden Euro.
Interview http://www.kleinezeitung.at/steiermark/1235657/index.do Grobe Schätzungen. Und das sind nur grobe Schätzungen. Selbst wenn die bisher angenommenen 1,25 Milliarden Euro höchstwahrscheinlich zu optimistisch angesetzt waren und die übliche Steigerung der Baukosten jahrelang nicht berücksichtigt wurde - die Kosten der ursprünglichen Variante wären heute also klar höher als die 1,25 Milliarden -, klafft ein riesiges finanzielles Loch. Zudem reicht die Geldspritze von zwei Milliarden Euro, welche die Bundesregierung den ÖBB zuletzt zugesagt hatte, nur bis zum Jahr 2013. Das ist ein Jahr nach dem geplanten Baubeginn des Bahntunnels. Es ist unklar, ob die Semmering-Bauherren dann um neue Geldmittel betteln müssen.
Kaum Schattenseiten. Die Fachleute scheinen jedenfalls eine Variante gefunden zu haben, die kaum Schattenseiten hat. Der neue Tunnel wäre "zweiröhrig" und damit nicht nur ungleich leistungsfähiger als die bestehende historische Gebirgsbahn, sondern auch als das 2005 endgültig begrabene Projekt. Außerdem sind Tunnels mit zwei Röhren viel sicherer als solche mit nur einer. Die Kapazität der Semmering-Querung würde sich von jetzt 250 Zügen pro Tag auf 479 fast verdoppeln.
Glücksgriff. Da der Tunnel fast 27 statt 22,1 Kilometer lang ist, ist auch die Steigung entscheidend kleiner. Man spricht von einer Flachbahn, es genügt jeweils eine Lokomotive pro Zug.
Verlauf. Der Verlauf der neuen Strecke dürfte ein Glücksgriff für Umwelt und Natur sein. Es werden weniger ökologisch sensible Gebiete berührt als in der alten Variante, auch für den Wasserhaushalt des Semmeringmassivs ergeben sich entscheidende Vorteile. Insgesamt wurden im Verlauf der Planungsarbeiten im Semmeringgebiet 1000 Feuchtlebensräume kartiert und 3700 Quellen, Brunnen und Bäche dokumentiert.
Keine Widerstände. Widerstände von Bürgerseite werden offenbar nicht erwartet. In die Vorbereitung und die Ermittlungsphase von insgesamt 13 verschiedenen Tunneltrassen waren seit Dezember 2005 13 Gemeinden in Niederösterreich und der Steiermark eingebunden.
Probebohrungen. Die Probebohrungen beginnen schon in wenigen Tagen. Für die UVP und das eisenbahnrechtliche Verfahren ist so viel Zeit eingeplant, dass der Baubeginn erst im Jahr 2012 realistisch ist, die Fertigstellung zehn Jahre später
JOHANNES KÜBECK
Baubeginn Ende 2012Ein völlig neuer Verlauf des Bahntunnels durch den Semmering könnte für das jahrzehntelang verschleppte Projekt den Durchbruch bedeuten. Laut Verkehrsminister Werner Faymann (SPÖ) schlagen die zuständigen ÖBB-Experten vor, die Doppelröhre nicht nördlich der bestehenden Bahnstrecke zu führen, sondern in einem Bogen erst nach Süden und dann nach Westen. Der Tunnel mit der Trassenbezeichnung Pfaffensattel wäre dann länger, die Steigung aber geringer. Die Ausgangsbahnhöfe blieben mit Gloggnitz und Mürzzuschlag unverändert.
"So wird das passieren". Weil der Semmeringtunnel eng mit der Koralmbahn verbunden ist, hat er auch für Kärnten große Bedeutung. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), der die alte Variante des Semmeringtunnels mehr als zehn Jahre erfolgreich verhindert hatte, sieht die neue als "vereinbart". Sein Sprecher sagte: "So wird das passieren." Auch die Steirer waren eingebunden. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) gab sich fast euphorisch und betonte, dass sich die Bahnfahrt von Klagenfurt nach Wien durch den Semmering von jetzt vier auf zwei Stunden verkürzen werde. Der steirische ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer gab sich etwas zurückhaltender. Er fordert jetzt eine intensive Zusammenarbeit mit Niederösterreich und Faymann.
2,6 Milliarden Euro. Mit den Vorarbeiten des zweiröhrigen Tunnels geht es ganz schnell los. Schon Mitte Mai beginnen die bis zu 720 Meter tiefen Probebohrungen, sie werden bis etwa Mitte September dauern. Nach Auskunft des Büros Faymann sind die Bürger der betroffenen Gemeinden seit 2005 in die Planungen eingebunden, es seien keine Bürgerinitiativen aufgetreten. Noch heuer beginnen die umfangreichen Genehmigungsverfahren. Der Baubeginn ist laut Experten Ende 2012 realistisch, die Bauzeit beträgt zehn Jahre. Die Kosten soll 2,6 Milliarden Euro betragen.
JOHANNES KÜBECK
Quelle:
www.kleine.at