Feinstaub-Fahrverbot: Grünes Licht aus GrazEs wird ernst für die Umweltzone in der Landeshauptstadt. Bürgermeister Siegfried Nagl legte ein klares Bekenntnis dazu ab, fordert aber soziale Verträglichkeit und Unterstützung für den Autoneukauf.
Solche Schilder - wie hier in Berlin - wollen Befürworter auch in Graz
Das Wetter ist strahlend schön - gerade deswegen beschwerten sich Leser über den "Luft-Hunderter" auf der A2, der seit ein paar Tagen wieder in Kraft ist. Doch tatsächlich ist er zurecht in Kraft. "In den letzten vier Tagen waren wir im Mittelwert immer über der kritischen Schwelle", sagt Peter Gspaltl aus dem Büro von Umweltlandesrat Manfred Wegscheider.
Dicker wird die Luft unterdessen auch beim Thema Umweltzone - und die Diskussionen zwischen Wirtschaft, Autofahrerclubs und Politik werden sich verschärfen. Denn der Grazer Bürgermeister hat nun grünes Licht für die Maßnahme gegeben. Eigentlich war die Einführung für Frühling 2010 geplant, doch so schnell wird es wohl nicht gehen. Denn eine nötige Novelle des Immissionsschutzgesetzes Luft (IG-L) im Bund lässt auf sich warten.
Fix ist aber Nagls Zustimmung: Nach einigem Zaudern in den letzten Wochen sagte er am Mittwoch zur Kleinen Zeitung: "Ich gehe davon aus, dass restriktive Maßnahmen in der ganzen Steiermark in Kraft treten. Doch auch wenn es nur Graz betreffen sollte, werden wir es machen." Dieses Bekenntnis hatte Umweltlandesrat Wegscheider gefordert. "Die Umweltzone kommt nur, wenn sich die Grazer Stadtpolitik auch klar dazu bekennt", sagte Gspaltl. Für Nagl sind allerdings noch Fragen offen. "Es muss sozial verträglich sein und die Leute müssen beim Autoneukauf unterstützt werden", so Nagl. Umweltlandesrat Wegscheider stellt Ausnahmen in Aussicht.
Für seine Pläne musste Wegscheider ja schon einiges an Kritik einstecken. Auch der ÖAMTC legt jetzt noch einmal nach. Mit dem Berliner Beispiel (Bericht links) will der Club seine Ansicht untermauern, dass "der Aufwand in keiner Relation zum Ergebnis steht", sagt Max Haller, der Cheftechniker des Autofahrerclubs.
SONJA HASEWEND, BERND HECKE
Rund 263.000 Autos könnten betroffen sein
Für die Umweltzone ist ein Pickerl-Modell wie in Deutschland realistisch.
Kommt die Umweltzone - auf Grundlage der EU-Grenzwerte für Feinstaub - in Graz, könnten 263.000 Autos im Lauf der kommenden Jahre betroffen sein. Folgendes Modell wäre realistisch:
Roter Aufkleber:
Dieselfahrzeuge der Klasse Euro 2 (etwa ab Baujahr 1996); Fahrverbot ab 2011.
Gelber Aufkleber:
Diesel der Klasse Euro 3 (etwa ab Baujahr 2000); Fahrverbot ab 2010.
Grüner Aufkleber:
Diesel der Klasse Euro 4 (etwa ab Baujahr 2005) und alle Benziner mit Katalysator; keine Fahrverbote.
Keine Aufkleber
gibt es für Benziner ohne Katalysator und ältere Diesel. Für sie gelten Fahrverbote ab Einführung der Umweltzone.
Nachrüstung:
Mit dem Einbau von Partikelfiltern kann die nächsthöhere Stufe erreicht werden.
Damit dies überhaupt umsetzbar ist, muss der Bund das Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L) ändern. "Die Verordnung wird jetzt ausformuliert, dann geht sie in Begutachtung", heißt es aus dem Umweltministerium. Der Begriff "Umweltzone" werde im Text nicht vorkommen. Es sei eine Verordnungsermächtigung, dass die Landeshauptleute für verkehrsintensive Zonen Verbote erlassen können (in Deutschland ist das Sache der Gemeinden).
Hand und FußJetzt also doch: Auch der Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl bekennt sich nach anfänglicher Skepsis zum Plan, die Landeshauptstadt nächstes Jahr in eine Umweltzone mit Fahrverboten für betagtere Diesel-Autos zu verwandeln. Damit scheinen der strittigen Feinstaub-Maßnahme die politischen Schranken geöffnet.
Auf Schiene ist sie deshalb noch lange nicht. Zu viele Fragen sind offen. Etwa jene, wie - und ob überhaupt - sich solche Fahrverbote sozial verträglich gestalten lassen und welche Ausnahmeregelungen es für wen geben wird.
Für die Politik wird die Entscheidung darüber eine Gratwanderung zwischen übertriebener Härte und einer porösen Verordnung, die nur noch aus Ausnahmen besteht. Dabei ist Fingerspitzengefühl gefragt - und politischer Mut. Denn, wie auch immer die Umweltzone aussehen wird, massive Kritik an ihr wird nicht ausbleiben.
Den Bekenntnissen muss jetzt eine Regelung folgen, die Hand und Fuß hat. Eine weitere Panne in Sachen Feinstaub kann sich die Politik nicht mehr leisten.
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