Alle Variobahnen wären im ursprünglichen Ablieferungszustand behördlich zugelassen worden - nur: bei Stadt hat man sich eingebildet, dann noch was in Sachen Lärmschutz machen zu sollen/müssen,
Die haben genau das geliefert was bestellt war und - wie schon öfter gesagt - diese Fahrzeuge haben genau so auch eine Zulassung bekommen.
Stopp: So ist das wiederum nicht: Die behördliche Zulassung sagt *nur* aus, das das Fahrzeug den behördlichen Vorgaben entspricht und sonst gar nichts. Dinge wie gleisschonende Fahreigenschaften, Körperschalleigenschaften, ruckfreies Fahren auch in Kurven etc. sind *nicht* Gegenstand der behördlichen Zulassung!
Die behördliche Zulassung ist ein selbstverständliche Grundvoraussetzung für den Betrieb eines neuen Straßenbahnfahrzeuges und nicht mehr.
Es ist durchaus legitim, dass die HGL erkannte Mängel an den Fahrzeugen als Verbesserung beim Hersteller urgiert, z.B. die bei der ersten Bauserie absoulut nicht wegzudiskutierenden prellenden Fahreigenschaften mit Körperschalleffekten, das mahlende Befahren enger Kurven, wie es sie in Graz nuneinmal gibt oder das hörbare Rumpeln im Fahrgastbereich, das im Vergleich zu den CRs auffällig ist.
Dass Stadler hier als Hersteller nachbessern muss, ist klar. Dass diese Eigenschaften erst auffallen können, wenn die Fahrzeuge im Alltagsbetrieb fahren, ist auch verständlich.
Ich wundere mich sowieso dass die überhaupt so viel Entgegenkommen zeigen und den Umbau nicht als komplett neuen Auftrag abwickeln (was er ja eigentlich ist!).
Stadler würde nicht nachbessern, wenn es keine begründete Mängelrüge gäbe - Stadler ist kein karitatives Unternehmen!
Also: Die Zulassung sagt rein gar nichts über die Mängelfreiheit im Gesamten aus.
Was wurde von Seiten der HGL falsch gemacht:
- es wurden 45 Fahrzeuge bestellt, ohne ein Probefahrzeug vorab als Testfahrzeug 1/2 Jahr im Regelbetrieb zu erproben.
Warum dies nicht gemacht wurde, ist unverständlich. Allfällige Mehrkosten sind durch das jetzige VB-Chaos sicher bei weitem übertroffen.
- Die andersartige Drehgestellkonstruktion (Anlenker anstelle Drehpfanne, Radnabenmotore anstelle Getriebemotore) hätte bei den HGL
vorab Wachsamkeit bezüglich der Fahr- und Kurveneigenschaften bei den Grazer Verhältnissen wecken sollen, die steifere und mit mehr ungefederten Massen versehene Konstruktion hätte eine umfangreiche Voraberprobung verlangt, die durchaus auch in eine Ablehnung hätte münden können.
- Die Feuerwehranforderungen hätten vorab abgeklärt werden können.
- Das Fahrzeug wurde als fahrende Reklamesäule nach Anforderungen der Fa. Ankünder designed. Eine emotionale Bindung der Bevölkerung ( die dann kleinere Mängel leichter verzeiht) an die neuen Straßenbahngarnituren wurde - wie etwa in Frankreich - nie in Erwägung gezogen. Die Rechnung hat die HGL nun in Form von schlechter Nachrede, kritisierenden Zeitungen, aufgescheuchten Anrainern und unzufriedenen Fahrgästen bekommen.
Ich behaupte, die daraus resultierenden - auch mittelbaren Kosten betragen mehr, als die Fa. Ankünder jemals an die HGL für ihre Reklameanbringungen bezahlen wird.
Stadler ist natürlich auch nicht unschuldig:
- Die Grazer Verhältnisse (Radien, Altbauten in Gleisnähe etc.) wurden bei der Angebotslegung bzw. Konstruktion nicht ausreichend berücksichtigt.
- Stadler hätte selbst ein Probefahrzeug anbieten sollen, da sie keine Erfahrungen mit Gleisverhältnissen wie in Graz haben: Im Nachhinein wäre eine Probestellung mit Abklärung aller definitiven Verbesserungen wahrscheinlich auch für Stadler günstiger gewesen, als die Kosten für das monatelange Nachbessern und die Lieferverzögerungen (und damit Zahlungsverzögerungen) zu tragen.
Zum Schluss noch ein paar verkehrspolitische Gedankenspiele:
Stellen wir uns vor, die HGL hätte die ersten 5 Fahrzeuge akzeptiert und alle weiteren wären sukzessive in gleicher Form geliefert worden:
Fakt wäre, dass diese Fahrzeuge nicht die Fahreigenschaften der CR erreicht hätten.
- Die riesige Gefahr wäre, dass bei der dominaten Zahl von 45 Fahrzeugen der Unmut über das System Straßenbahn bei der Bevölkerung gestiegen wäre. Eventuell nicht ausgesprochen, aber auf der emotionalen Ebene: Auch ich würde irgendwie unzufrieden sein, wenn
neue Fahrzeuge schlechtere Fahreigenschaften haben als alte.
- Die Gummiradlerkonkurrenz steht in den Startlöchern: Die Gefahr kommt vom 100% elektrisch angetriebenen E-Bus, womöglich noch mit elektronischer Spurführung und in Doppelgelenkausführung. In ein paar Jahren wird es soweit sein, und die ersten 100% E-Busse werden in Graz Probefahrten durchführen: Leise und ohne Rumpeln, und als umweltfreundlich beworben (was sie wegen der Batterien nicht sind, aber das stört die Werbung nicht!)
- Es ist dann nur eine Frage der Zeit, bis die Stimmung der Bevölkerung zugunsten des neuen E-Bus umschlägt nach dem Motto: Weg mit der rumpelnden Straßenbahn - her mit dem leisen E-Bus. Und die Politiker werden die geringeren Kosten für den E-Bus sehen, die Buslobby wird ihren Teil zur Verkaufsförderung beitragen ... und die ersten Straßenbahnlinien werden unter dem Jubel der Bevölkerung auf E-Bus umgestellt.
Deshalb meine Meinung - nach langer Überlegung: Es ist gut, dass die HGL die Notbremse bei den VBs gezogen hat und darauf drängt, dass die VB zumindest mit den Fahreigenschaftren der CR gleichziehen. Alles andere würde das System Straßenbahn in - möglicherweise nicht allzu ferner - Zukunft gefährden.
Und ja: Es ist noch nicht zu spät, durch eine gefälligere, moderne Farbgebung auch die emotionelle Bindung der Bevölkerung an die 'moderne, neue' Variobahn zu erreichen. Frankreich zeigt es vor!
( Und ja, der Volvo-Hybridbus hat auch keine 'ankündergerechte' Farbgebung ....)
