Re: Der Radweg-Thread
Antwort #446 –
Dazu sei auch noch anzumerken, dass das auch beim MIV zutrifft. Weil Kfz laufend breiter wurden/werden, werden ständig Gehsteige verschmälert oder um Parkplätze zu erhalten das (Teil-)Parken auf Gehsteigen erlaubt hat. In der Leonhardstraße war die verbleibende Gehwegbreite und durch das rücksichtslose Verhalten so mancher Autofahrer (über die Markierung stehen und zusätzlich eingeschlagene Vorderräder) so gering, dass wir mit dem Kinderwagen nicht nur einmal auf die Straße ausweichen mussten. Inzwischen gibt es die Parkplätze ja nicht mehr, wobei laut ProMIV-Blatt aka Kleine Zeitung die gegenüber den Vorgängern 3cm breiteren Donnerwalzen daran schuld sind, aber sicher nicht die Kfz die in den letzten 20 Jahren um gut 20 cm breiter wurden.
Inzwischen ist es auch ganz normal, dass Autofahrer, die schnell irgendwo was holen müssen, auf Geh- und Radwegen parken oder Durchgänge/-fahrten zustellen. Am Kaiser-Josef-Platz blieb früher der Gehsteig entlang des Glacis für Fußgänger frei, jetzt wird alles verparkt, wo es nur geht und als Fußgänger darf man sich zwischen den kreuz und quer parkenden Autos durchquälen. Das wird von Fußgängern toleriert und von der Polizei ignoriert (außerhalb der Zonenüberwachungszeiten kann man in Graz parken wie man will), solange die auf der Straße im Auto beim Drehen ihrer Streifenrunden nicht behindert werden. Fußstreifen denen das vielleicht auffallen würde, gibt es ja keine mehr.
Der Hund liegt darin begraben, dass man Radfahrer nicht als eigenständige Verkehrsteilnehmergruppe sieht. Die Autofahrer wollen/brauchen immer mehr Platz und da stören die Radfahrer, also verbannt man sie wo es geht auf Geh- und Radwege. Den Fußgängern ist man ein Dorn im Auge, weil man relativ zu ihnen mit der 10fachen Geschwindigkeit unterwegs ist und zugleich in Graz Mehrzweckstreifen stets in Grazer-Maximalbreite = gesetzliche Mindestbreite ausführt und zusätzlich alle Taferl, Masten und Säulen auch noch hingestellt werden und so der Platz vielfach sehr eng bemessen ist. Als Radfahrer muss man sich oft die Edith-Klinger-Frage stellen: "Wer will mich?"
Als Radfahrer ist man durchschnittlich genauso schnell wie ein Autofahrer, aber erreicht halt nicht dessen Höchstgeschwindigkeit. Gegenüber Fußgängern erreicht man aber stets deutlich höhere Geschwindigkeiten (für mich sind Mehrzweckstreifen daher komplett schwachsinnig). Man muss also entweder Platz auf der Straße (Radfahrstreifen) oder eigene Radwege schaffen und zugleich den Autofahrern und auch Fußgägern klar machen, dass man ein gleichwertiger Verkehrsteilnehmer ist. Solange man Radfahrer als Verkehrsübel ansieht, braucht man sich nicht wundern, wenn die sich dann auch oft nicht ganz gesetzeskonform verhalten.
MMn wären folgende Maßnahmen wichtig:
- Hauptradrouten wie bei der Querung Landesturnhalle den Vorrang gegenüber einer wenig befahrenen Nebenstraße geben
- In den Nebenstraßen die ganzen ENDE Markierungen auf Radstreifen gegen die Einbahn entfernen und dafür einfach nach der Rechtsregel vorgehen. (Dazu müsste aber die Gesetzeslage angepasst werden, wird also länger nicht der Fall sein).
