Reininghaus-Gründe: "Die Filetierung ist eine große Chance"Architekt Johannes Fiedler beleuchtet städtebauliche Aspekte rund um die Entwicklung des neuen Stadtteils auf den Reininghausgründen.
Graz-Reininghaus, das war bis vor Kurzem der Begriff für innovative Stadtentwicklung. Groß war die Enttäuschung, als die Eigentümergesellschaft Asset One im Juni bekanntgab, dass man sich - wirtschaftskrisenbedingt - diese Form der Projektentwicklung nicht mehr leisten könne und nun zur Grundstücksverwertung übergehen müsse.
Was nun? Es gibt einen wesentlichen Aspekt, den wir jetzt vielleicht besser verstehen: Stadtplanung ist und bleibt eine öffentliche Angelegenheit. Sie ist die res publica des räumlichen Zusammenlebens. Man kann sie nicht outsourcen, nicht delegieren, nicht privatisieren. Man kann die Stadt nicht in Form privatwirtschaftlicher "Anlagen" organisieren. Und: Man muss eine tragfähige, gemeinsame Vorstellung davon entwickeln, was Stadt ist und was Stadt sein soll.
Denn die elementare Logik der Stadt, die Idee des Zusammenlebens auf engem Raum, die Idee der Verdichtung, ist in der Konsumgesellschaft verloren gegangen. Warum soll man im Alltag die vielfachen Nachteile der Verdichtung in Kauf nehmen, wenn sich doch alles auch im "suburbanen System" erledigen lässt? Da gibt es Arbeitsplätze, Einkaufsmöglichkeiten, Freizeitangebote - und alles ist bequem mit dem Auto erreichbar.
Was ist es also, das man den Menschen bieten müsste, damit sie die Stadt wieder als Lebensraum akzeptieren? Es sind elementare Dinge, so elementar, dass man sich fragen darf, was passiert ist, dass wir uns so etwas Elementares erst wieder wortreich erklären müssen.
Erstens, die Stadt muss wieder - in allen ihren Gassen und Verästelungen - zu Fuß begehbar und erlebbar sein, und zwar sicher, angenehm und für Menschen aller Altersstufen.
Es muss zweitens wieder möglich werden, dass die Bürger und Bürgerinnen einer Stadt in dieser Stadt Häuser selbst bauen und dort auch selbstbestimmt wohnen können. Ist das nicht der Fall? Nein, das ist leider nicht der Fall.
Drittens, es muss wieder möglich sein, so zu bauen, wie es in den vergangenen sechstausend Jahren möglich war und in vielen Gesellschaften immer noch möglich ist. Dass Häuser Wand an Wand entlang öffentlicher Straßen errichtet werden und dass diese Häuser dieser Straße ihr Gesicht zuwenden und dass Menschen beim Fenster herunterschauen können und dass unten Kinder gehen können und wissen, dass da oben jemand herunterschaut und dass diese Häuser ein Ausmaß und einen Ausdruck haben, der für die Menschen erfassbar und erlebbar ist und dass daneben ein anderes Haus steht, das eine andere Geschichte erzählt.
So gesehen hat Asset One ungefragt einen wesentlichen Denkprozess ausgelöst. Jetzt aber brauchen wir Institutionen, die sich für den öffentlichen Raum einsetzen, wo er öffentlich sein soll und im Übrigen für eine möglichst kleinteilige Parzellierung und einen möglichst breit gestreuten Grundbesitz. In diesem Sinn ist die nun angehende "Filettierung" der Liegenschaft Reininghaus eine große Chance - vorausgesetzt, sie geschieht nach den Prinzipien der öffentlichen Stadt. Wir brauchen keine Anlagen, wir brauchen Häuser.
FaktenJohannes Fiedler, Architekt und Stadtplaner, Lektor für Städtebau an der TU Braunschweig, der FH Graz Joanneum und an der Universität Graz.
quelle:
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