- Wichtige innerstädtische Radwege bzw. einen Radwegring errichten/verlängern und nicht nur davon faseln (Verlängerung am Ring vom Eisernen Tor bis zur Mur und auch Richtung Raubergasse mit ordentlicher Adaptierung dieser Gasse für Radfahrer (Die Schmiedgasse ist derzeit die einzige innenstadtnahe Möglichkeit, um vom Jakominiplatz Richtung Hauptplatz zu kommen).
- Radwege aus den Randbezirken/Umland so attraktiv gestalten, dass man diese auch gerne und regulär benutzt.
- Statt Aktionen des KfV auf Radwegen vor Kreuzungen wie "auch bei grün rechts und links schauen", so in die Richtung "bei Autofahrern wird halt tolereiert, dass sie bei gelb/rot in die Kreuzung fahren" sollte man Autofahrern die Regeln z.B. einer Begegnungszone näher bringen. Wenn man mit Autofahrern redet, was da so alles geglaubt oder nicht geglaubt wird,statt sich mit der StVO auseinanderzusetzen.
Bei den meisten Straßenbauprojekten hat man das Gefühl, dass die Planungsgespräche nach diesem Schema ablaufen: "So also irgendwie müssen wir da was für die Autofahrer machen. Auf jeden Fall breiter mit 2 oder 3 Richtungsfahrspuren?" - "Was ist mit den Fußgängern?" - "Bei dem Platz den wir haben gehen sich mit Gehsteig nicht 3 Spuren aus." - "Also nur 2 Richtungsspuren und einen breiteren Gehsteig" - "Gute Idee! Da können wird dann auch noch Bushaltestellen einbauen und dann haben wir auch noch genug Platz für die Lichtmasten und Verkehrstafeln. Der Gehweg muss eh nicht durchgehend so breit sein."
Konsens gefunden. Ausführung startet.
Während den Bauarbeiten bekommt der Radbeauftragte oder ARGUS oder wer auch immer Wind vom Projekt und es wird nachgefragt:
"Wie schaut es eigentlich mit den Radfahrern aus?"
"Welche Radfahrer. Da fahren doch keine Radfahrer und sonst können die ja auch ein bissl Umweg fahren. Die fahren ja, weil sie Radfahren wollen."
"Öhm. Nein! Die wollen auch schnell und direkt von A nach B kommen."
"Hm. Auf der Straße ist aber blöd. Da regen sich die Autofahrer dann auf, dass sie so wenig Platz haben obwohl sie im Gegensatz zu den Radfahrern so viel steuern zahlen. Die sind Sozialschmarotzer wie die Fußgänger und Öffi-Nutzer. Das ist es! Die sind wie die Fußgänger. Also können die Radfahrer doch auch auf dem breiten Gehsteig fahren. Wir machen einen Mehrzweckstreifen."
"Das geht sich mit den Masten und Verkehrszeichen nicht aus."
"Kein Problem! Der Mehrzweckstreifen kann ja stellenweise auch ein bisserl schmäler sein. Zur Not stellen wir halt, wo es sich nicht ausgeht, eine Radwegende-Tafel hin."
"Okay. Und was machen die Radfahrer dann?"
"Die können ja absteigen und schieben oder auf der Straße fahren."
"Dann fahren sie aber gegen die Fahrtrichtung."
"Ihr blöden Radlfahrer müssts auch die ganze Zeit jammern. Jetzt haben wir eh schon alles für euch umgeplant! Schluss jetzt! So machen wird das."
Straßenumbau fertig. Am nächsten Tag die ersten Leserbriefe in der Kleinen Zeitung.
Ernst K., Autofahrer: "Da wird was so toll umgebaut mit genug Platz für die Radfahrer am Gehsteig und dann fahren die vor mir mitten auf die Straße. Die Radfahrer halten sich an nichts."
Bertha Z., Fußgängerin: "Da gibt es so viel Platz auf der Straße und dann hätte mich so ein Radfahrrowdy fast zusammengeführt. Die Radfahrer halten sich an nichts."